UPDATE& — Im Zuge der Energiekrise sparen Unternehmen und Verbraucher gerade Energie, wo es nur geht – gerade beim Heizen lautet die Ansage: Maximal 19 Grad sei das Gebot der Stunde. Doch Mediziner und auch das Umweltbundesamt warnen: 19 Grad können gerade im Büro bei sitzenden Tätigkeiten am Schreibtisch deutlich zu wenig sein – Motorik und Aufmerksamkeit leiden dann bereits, es droht die Gefahr des Auskühlens. Unter 19 Grad wird es gar kritisch: Dann steigt die Infektanfälligkeit deutlich, ebenso das Schimmelrisiko – und bei zu kühlem Trinkwasser auch die Legionellengefahr. Aus aktuellem Anlass haben wir unseren Text vom November noch einmal wiederholt – und aktualisiert.

Büroraum im Mainzer Stadthaus: Die Stadt Mainz schreibt maximal 18 Grad in ihren Räumen vor. - Foto: gik
Büroraum im Mainzer Stadthaus: Die Stadt Mainz schreibt maximal 18 Grad in ihren Räumen vor. – Foto: gik

19 Grad – so lautete die offizielle Vorgabe von Bund und Ländern für diesen Winter in Sachen Raumtemperatur. Gerade Büros, in denen nur leichte, sitzende Tätigkeiten ausgeführt werden, sollen mit maximal 19 Grad beheizt werden, um Energie zu sparen – so schreibt es die Energiesparverordnung des Bundes vor, die noch bis Ende Februar 2023 gilt. So soll in Deutschland in diesem Winter sicher gestellt werden, dass die knappen Energieressourcen über den Winter reichen. Denn pro Grad Absenkung der Raumtemperatur können Haushalte und Unternehmen bis zu sechs Prozent Heizenergie einsparen.

In der Stadt Mainz geht man sogar noch weiter: Auf maximal 18 Grad dürfen die Büros der Stadtverwaltung gerade einmal noch beheizt werden, so die erster Verordnung der Stadt Ende des Sommers. Mediziner und Arbeitsschutzexperten warnen genau davor: Temperaturen unter 19 Grad könnten gerade bei sitzenden Tätigkeiten schon zu kalten Händen und zum Auskühlen von Armen und Beinen führen, warnte jüngst das Umweltbundesamt. Die Anfälligkeit für Infektionen steige – und das Risiko von Schimmelbildung in den Räumen.

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Update&: Inzwischen hat die Stadtverwaltung mitgeteilt, man habe sich auf 19 Grad in den Büros verständigt, man habe sich an der Arbeitsstättenverordnung orientiert. Doch auch die 19 Grad sehen Experten ausgesprochen kritisch.

 

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 explodieren die Energiepreise in Deutschland: Die Preise für Gas und teilweise auch für Strom haben sich für viele Kunden verdoppelt oder verdreifacht – manchmal sogar verzehnfacht. Viele sehen gar keine andere Lösung, als die Heizung in diesem Winter massiv herunterzudrehen, dazu kommen die Vorschriften der neuen Energiesparverordnungen – doch schon das Dimmen auf 19 Grad oder sogar weniger birgt Gefahren für Mensch und Haus.

Ab 19 Grad schlechtere Motorik und höhere Infektionsgefahr

Wer vorwiegend still am Computer sitzt, und dort vielleicht sogar Designarbeiten machen muss, für den sind 19 Grad Raumtemperatur zu wenig. - Foto: gik
Wer vorwiegend still am Computer sitzt, und dort vielleicht sogar Designarbeiten machen muss, für den sind 19 Grad Raumtemperatur zu wenig. – Foto: gik

So warnte jüngst der Präsident des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Wolfgang Panter, auf allen Medienkanälen: 19 Grad im Büro könnten deutlich zu wenig sein. „Bei Tätigkeiten, bei denen man sich im Büro bewegen kann, habe ich nichts gegen 19 Grad“, sagte Panter etwa im Interview mit Spiegel Online. Problematisch werde es jedoch bei Tätigkeiten, wo Menschen mit hoher Konzentration lange an einem Ort gebunden seien – etwa bei Fluglotsen.

„Oder denken Sie an Berufe mit hoher Fingerfertigkeit wie etwa Computer Aided Design (CAD) oder Uhrmacher“, sagte Panter weiter: „Je kälter die Finger dort werden, desto schlechter ist die Feinmotorik.“ Eine Innentemperatur von 19 Grad sei deshalb nicht pauschal für jede körperlich leichte Arbeit geeignet, kritisiert der Verband der Werksärzte:  Gerade Beschäftigte mit dauerhaften Tätigkeiten bräuchten es wärmer – und es mache eben einen großen Unterschied, ob die Arbeit es erlaube, sich frei zu bewegen, oder man eben hochkonzentriert und bewegungslos über längere Zeiträume auf einen Bildschirm starrt.

