Die Ergebnisse der Ultrafeinstaub-Messungen in Raunheim sorgen in Politik und bei Bürgerinitiativen für erheblichen Wirbel: Die Werte seien „erschreckend hoch“, sagte jetzt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner gegenüber Mainz&, Untersuchungen zu Ultrafeinstaub gehörten deshalb „ganz oben auf die Agenda“. Mainz& hatte Anfang April exklusiv von den Ergebnissen der seit Herbst 2015 stattfindenden Messungen berichtet, Experten der Mainzer Initiative für Fluglärm hatten dabei dramatisch hohe Konzentrationen der giftigen Rußpartikel gefunden. Der Mainzer Herzspezialist und Fluglärmforscher Thomas Münzel will nun mit einer neuen Studie erforschen, welche Entzündungsprozesse ultrafeine Partikel im Körper auslösen und was man dagegen tun kann. Münzel wird dabei mit einer Fluglärmmessstation der Stadt Frankfurt in Sachsenhausen zusammenarbeiten, wie Mainz& exklusiv erfuhr.

Abgasfahne eines startenden Flugzeugs im Jahr 1961. Die Emissionen sind heute fast unsichtbar, aber eine Gesundheitsgefahr gibt es noch immer, sagt die Mainzer Initiative gegen Fluglärm. – Foto: Initiative gegen Fluglärm

Feinstaub und ultrafeine Partikel entstehen bei Verbrennungsprozessen etwa in Motoren oder Triebwerken, die feinen Rußpartikel können ins Lungengewebe und in die Bronchien eindringen und dort Entzündungsprozesse verursachen. Für Feinstaub der Größenordnungen PM10 und PM2,5 weiß man das schon lange, es gibt Messstationen und Grenzwerte für diese Kategorien, vor allem in Bezug auf den Straßenverkehr. Viel gefährlicher als Feinstaub sind aber offenbar die sogenannten ultrafeinen Partikel winzige Rußpartikel, die noch 1.000-fach kleiner sind. Neuesten Studien, etwa vom Münchner Helmholtz-Institut, zufolge, überwinden die winzigen Partikel auch die Schranken zu Gefäßen und Blutbahnen und gelangen so nicht nur in Lungen, sondern auch ins Blut und bis ins Gehirn. Experten der Mainzer Initiative gegen Fluglärm hatten bereits 2015 deutlich erhöhte Werte von Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen gemessen, kürzlich legten die eine erste Auswertung der Ultrafeinstaubmessungen an der offiziellen Messstation des Landes Hessen in Raunheim vor.

Das erschreckende Ergebnis: 20.000 bis 100.000 Partikel pro Kubikzentimeter Luft regelmäßig bei Überflug landender Maschinen – das zigfache einer durchschnittlichen Silvesterbelastung. „Die Werte sind hoch erschreckend, da ist Gefahr im Verzuge“, warnte der Nachrichtentechniker Joachim Alt, der die Messdaten minutiös für das Jahr 2017 ausgewertet hat: Gefahr bestehen könne vor allem für Menschen mit Herzerkrankungen und Lungenproblemen, es müsse untersucht werden, ob es hier Zusammenhänge gebe mit Herz-Lungen-Erkrankungen rund um den Frankfurter Flughafen. Mediziner vermuten, dass Ultrafeinstaub das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzversagen deutlich erhöhen kann.

