Er ist der Vater der Bücher und der Erforscher moderner menschlicher Kommunikation: Stephan Füssel war über Jahrzehnte hinweg wohl DER deutsche Buchwissenschaftler. Von 1992 bis 2020 war Füssel Leiter des Instituts für Buchwissenschaft an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität und Inhaber des Gutenberg-Lehrstuhls, in rund 30 Jahren seines Wirkens prägte der heute 73-Jährige Professor „das mediale Gesicht“ der Gutenberg-Stadt Mainz und verschaffte ihr internationale Geltung. Dafür wird Füssel nun mit dem Mainzer Medienpreis 2025 ausgezeichnet, wie die Jury am Mittwoch bekannt gab.

Verleihung des Mainzer Medienpreises 2022 an Anette Ludwig. - Foto: gik
Verleihung des Mainzer Medienpreises 2022 an Anette Ludwig. – Foto: gik

Mit dem Mainzer Medienpreis wird seit neun Jahren ein Preisträger für ganz besonderes „Nachhaltiges Mediales Wirken“ in Mainz ausgezeichnet, das weit über die Grenzen von Mainz hinausreicht und bundesweit besonders sichtbar ist. Der erste Preisträger war der Mainzer Kabarettist Herbert Bonewitz, ihm folgten unter anderem Fußballtrainer Jürgen Klopp, die Mainzer Hofsänger, und die frühere Direktorin des Mainzer Gutenberg-Museums, Annette Ludwig. Gekürt werden die Preisträger von einer 15-köpfigen Jury aus Wissenschaft, Kirche, Stadtgesellschaft, Kultur, Medien und Politik. Der Mainzer Medienpreis steht unter der Schirmherrschaft des Presseclubs Mainz sowie der Stadt Mainz.

In diesem Jahr geht der Mainzer Medienpreis nun an einen, der sich mit Fug und Recht als Erbe Gutenbergs bezeichnen darf: Stephan Füssel, fast 30 Jahre lang Professor für Buchwissenschaften in Mainz und Inhaber des Gutenberg Lehrstuhls, Präsidiumsmitglied der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft und lange Jahre Sprecher des neu gegründeten Forschungsschwerpunktes Medienkonvergenz an der Johannes-Gutenberg-Universität. Der 73-Jährige ist seit 2020 als Universitätsprofessor emeritiert.

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Das Buch als Medium der Kommunikation, Brücke zur Digitalisierung

Dass der berühmte Erfinder des Buchdrucks, Johannes Gutenberg, in der Beschreibung von Füssels Tätigkeiten derart gehäuft vorkommt, ist natürlich kein Zufall: Die „Buchwissenschaften“ behandeln „das Buch – sowie verwandte Formen wie die Broschüre, das Flugblatt usw. – als Medium der Schriftkommunikation unter kulturellen, ökonomischen und soziologischen Fragestellungen“, wie es bei Wikipedia heißt, man könnte auch sagen: Es geht dabei beileibe nicht nur um Buchdruck und Schriftarten, um Einbände und Büchereien, sondern um das gedruckte Wort als Medium der Kommunikation.

Stephan Füssel, langjähriger Professor für Buchwissenschaften in Mainz. - Foto: Shessels via Wikimedia Commons
Stephan Füssel, langjähriger Professor für Buchwissenschaften in Mainz. – Foto: Shessels via Wikimedia Commons

Und genau hier kommt Stephan Füssel ins Spiel: Der studierte deutsche Philologe machte aus den früher doch ein wenig verstaubten „Buchwissenschaften“ eine moderne, interdisziplinäre und internationale Medienwissenschaft mit großer Relevanz auch für moderne Kommunikationsformen. So etablierte Füssel den Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz in Mainz, der sich der Verschmelzung von Informationsquellen widmet – oder anders gesagt: Erforscht wird dabei „der Einfluss der Digitalisierung auf gesellschaftliche Wandlungsprozesse, um gesellschaftspolitische Debatten kritisch zu begleiten“, wie es auf der Homepage heißt.

Konkret werden hier Themen wie etwa Medien und Internetsucht, Medienpädagogik sowie die Auswirkungen auf Öffentlichkeit und Demokratie. „Waren zur Gründungszeit des Forschungsschwerpunkts im Jahr 2007 insbesondere die Triebkräfte und der Verlauf des Medienwandels zentral, sind es mittlerweile die Folgen und die Steuerbarkeit“, so die Homepage weiter: „Gegenwärtig steht die Gesellschaft vor der Frage, wie Chancen und Risiken der Digitalisierung demokratisch gestaltet werden können“, wie sich öffentliche Kommunikation verändere, und die Meinungsbildung in Zeiten der Digitalisierung.

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Füssel: Gutenberg als Vater der Massenkommunikation

Mit der Etablierung dieses Forschungsschwerpunktes Medienkonvergenz habe Füssel „die Universität akademisch sichtbar gemacht und als Dekan neue Studienabläufe und bauliche Strukturen in der Universität vorangetrieben, von denen nachfolgende Studentengenerationen noch viele Jahre profitieren werden“, lobte denn auch der Präsident der Johannes-Gutenberg-Universität, Georg Krausch. Und der Dekan des Fachbereiches Sozialwissenschaft, Medien und Sport, Gregor Daschmann, nennt Füssel „einen begnadeten und weitsichtigen Kontextualisierer“: „Die Zusammenhänge, die er erschließt, scheinen dem Zuhörer im Nachhinein stets selbstverständlich.“

Stephan Füssel in der Nationalbibliothek in Doha, Katar. - Foto: Vahl
Stephan Füssel in der Nationalbibliothek in Doha, Katar. – Foto: Vahl

