Die zweite Corona-Welle verstärkt auch die Sorgen in Schulen und Kindergärten, ein starkes Infektionsgeschehen könne erneut den Unterricht lahm legen. Seit dieser Woche gilt an weiterführenden Schulen eine Maskenpflicht auch im Unterricht, Wiesbaden führte sie sogar für Grundschulen ein. Doch gleichzeitig soll die nun dazu führen, dass bei Infektionsfällen nicht mehr ganze Klassen, sondern nun noch einzelne Schüler in Quarantäne geschickt werden – die Gewerkschaft GEW protestiert dagegen. Auch in den Kitas mehren sich die Sorgen: Auch hier brauche es Lüftungskonzepte, fordert der Verband der Kita-Fachkräfte. Die Stadt Mainz prüft derweil feste Gruppen in den Kitas.

Bildungsministerin Stefanie Hubig und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) bei einem Schulbesuch mit Masken. - Foto: rlp.de
Bildungsministerin Stefanie Hubig und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) bei einem Schulbesuch mit Masken. – Foto: rlp.de

Seit Montag befindet sich Deutschland im Teil-Lockdown, Schulen und Kindergärten aber haben weiter regulär geöffnet, regelmäßiges Lüften und eine Maskenpflicht im Unterricht sollen dafür sorgen, dass sich Corona-Infektionen nicht in den Schulen ausbreiten können. Seit August habe man Infektionsfälle in insgesamt 29 Kindergärten und 68 Schulen in der Stadt Mainz und im Landkreis Mainz-Bingen gehabt, sagte nun der zuständige Beigeordnete im Kreis, Erwin Malkmus, und betonte: „Wir wissen, dass in den Schulen ganz wenig passiert ist, die Infektionen werden meist von außen in die Schule hineingebracht.“

Das Mainzer Bildungsministerium veröffentlichte nun diese Woche eine neue Handreichung in Sachen Maskenpflicht, die für alle weiterführende Schulen nun auch für den Unterricht gilt. Darin heißt es zugleich aber auch: „Die Maskenpflicht und eine ausreichende Belüftung“ könnten dazu beitragen, dass im Fall einer Infektion nur diejenigen Schüler und Lehrkräfte in eine 14-tägige Quarantäne geschickt würden, die dauerhaft den Mindestabstand von zwei Metern zum Quellfall unterschritten hätten. Das sei ein Strategiewechsel, sagte Malkmus, „wir können dann nur noch den betroffenen Schüler selbst nachhause schicken, und eventuell noch seinen direkten Sitznachbarn.“

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Schüler mit Masken bei der Black Lives Matter-Demo im Juni in Mainz. - Foto: gik
Schüler mit Masken bei der Black Lives Matter-Demo im Juni in Mainz. – Foto: gik

Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hört man das mit Entsetzen: „Ich möchte davor warnen“, sagte GEW-Landeschef Klaus-Peter Hammer dieser Zeitung: „Aus Sicht des Fachmanns ist das vielleicht nachvollziehbar, aber die Kollegen in den Schulen verunsichert das sehr.“ In den Schulen seien die Sorgen vor der zweiten Coronawelle groß, die Lehrerkollegen aber auch die Schüler hätten große Angst davor, dass sich Ansteckungen ausbreiteten, wenn nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne geschickt werde. Die Corona-Zeit müsse ja keine 14 Tage dauern, sinnvoll wäre, durch Tests schnell herauszufinden, wer infiziert sei und wer nicht.

„Ich wünsche mir wirklich, dass man mit den Ängsten der Kollegen sensibler umgeht“, betonte Hammer, gesundheitliche Bedenken der Lehrer müssten ernster genommen werden. Die GEW unterstütze das Bemühen der Politik, die Schulen möglichst lange geöffnet zu lassen, sagte der Gewerkschafter weiter. Doch dazu gehöre auch der Gesundheitsschutz für die Lehrer, es brauche deshalb eine Grundausstattung mit sogenannten FFP2-Masken für alle Lehrkräfte, gerade auch deshalb, weil nicht immer und überall die Kinder und Jugendlichen dauerhaft Masken tragen könnten oder dürften.

Den Spagat der Erzieherinnen hat der Karikaturist Ralf Böhme aufgespießt. - Copyright: RABE Cartoon
Den Spagat der Erzieherinnen hat der Karikaturist Ralf Böhme aufgespießt. – Copyright: RABE Cartoon

Eine überzeugende Strategie, wie der Regelbetrieb unter den Bedingungen der rasant steigenden Infektionszahlen aufrechterhalten werden könne, „können wir derzeit nicht erkennen“, kritisierte Hammer zudem. Es sei doch „mehr als fraglich“, ob allein das ständige Tragen von Masken im Unterricht sowie das regelmäßige Lüften ausreichten, wenn das allgemeine Infektionsgeschehen so hoch bleibe.