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Messungen von Ultrafeinstaub in Raunheim im Jahr 2017. – Grafik: Alt/Schwämmlein

„Ultrafeinstaub ist extrem gefährlich“, sagte auch Herzspezialist Thomas Münzel im Gespräch mit Mainz&: „Ultrafeinstaub hat die Größe von einem Virus, dagegen können Sie sich auch mit einer Atemmaske nicht schützen.“ Neue Daten zeigten, dass die ultrafeinen Partikel über die Lunge sofort in die Blutbahn und in die Gefäße hinein gelangten und dort unmittelbar zu Entzündungen führten. „Es gibt Untersuchungen mit Goldpartikeln bei Patienten mit koronaler Herzerkrankung, die gezeigt haben, dass je kleiner die Partikel sind, umso schneller werden sie aufgenommen“, sagte Münzel. Der Feinstaub setze sich zudem in den Gefäßen fest, „dort sitzt er drin, den kriegen sie nicht mehr ‚raus.“ Ein Ziel seiner neuen Studie sei deshalb auch zu erforschen, wie man die durch Feinstaub ausgelösten Entzündungsprobleme behandeln könne. Das neue Forschungsprojekt soll Mitte Mai offiziell vorgestellt werden.

„Wir haben ein Gerät angeschafft, dass Feinstaubpartikel generieren kann“, sagte Münzel jetzt schon gegenüber Mainz&. Mit dem generierten Feinstaub solle an Tieren untersucht werden, welche Auswirkungen Feinstaub auf Gefäße und Gehirn habe, und zwar in Abhängigkeit von der Größe der Partikel. Dabei gehe es explizit auch um ultrafeine Partikel, betonte Münzel. Ziel sei außerdem zu erforschen, ob sich die negativen Auswirkungen beim Zusammentreffen mit Fluglärm potenzierten: „Wir haben neue Ergebnisse, die zeigen, dass Fluglärm die Radikalbildung im Gehirn sofort ankurbelt“, sagte Münzel. Das Interessante sei, dass die im Körper ausgelösten Mechanismen bei Fluglärm und durch Ultrafeinstaub „unheimlich parallel sind“, sagte Münzel: „Wenn Feinstaub und Fluglärm im Körper aufeinandertreffen, geht in den Gefäßen die Post ab.“

Der Mainzer Herzspezialist Thomas Münzel will nun die Gefährlichkeit von Ultrafeinstaub im menschlichen Körper erforschen. – Foto: gik

Freie Radikale lösen im menschlichen Gewebe oxidativen Stress aus, eine Ursache für Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Probleme, Nervenerkrankungen oder sogar Krebs. Die Radikalbildung sei besonders stark in dem Gehirnbereich, wo Lernen und Gedächtnis angesiedelt seien, sagte Münzel: „Das erklärt möglicherweise, warum Kinder beim Lernen um sechs bis acht Wochen zurückbleiben“, sagte er. Die Nora-Studie hatte ergeben, dass Grundschulkinder, die unter Fluglärm in der Schule sitzen, eine schlechtere Leseleistung aufweisen und beim Lesenlernen einen Rückstand von einem Monat hatten.

Zusammenarbeit mit Messstation in Frankfurt-Sachsenhausen: Reale Daten direkt an die Kardiologie

Für die neue Studie wollen die Mainzer zudem mit einer Fluglärmmessstation in Frankfurt zusammenarbeiten: „Es gibt die Idee, bei uns Ultrafeinstaub zu messen“, sagte die Fluglärmschutzbeauftragte der Stadt Frankfurt, Ursula Fechter, Mainz&. Die Stadt Frankfurt hat vor Kurzem eine eigene Fluglärmmessstation in Frankfurt-Sachsenhausen eingerichtet, am 22. Mai soll sie offiziell eingeweiht werden. Gemessen werde dort zwischen einer Grundschule und einem Kindergarten, sagte Fechter. Nun wolle die Stadt an derselben Stelle auch Ultrafeinstaub messen. Die Daten würden dann direkt an die Mainzer Kardiologie gemeldet und dort in das Forschungsvorhaben einfließen.

Ultrafeinstäube seien gefährlich, „das ist ein ganz wichtiges Thema, das muss man unbedingt ernst nehmen“, sagte Fechter weiter. Die Feinstäube seien unsichtbar und würden deshalb erst einmal nicht wahrgenommen, die Gesundheitsschäden seien aber gegeben und stellten sich oft erst mit einigem Abstand ein. „Da ist Gefahr im Verzug, aber die Auswirkungen merken die Menschen erst viel später“, betonte Fechter. Die Messergebnisse in Raunheim seien in jedem Fall alarmierend und ernst zu nehmen, auch in Sachsenhausen solle im Sekundenabstand gemessen werden.

