Nun haben die E-Scooter auch Mainz erreicht: 100 mintgrüne Elektro-Scooter stehen jetzt auch den Mainzern zum Mieten und Rumflitzen zur Verfügung. Das Berliner Unternehmen „Tier“ startete am Mittwoch sein Leihangebot in der Landeshauptstadt, zeitgleich übrigens mit Wiesbaden. „Wir hoffen, eine Veränderung zum Guten bewirken zu können“, sagte Tier-Citymanager Daniel Horn bei der Vorstellung des Angebots, und betonte: „Wir wollen keineswegs für Chaos sorgen.“ Die Stadt Mainz vereinbarte deshalb mit dem Anbieter – auf freiwilliger Basis – strenge Regeln für die Nutzung und die Abstellstandorte: Weite Teile der Innenstadt sowie sämtliche Parks und das gesamte Rheinufer wurden zur Verbotszone erklärt – eigentlich also genau da, wo die Roller am Nützlichsten wären.
Mainz starte damit in das Zeitalter der „Mikromobilität“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): „Wir lassen keine Gelegenheit aus, deutlich zu machen, dass Mobilität der Zukunft soll in jedem Fall schadstoffarm und von der Belastung her niedrig sein soll.“ Die Stadt Mainz hatte mit dem Start des Angebots allerdings nichts zu tun: Man habe den Anbieter weder ausgewählt, noch könne man verhindern, dass weitere Anbieter folgten, räumte Ebling auf Nachfrage ein. In anderen Städten europaweit gehören die Scooter längst zum Stadtbild, teilweise tummeln sich vier oder fünf Anbieter gleichzeitig auf den Märkten. Ebling kritisierte, der Bund habe den Städten nicht genug Möglichkeiten gegeben, die Zahl der Anbieter zu begrenzen und strenge Regeln zur Nutzung zu erlassen. Mit dem Mainzer Anbieter Tier wurde deshalb eine freiwillige Vereinbarung geschlossen.
Seit Mitte Juni sind die pfiffigen Elektro-Fußroller nun auch in Deutschland zugelassen, die Regeln zur Nutzung sind allerdings kompliziert. So wurden die E-Scooter nicht, wie in anderen Ländern üblich, einfach den Fahrrädern gleichgestellt, sondern eigene Regeln als „Elektrokleinstfahrzeuge“ geschaffen. Das führt denn auch zu allerhand Verwirrung bei der Frage, wo man die Dinger denn nun nutzen darf. Generell gilt: E-Scooter dürfen nicht auf Gehwegen genutzt werden, sondern sollen Radwege nutzen, gibt es die nicht, sollen sie auf der Straße fahren.
In Mainz führt das denn auch zu allerlei kuriosen Regelungen: So dürfen zwar in weiten Teilen der Stadt Fahrräder Straßen gegen die Einbahnstraßenrichtung nutzen – die E-Scooter dürfen dies jedoch nicht. Schilder dafür gebe es keine, räumte die Stadt auf Nachfrage ein, man setze darauf, dass sich die Nutzer über die Regeln informierten und sich daran hielten. Gleichzeitig dürfen die E-Scooter aber auch zahlreiche Radwege nicht benutzen: Die Stadt sperrte kurzerhand sämtliche Parkanlagen sowie die gesamte Rheinuferpromenade für die kleinen Mini-Scooter – obwohl es dort Radwege gibt. Auch Fußgängerzonen sind für die Roller Tabu, ebenso aber auch die Ludwigsstraße – Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) erklärte, alle diese Zonen sollten Fußgängern vorbehalten bleiben, „da sollte man sich zu Fuß bewegen.“
Dabei entfalten die E-Scooter ihre Wirkung vor allem im Innenstadtbereich, Verkehrsexperten sehen ihre positive Wirkung hauptsächlich auf der sogenannten „Letzten Meile“: E-Scooter können demnach eine gute Überbrückung sein für den Weg von der Haltestelle zur Wohnung oder zum Büro oder zwischen zwei Kurz-Zielen. Besonders große Wirkung haben sie zudem im Tourismus: In Städten wie Kopenhagen oder Malmö boomen die kleinen Scooter gerade auch für den Bereich Sightseeing. Mal schnell ein paar Straßen weiter rollen, um zur nächsten Sehenswürdigkeit zu kommen – für Touristen ist das äußerst attraktiv.