In den Kitas würden sie sich derweil schon wünschen, dass man überhaupt beim Thema Lüften an sie denke: In den Schulen solle laut Anweisung alle 20 Minuten gelüftet werden, damit die Virenlast im Klassenzimmern mit 20-30 Personen nicht zu hoch werde, heißt es beim Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz: „In der KiTa sind genauso viele Personen in einem Raum zusammen, wir haben wesentlich länger geöffnet als die meisten Schulen – und wir können nicht alle 20 Minuten lüften.“ Auch tragen Kita-Kinder keine Masken, Abstandhalten sei im Alltag unmöglich – auch die Kitas bräuchten Lösungen für die Ansteckungsgefahr in der Luft.

Studien zeigen: Raumluftreiniger können der Infektionsgefahr mit dem Coronavirus erheblich vorbeugen. - Foto: Bundeswehr Uni München
Studien zeigen: Raumluftreiniger können der Infektionsgefahr mit dem Coronavirus erheblich vorbeugen. – Foto: Bundeswehr Uni München

„Wir fordern daher Lüftungsgeräte oder mobile Luftfilteranlagen für unsere KiTas, um Mitarbeiter, Kinder und deren Familien zu schützen“, sagte die Verbandsvorsitzende Claudia Theobald. Mit Be- und Entlüftungsanlagen lasse sich die Viruslast eines Raumes nachweislich senken und die Luftqualität verbessern, neugebaute KiTas verfügten manchmal über solche Anlage. „Die allermeisten Einrichtungen haben diese Lüftungsmöglichkeit aber nicht“, betonte Theobald, hier könne aber nachgerüstet werden. Alternativ seien auch mobile Luftfilteranlagen eine Option, „solche technischen Lösungen wären die einzig alltagstaugliche Möglichkeit, die Viruslast in den KiTa-Räumen zu senken und das Infektionsrisiko zu minimieren“, betonte sie.

Das Land Rheinland-Pfalz hatte kürzlich nach langem Weigern ein Förderprogramm für die Anschaffung mobiler Luftfilter in Höhe von sechs Millionen Euro aufgelegt – allerdings bekommen Schulen die Geräte nur für Räume, die überhaupt nicht gelüftet werden können. Mehrere Studien bescheinigen auch den mobilen Geräten inzwischen, die Virenlast in der Luft maßgeblich reduzieren zu können und so einer Infektionsgefahr erheblich vorbeugen zu helfen. „Ja, solche Geräte kosten Geld“, sagte Theobald weiter, „es kann aber nicht sein, dass wir täglich einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind, uns mit Corona zu infizieren, weil man Kosten scheut.“ Für die Kitas gibt es ein solches Förderprogramm bisher nicht, gerade in den Kitas könne im Alltag aber nicht so effektiv gelüftet werden, wie das notwendig sei.

Kinder in einer Kita in Gießen. - Foto: gik
Kinder in einer Kita in Gießen. – Foto: gik

„Wir betreuen Kinder ab ein oder zwei Jahren, viele können weder eine Jacke an und ausziehen, noch sich in eine Decke wickeln“, schilderte Theobald: „Sobald das Fenster offen ist, fangen sie an zu frieren, besonders wenn durch Querlüftung der aus virologischer Sicht gewünschte Zug entsteht.“ Um so effektiv zu lüften, dass das Infektionsrisiko sinke, „wären wir den ganzen Morgen damit beschäftigt, die Kinder aus ihrem Spiel zu reißen, um sie an- und wieder auszuziehen.“ der verband fordere deshalb, dass die Landesregierung die Problematik ernst nehme, und ein Finanzierungskonzept für die entsprechenden Geräte in den Kitas zur Verfügung stelle. „Wenn sich dadurch KiTa-Schließungen und Quarantänemaßnahmen vermeiden ließen, würden sich diese Geräte vielleicht sogar letztendlich rechnen“, fügte Theobald hinzu.