Das Hessische Landesamt für Umwelt operiert dagegen mit Jahresmittelwerten und leitet daraus ab, dass eine unmittelbar Gefahr nicht gegeben sei. Jahresmittelwerte „machen auf keinen Fall Sinn“, sagte hingegen Fechter, „Ultrafeinstaub muss kleinteilig gemessen und ausgewertet werden.“ Die feinen Partikel verwehten innerhalb von Minuten, „aber der Mensch, der darunter steht, bekommt erst einmal die volle Ladung ab.“ Die Methode der Mittelung erinnere sie zudem an das Agieren der Politik in Sachen Fluglärm. Auch dort werde mit gemittelten Werten agiert: Wenn Sie einen Revolver direkt neben dem Ohr abschießen, haben sie einen Hörsturz“, sagte Fechter, „auf 24 Stunden gemittelt ist das nur ein leises Säuseln.“

Münzel fordert Grenzwerte für Ultrafeinstaub – Umweltausschuss im Landtag fragt nach

Stress im Körper, ausgelöst durch Fluglärm,, führt zu Gefäßschäden, so die Mainzer Herzforscher in einer Studie. – Grafik: Münzel, Mainzer Uniklinik

„Lärm und Feinstaub sind neue Herz-Risiko-Faktoren“, sagt auch Münzel, wenn jemand ein Herz-Kreislauf-Risiko habe, „und Lärm kommt obendrauf, werden die Risiken verstärkt.“ Lärm und Feinstaub aber seien Risikofaktoren, die weder Arzt noch Patient beeinflussen könne: „Das können nur die Politiker“, betonte Münzel, „indem sie Grenzwerte schaffen sowohl für Feinstaub als auch für Lärm.“

Auch Rößner fordert, die Gesundheit der Menschen müsse Priorität haben, die Bundesregierung sei deshalb „in der Pflicht, die Notwendigkeit von Grenzwerten zu prüfen und sich dann auch dafür einzusetzen, Grenzwerte im EU-Recht geltend zu machen.“ Doch nicht nur der Bund ist gefragt, auch der Mainzer Landtag wird sich am Dienstag im Umweltausschuss mit dem Thema Ultrafeinstaub am Frankfurter Flughafen beschäftigen. „Wir wollen wissen, ob sich die Länder und unsere Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) um das Thema kümmern und darum, dass der Missstand behoben wird“, sagte der Landtagsabgeordnete Andreas Hartenfels (Grüne) Mainz&.

„Es gibt hohe Belastungen im Ultrafeinstaubbereich, die Größenordnungen der Raunheimer Messungen haben mich schon erschreckt“, sagte Hartenfels weiter. Das Thema sei aber „noch nicht so im Fokus der Umweltämter“, die Politik müsse sich ebenfalls mehr damit beschäftigen. „Dadurch dass Mainz in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens liegt haben wir ein hohes Interesse zu wissen, ob es eine Belastung gibt und wie hoch die ist“, fügte er hinzu.

Info& auf Mainz&: Das neue Forschungsvorhaben will die Mainzer Kardiologie auf einer Pressekonferenz Mitte Mai vorstellen, die Frankfurter Messtation in Sachsenhausen wird am 22. Mai offiziell eingeweiht. Mehr zur Nora-Lärmstudie findet Ihr hier bei Mainz&, die ganze Problematik zu Ultrafeinstaub und die Messungen in Raunheim lest Ihr hier bei Mainz&.  Mehr zur Fluglärmwirkungsforschung von Professor Thomas Münzel lest Ihr ganz aktuell hier bei Mainz&: Herzflimmern durch Fluglärm.

 

 

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