In Mainz stehen nun nach Angaben von Tier-Manger Horn „mehr als 100“ grüne Scooter für die Kunden zur Verfügung. Zur Nutzung lädt man sich die App des Anbieters Tier herunter, dann muss man sich registrieren und eine Zahlungsart eingeben – eine Kreditkarte oder eine EC-Karte. Die App zeigt dann die im Umkreis verfügbaren Roller an, und hier wird es in Mainz gleich begrenzt: Das Geschäftsgebiet von Tier ist erst einmal nur auf Innenstadt, Altstadt und Neustadt begrenzt, dazu kommen noch Teile des Münchfelds und das Unicampus – am Kreisel an der Saarstraße ist Schluss. Das Mainz 05-Stadion ist ebenso wenig enthalten wie der Volkspark oder die Oberstadt – an der Goldgrube ist Schluss.
Über die Brücke nach Mainz-Kastel rollen, das geht wiederum, Mainz-Kostheim ist allerdings schon wieder nicht im Verbreitungsgebiet enthalten. Zwar könne man natürlich dort hinfahren, sagte Horn, doch den Scooter dort abstellen, könne man eben nicht – die Kosten für das Gerät laufen dann weiter. Auch den Roller nach Wiesbaden mitnehmen, ist keine gute Idee: Trotz gleichen Anbieters, kann man einen Mainzer Roller dort nicht abgeben. Der Grund dafür: „Unsere Fahrzeuge werden jede Nacht eingesammelt, gecheckt und wieder aufgeladen“, erklärte Horn. Das solle die Lebensdauer erhöhen.
Rund 12 Monate gibt Anbieter Tier als Lebensdauer für seine stabil wirkenden Tretroller an, das ist deutlich länger als bei anderen Unternehmen. Eine Ladung des E-Akkus reiche für etwa 40 Kilometer, sagte Horn, Diebstahl sei eher keine Option: Jedes Fahrzeug werde per GPS erfasst, den genauen Standort wisse der Betreiber jederzeit. „Und wir können das Ding relativ nervtötend piepen lassen“, versprach Horn grinsend. Abstellen in Hinterhöfen oder privaten Räumen ist deshalb auch untersagt.
In acht bundesdeutschen Städten startete Tier im Juni den Betrieb seiner E-Scooter, mittlerweile sei man in 15 Städten mit rund 8.500 Scootern vertreten, sagte Horn. Die Bedienung der Geräte ist denkbar einfach: Einen Fuß auf das Tretbrett stellen, abstoßen, und dann den Gashebel rechts am Lenker nach unten drücken – schon saust man los. Maximal 20 kmh schnell werden die Scooter, die Beschleunigung ist hoch, eine Helmpflicht gibt es indes nicht – ebensowenig wie beim Fahrradfahren. Ebenfalls am Lenker finden sich zwei stabile Bremshebel, dazu eine Tachoanzeige und ein kleines Feld mit QR-Code. Will man einen Scooter nutzen, startet man die App, und scannt diesen QR-Code, dann wird der Scooter entriegelt. Zum Abstellen drückt man den entsprechenden Button in der App, die Abrechnung folgt automatisch.
Billig ist das Vergnügen indes nicht: Bei Tier zahlt man 1,- Euro Entsperrungsgebühr bei jeder Nutzung, dazu 0,15 Euro pro Minute. Eine halbe Stunde kostet somit bereits 5,50 Euro, zwei E-Scooter hintereinander summieren sich schnell auf bis zu zehn Euro. Abgestellt werden dürfen die Flitzer im Prinzip überall, allerdings gilt es erhebliche Einschränkungen: Parkplätze sind Tabu, ebenso schmale Gehwege unter 1,50 Metern. Und in den Verbotszonen wie Parks, dem Innenstadtkern oder am Rheinufer verweigert die App ebenfalls das Deponieren der Scooter. „Flußufer sind der natürlich Gegner des E-Scooters“, begründete Ebling dies – der Hintergrund: In anderen Städten wie Paris werden regelmäßig Scooter in der Seine gefunden.
Horn sagte hingegen, in Deutschland sei nach den bisherigen Erfahrungen von Tier die Vandalismusrate sehr gering. Glücklich ist man bei dem Unternehmen über die großflächigen Verbotszonen in Mainz nicht: „Ich hätte gerne gehabt, dass man Testzonen einrichtet, in Parks oder bestimmten Zonen, um das Nutzerverhalten zu testen“, sagte Horn. Das sei sinnvoller, als von vorne herein große Verbotszonen einzurichten. Der Erfahrung nach pendele sich die Nutzung der E-Scooter sehr schnell auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Rollern ein. Bei der Stadt hieß es hingegen, man wolle erst einmal die Entwicklung abwarten. Erwiesen sich die E-Scooter als problemlos, könne man auch Einbahnstraßen und weitere Strecken freigeben. „Die Schilder haben wir schon“, sagte Stadtplanungsamtsleiter Axel Strobach: „Darauf sind kleine Roller mit einem Stecker.“
Info& auf Mainz&: Die App des E-Scooter-Anbieters Tier findet Ihr im jeweiligen App-Stores Eures Handys, zur Internetseite mit ausführlichen Informationen geht es hier entlang. Die Elektro-Tretroller können Sonntags bis Donnerstags zwischen 8.00 Uhr und 23.00 Uhr, Freitags und Samstags zwischen 9.00 Uhr und 24.00 Uhr genutzt werden. Kosten: 1,- Euro pro Fahrt plus 15 Cent pro angefangener Minute. Die Tretroller dürfen übrigens NICHT zu zweit benutzt werden und nicht von Personen unter 18 Jahren ausgeliehen werden. Für die E-Scooter gilt dieselbe Promillegrenze wie sonst auch im Straßenverkehr: 0,5 Promille. Mehr zu den in Deutschland geltenden Regeln für E-Scooter findet Ihr unter anderem hier beim ADAC.