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Raumluftexperten zufolge sind in Innenräumen eigentlich 20 bis 22 Grad notwendig für das Wohlbefinden – schon 19 Grad, oder erst Recht Temperaturen von weniger als 19 Grad können sogar die Gesundheit beeinträchtigen: Bei Temperaturen dauerhaft unter 19 Grad erhöhe sich die Anfälligkeit für Infekte wie Erkältungen, sagte Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt gegenüber SWR Online. Das gelte vor allem für älteren Menschen, für Menschen mit niedrigem Blutdruck und für solche, die sich wenig bewegten.

Bei 19 bis 20 Grad nicht voll leistungsfähig

Wenn der Körper gefühlt zum Eisklumpen wird: Das kann schon bei 19 Grad und weniger passieren. - Foto: gik
Wenn der Körper gefühlt zum Eisklumpen wird: Das kann schon bei 19 Grad und weniger passieren. – Foto: gik

Bei Kälte wird die Haut weniger gut durchblutet, die Gefäße im Körper ziehen sich zusammen – der Mensch fröstelt oder friert. Wer friert, ist dabei weniger leistungsfähig – das zeige eine finnisch-amerikanische Studie, die den Einfluss der Raumtemperatur auf die Aufgabenleistung in Büroumgebungen untersucht hat, wie der SWR gerade berichtete. Das Ergebnis: Die höchste Produktivität liegt bei einer Temperatur von knapp 22 Grad, bei 19 bis 20 Grad ist man hingegen nicht voll leistungsfähig. Auch ein wärmerer Pullover helfe dann nicht weiter, weil die Durchblutung so auch nicht in Schwung kommt, warnen die Experten.

Bei der Festlegung auf 19 Grad sei womöglich nicht mitgedacht worden, dass das Kälteempfinden bei jedem Menschen unterschiedlich sein könne, kritisierte Moriske weiter. So frieren gerade Frauen in der Regel leichter, weil sie weniger Muskelmasse und tatsächlich auch eine dünnere Haut haben als Männer. Zu starke Temperaturabsenkungen  von 16 bis 18 Grad „bergen ein erhebliches Risiko für Schimmelbefall und gesundheitlich negative Folgen“, warnt man beim Umweltbundesamt.

 

So erhöhe eine generelle Absenkung der Raumlufttemperaturen in regelmäßig genutzten Wohnräumen das Schimmelrisiko, warnen die Experten. „Eine Erhöhung der relativen Luftfeuchte über Tage und Wochen oberhalb von mehr als 60 Prozent kann bereits binnen weniger Tage das Wachstum von Schimmelpilzen begünstigen“, heißt es auf der Homepage. Besonders gefährdet seien kalte Außenwände, kühle Oberflächen im Raum, aber auch Nischenbereiche, wo anfallende Feuchte nur schwer durch das Lüften abtransportiert werden könne.

Schimmelgefahr: Hohes Risiko für Haus und Gesundheit

Schimmel in der Dusche: Das droht bei schlecht gelüfteten und vor allem zu kalten Räumen. - Foto gik
Schimmel in der Dusche: Das droht bei schlecht gelüfteten und vor allem zu kalten Räumen. – Foto gik

Schimmel ist dabei alles andere als eine Bagatelle: „Schimmel in Innenräumen erhöht das Risiko für die Entstehung und Verschlimmerung von Asthma und für weitere mit Schimmel assoziierte gesundheitliche Probleme“, warnt das Umweltbundesamt. Empfohlen werde deshalb in Wohnungen tagsüber die Raumtemperaturen nicht unter 19 bis 20 Grad zu senken, nachts könne über die Nachtabsenkung 18 Grad eingestellt werden. „Weitere Absenkungen erhöhen das Schimmelrisiko deutlich“, heißt es wörtlich.

Gegenmaßnahmen sind regelmäßiges Stoßlüften, geschlossene Türen zu kälteren Räumen aber auch: Möglichst alle genutzten Räume einer Wohnung zu beheizen. Kinderzimmer und Bad sollten dabei wärmer sein (bis zu 24 Grad), Wohnräume zwischen 20 und 22 Grad haben, bei Schlafzimmern reichen hingegen 18 Grad – es sei denn, man gehört zu den Menschen, die bei kälteren Temperaturen einfach nicht schlafen können.