Beim Land und bei der Stadt Mainz setzt man derweil auf die Bildung fester Kita-Gruppen: Die Ansteckungsrate steige zwar auch in den Kindertagesstätten, bleibe jedoch „insgesamt vergleichsweise gering, Dank der Einhaltung der Hygienekonzepte“, teilte die Stadt Mainz nun mit. Als Schutz vor Infektionen empfehle das Landesjugendamt, eine größere Durchmischungen von Kindergruppen zu vermeiden und möglichst feste Gruppen zu bilden. So solle die Schließung ganzer Einrichtungen möglichst vermieden werden, denn Kinder und Eltern hätten „unverändert Anspruch auf die rechtlich vorgegeben und vereinbarten Betreuungsumfänge.“

Feste Kita-Gruppen sollen vor der Ausbreitung eines Infektionsgeschehens bewahren. - Foto: Bistum Mainz
Feste Kita-Gruppen sollen vor der Ausbreitung eines Infektionsgeschehens bewahren. – Foto: Bistum Mainz

Vor diesem Hintergrund lasse das Mainzer Jugendamt derzeit in den 59 städtischen Kitas abprüfen, inwieweit auf die Umsetzung offener Gruppenkonzepte zugunsten fester oder teiloffener Gruppenkonzepte verzichtet werden könne. Die Durchmischung von Gruppen solle verringert werden, gleichzeitig aber die Kitas geöffnet bleiben, „um den Kindern die vertraute Umgebung und die vertrauten Betreuungspersonen zu erhalten.“

Kinder in festen Gruppen zu betreuen, aber gleichzeitig die Öffnungszeiten voll aufrecht zu erhalten, das werde aber nicht funktionieren, warnte der Verband der KiTa-Fachkräfte: Dafür habe man schlicht nicht genügend Personal in den Kitas. „In Früh- und Spätdiensten und über die Mittagszeit müssen Gruppen gemischt und zusammengelegt werden, um den Regelbetrieb aufrechtzuerhalten, unsere Personalschlüssel lassen hier keine anderen Möglichkeiten zu“, betont der Verband. Wenn die Politik durch feste Gruppen Kontakte reduzieren solle, müsse sie dafür eine Einschränkung der Betreuungszeiten in Kauf nehmen.

Auch die Lehrer wollen in der Corona-Pandemie gehört werden - wie diese Lehrer-Gallier hier im Jugendmaskenzug. - Foto: gik
Auch die Lehrer wollen in der Corona-Pandemie gehört werden – wie diese Lehrer-Gallier hier im Jugendmaskenzug. – Foto: gik

Man wünsche sich zudem eine klarere Kommunikation von der Politik, mahnt der Verband weiter an, es gehe nicht an, dass Beschlüsse und amtliche Schreiben immer erst freitags an die Einrichtungen weitergeleitet würden. Man sei nicht mehr bereit, am Wochenende über neuen Regelungen und Plänen zu brüten, die dann schon montags in der KiTa umgesetzt werden sollten. „Wir hoffen, dass wir diesmal nicht in unseren KiTas vor Ort ausdiskutieren müssen, was Sie auf der Landesebene beschließen“, kritisiert der Verband weiter: „Das hat uns im Frühjahr bereits viel Energie und Kraft geraubt.“

Auch die Gewerkschaften fordern mehr Rücksichtnahme auf das Personal in Kitas und Schulen „Ich wünsche mir wirklich, dass man mit den Ängsten der Kollegen sensibler umgeht“, betonte Hammer, gesundheitliche Bedenken der Lehrer müssten ernster genommen werden. Es sei doch „mehr als fraglich“, ob allein das ständige Tragen von Masken im Unterricht sowie das regelmäßige Lüften ausreichten, wenn das allgemeine Infektionsgeschehen so hoch bleibe. Die GEW fordert deshalb eine Grundausstattung mit sogenannten FFP2-Masken für alle Lehrkräfte, dazu müsse wieder ein Wechsel von Präsenzunterricht und häuslichen Lernphasen in Betracht gezogen werden.

„Räume dazunehmen, Lerngruppen verkleinern, vielleicht zeitversetzt unterrichten oder Klassen zu halbieren – das macht wirklich Sinn“, sagte Hammer. Auch in den Schulen wünscht man sich das sehr: „Wir würden eine Halbierung sehr befürworten“, sagte ein Schulleiter dieser Zeitung: „Es kann doch nicht sein, dass man einen Lockdown macht, die Restaurants schließen müssen, und bei uns knubbeln sich alle in der Mensa.“ Die halbierten Gruppen im ersten Lockdown seien eine großartige Erfahrung gewesen, berichtet der Schulleiter weiter: „Das war eine unglaublich konzentrierte Arbeitsatmosphäre, es gab keine Pausenkonflikte und keine Unfälle“, berichtet er, „Wir haben fast das doppelte an Stoff durchgekriegt, da war eine Ruhe, eine Konzentration, das war irre.“

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