Kommentar& auf Mainz&: Was für ein Unfug – Wie Mainz ein kluges und ungemein vergnügliches Verkehrsmittel blockiert
Was für ein Unfug. Ich darf jetzt also einen kleinen E-Scooter auf der Rheinstraße nutzen – nicht aber auf dem Fahrradweg am Rheinufer. Ich darf die Saarstraße damit runter brettern, aber nicht die Ludwigsstraße entlang fahren, wo Fahrräder und sogar Busse verkehren. Ich darf auf der dreispurigen Kaiserstraße fahren, nicht aber auf dem Mittelstreifen – man kann nur sagen: Setzen, sechs. Mainz hat den Sinn der E-Scooter überhaupt nicht verstanden.
Denn eines ist mal klar: E-Scooter-Fahren macht unglaublich viel Spaß. Einfach scannen, aufs Tretbrett hüpfen und lossausen – nie zuvor war Mobilität so einfach, niedrigschwellig und vergnüglich. Die Autorin dieser Zeilen hat gerade zwei Wochen lang in diversen Städten in Schweden sowie in Kopenhagen das E-Scooter-Fahren erprobt – und zutiefst genossen. Die Dinger sind unheimlich praktisch, eben WEIL sie an jeder Ecke stehen. Sie helfen, kurze Strecken schnell und vergnüglich zu überbrücken. Beispiel? Von der Bushaltestelle zur Wohnung der Freunde. Von der Kneipe zur Bushaltestelle. Schnell mal zur Einkaufszone gefahren, E-Scooter abgestellt, Bummeln gegangen. Nach dem Shoppen am anderen Ende einen anderen E-Scooter geschnappt und zurück zum Bus gefahren – genial.
Oder in Kopenhagen: Mal eben schnell mit dem Scooter vom Schloss Amalienborg zum Newhaven, von dort zur Universität, quer durch die bunten Gassen und zurück zum Schauspielhaus. Locker fünfzehn Kilometer quer durch die Stadt, Fotostopps überall möglich. Kein einziges Mal haben wir – weder in Kopenhagen, noch Malmö noch in anderen Städten – Unfälle mit E-Scootern gesehen, nicht einmal eine einzige brenzlige Situation erlebt. Respektvolles Miteinander prägte stattdessen das Miteinander, man arrangierte sich miteinander. Der Nutzen: schnelle Überbrückung kurzer Strecken, schnelles Wiederabstellen. Großes Sicherheitsgefühl, wenn man sich gerade als Frau nachts durch eine Stadt bewegt. Tolle Sightseeing-Variante, weil flexibler und niedrigschwelliger als ein Fahrrad.
Und was macht Mainz? Sperrt genau die Zonen, die für Tourismus und das schnelle Überbrücken interessant wären. Ausgerechnet die Ludwigsstraße zu sperren, ist nichts weniger als ein Schildbürgerstreich: Schnell vom Höfchen zur Straßenbahn am Schillerplatz zu kommen, wäre eine Kernstrecke für die E-Scooter gewesen. Und was spricht, bitteschön, dagegen, die Flachsmarktstraße zu nutzen oder eben das Rheinufer? Dort geht ein offizieller Radweg entlang – E-Scooter-Fahren ist aber verboten. Mal schnell zum Rathaus zoomen, um was einzuwerfen? Verboten, denn auch der meist menschenleere Rathausvorplatz – verboten. Vom Dom schnell zum Schifffahrtsmuseum zoomen? Bitte die Rheinallee entlang. Das ist Irrsinn und provoziert Konflikte, wenn nicht gar Unfälle. Und apropos Gefahren: Die Scooter sind langsamer als ein Fahrrad, eine Helmpflicht würde ihren Nutzen gerade für Ministrecken ad absurdum führen. Gefährlich? Die meisten Menschen sterben noch immer bei Unfällen im Haushalt – oder wenn sie einfach nur über die Straße gehen.