 

Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz betont zudem: 19 Grad Raumtemperatur könnten sich sehr unterschiedlich anfühlen. Entscheidend sei nämlich nicht nur die gewärmte Luft, sondern auch die Oberflächentemperatur von Wänden und Decken – und da gibt es je nach Dämmung der Wohnung oder Baujahr des Hauses erhebliche Unterschiede. Bei gut gedämmten Wänden und modernen Fenstern sei die Oberflächentemperatur mehrere Grad höher als bei alten Gebäuden mit einem schlechten energetischen Standard, sagt Hans Weinreuter, Energieexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

In alten Häusern sind 19 Grad viel kälter als in modernen

In Altbauten mit hohen decken und womöglich schlechter Dämmung können sich 19 Grad erheblich kälter anfühlen, als im modernen Neubau. - Foto: gik
In Altbauten mit hohen decken und womöglich schlechter Dämmung können sich 19 Grad erheblich kälter anfühlen, als im modernen Neubau. – Foto: gik

In alten, wenig gedämmten Häusern könne sich damit eine Lufttemperatur von 19 Grad deutlich kühler anfühlen, als in modernisierten oder neuen Gebäuden, betont Weinreuter: „Während man in ungedämmten Häusern eine Steppjacke braucht, um sich bei 19 Grad am Schreibtisch wohlzufühlen, reicht in modernen Gebäuden ein leichter Pulli aus.“ Wer sein Haus mit einer guten Dämmung auf den neuesten Stand bringe, sorge damit auch für mehr Behaglichkeit in der Wohnung.

Tatsache ist also: 19 Gard sind nicht gleich 19 Grad – und die rigide Umsetzung der Energiesparverordnungen durchaus ein Problem für viele Arbeitnehmer. Manche Unternehmen gehen deshalb andere Wege: Sie schicken etwa einen Teil der Mitarbeiter ins Homeoffice und konzentrieren die übrigen in Räumen, die dann mit mindestens 20 Grad beheizt werden – die überschüssigen Büroräume können dann von der Temperatur stark heruntergefahren werden.

 

Die Universität Koblenz allerdings geht einen radikalen Weg: Sie verordnet ihren Studierenden ab dem 4. Dezember bis zum 9. Januar 2023 wieder digitalen Fernunterricht bis Mitte Januar – anders könne man das vom Land vorgegebene Einsparziel von 15 Prozent nicht einhalten, argumentierte der Hochschulpräsident. Die Studenten protestierten nun dagegen: Unter den fünf Wochen Fernuni litte erneut das Studium, dazu würden die Energiekosten schlicht auf die Studierenden abgewälzt.

Vorsicht: Legionellengefahr bei zu kaltem Wasser

Achtung: Wer seine Warmwasser-Heizer zu stark absenkt, riskiert Legionellen! Das Foto zeigt die Trinkwasser-Ampel der Stadt Oberursel, passt aber hier auch gut. -Foto: Stadtwerke Oberursel
Achtung: Wer seine Warmwasser-Heizer zu stark absenkt, riskiert Legionellen! Das Foto zeigt die Trinkwasser-Ampel der Stadt Oberursel, passt aber hier auch gut. -Foto: Stadtwerke Oberursel

Und noch eine andere Gefahr lauert bei zu viel Energiesparbemühen: Wer seine Wasser-Heizgeräte in der Küche oder im Bad zu weit herunterdreht, riskiert die Gefahr, dass sich gefährliche Legionellen bilden, warnt das Umweltbundesamt: „Trinkwasser muss bis unmittelbar vor der Mischarmatur entweder kalt oder heiß sein“, heißt es dort. Wenn das nicht sichergestellt sei, „besteht ein Risiko für das Wachstum von Legionellen.“

Um dieses Risiko zu unterbinden, müsse bei Großanlagen mit mehr als 400 Litern Speicherinhalt oder mehr als drei Litern Warmwasser in den Leitungen die Temperatur am Trinkwassererwärmer dauerhaft auf 60 Grad eingestellt sein. „An keiner Stelle in der Trinkwasserinstallation dürfen die Warmwassertemperaturen unter 55 Grad absinken“, warnen die Experten – das gelte im Prinzip auch für kleinere Anlagen. Der Betrieb von „Legionellenschaltungen“ sei „weder sinnvoll noch wirksam“, fügt das UBA hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema lest Ihr auch hier bei den Kollegen des RND, die einer unserer Quellen für diesen Artikel waren. Ausführliche Infos zu Raumtemperatur und Schimmelbildung findet Ihr hier beim Umweltbundesamt. Mehr zum Thema Fassadendämmung findet Ihr hier bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.