„Die Wirkung von Stephan Füssel reicht weit über den akademischen Rahmen eines Lehrstuhles hinaus“, begründete denn auch Christian Vahl, Sprecher des Findungskommission, die Wahl den Medienpreisträgers. Füssel engagiere sich in den Fußstapfen Gutenbergs „als Förderer von Wissen und Bildung für Jeden“, betonte Vahl: „Er diskutiert unermüdlich kritisch die Rolle der Medien in unserer Gegenwartskultur. Er begeistert sich für die Architektur von Bibliotheken als Zugangsorte des verfügbaren Wissen und weist darauf hin, dass zum Beispiel in Doha (Quatar) die Bibel und der Koran in der Stadtbibliothek in gleicher Weise verfügbar sind.“

Tatsächlich nennt Füssel selbst Johannes Gutenberg „Vater der Massenkommunikation“, hatte der Mainzer Buchdruck-Erfinder doch mit seinem Druckverfahren den Weg zur Massenverbreitung von Information und Wissen bereitet. „Der freie, ungehinderte Zugang zur Information gehört in die Mitte jeder demokratischen Gesellschaft“, betont denn auch der Vorsitzende des Presseclubs Mainz, Torsten Kirchmann, und freute sich: „Mit Stephan Füssel wurde ein Preisträger gefunden, der wirklich für den Dreiklang Massenmedium, Bildung und Verantwortung steht.“

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Buchwissenschaftler aus aller Welt nach Mainz geholt

Denn Füssel ist auch Präsidiumsmitglied der Internationalen Gutenberg-Gesellschaft in Mainz, Herausgeber des Gutenberg-Jahrbuchs, der Mainzer Studien zur Buchwissenschaft und der Schriftenreihe/e-book-series „Media Convergence“. Füssel habe mit seiner Forschung aber auch große Akzeptanz im internationalen Rahmen erhalten, das habe sich stets in zahlreichen Einladungen und Übersetzungen seiner Arbeiten in andere Sprachen widergespiegelt, sagte der evangelische Dekan Andreas Klodt: „Das ist nachhaltiges mediales Wirken.“

Professor Stephan Füssel mit Handy in der Nationalbibliothek Doha. - Foto: Vahl
Professor Stephan Füssel mit Handy in der Nationalbibliothek Doha. – Foto: Vahl

So holte Füssel etwa im Jahr 1997 die internationale buchwissenschaftliche Forschung aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Niederlanden und Polen nach Mainz, und organisierte zum Gutenberg-Jahr 2000 gemeinsam mit der Society for the History of Authorship, Reading and Publishing (SHARP), die dazu zum ersten Mal im nicht-englischsprachigen Ausland tagte, eine Internationale Konferenz zur Geschichte und Gegenwart der Medien, die 330 Wissenschaftler aus aller Welt nach Mainz führte. Füssel wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis des Landes Rheinland-Pfalz als bester Lehrender oder mit der Goldenen Nadel des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels für die enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis.

Füssels Wirken sei denn auch beileibe nicht auf die akademische Welt beschränkt gewesen, sagte der frühere Mainzer Kulturdezernent Peter Krawietz: „Als Wissenschaftler hat er immer den Kontakt zu den Bürgern gesucht und gefunden, in Vortragsveranstaltungen wie auch in Büchern: sein Buch ‚Gutenberg und seine Wirkung‘ zeichnet das geistige Klima einer gesamteuropäischen Bildungselite um 1500 nach Christus nach.“ Auch die Wechselwirkung des Buchdrucks mit der Reformation, deren Erfolg wesentlich auf Gutenberg beruhte, weder von Füssel ebenso benannt, wie das Entstehen der ersten Zeitungen, der Bücher für Hebammen und Ärzte, und der ersten Prosaromane.

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„Mediale Gesicht der Gutenberg-Stadt Mainz geprägt“

Der Professor, Hochschullehrer und Buchautor Füssel habe deshalb auch maßgeblich zur Neuentdeckung des Buchdruck-Erfinders Gutenberg und dem Verständnis von dessen Wirkung in den nachfolgenden Jahrhunderten beigetragen, befand die Jury – es war auch Füssel mit zu verdanken, dass der Name Gutenberg in jüngster Zeit wieder in aller Munde ist. „Das mediale Gesicht einer Gutenberg-Stadt wurde durch Stephan Füssel so nachhaltig geprägt, dass heute in Mainz jeder Bürger spontan etwas zu Gutenberg sagen kann“, lobte der Mainzer Prälat und Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt.

Johannes Gutenberg am Nachthimmel, gebildet von 200 Drohnen bei der Drohnenshow der Mainzer Johannisnacht. - Foto: gik
Johannes Gutenberg am Nachthimmel, gebildet von 200 Drohnen bei der Drohnenshow der Mainzer Johannisnacht. – Foto: gik

Und die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) betonte, es sei „ein Glücksfall für die Stadt Mainz, dass in der Person von Professor Füssel die Johannes -Gutenberg-Universität, die Stadt Mainz und das Gutenbergmuseum zu engsten Partnern zusammengewachsen sind.“ Der Unternehmer Ulrich H. Drechsler wiederum rückt das Unternehmertum Gutenbergs in den Blick, und zog die Verbindung zu Füssel: Der sei „ein Bildungsunternehmer“, dessen eingeworbene Drittmittel anderen zugute kämen, „mit dieser Perspektive in die Zukunft wird Füssel auch unserem Anspruch auf Nachhaltigkeit gerecht.“

Der Mainzer Medienpreis ist nicht dotiert, die Preisträger werden aber von einem Künstler, der für innovative Druckgraphik steht, in einer Druckgraphik porträtiert, die dann der Stadt Mainz übergeben wird. Der Künstler für dieses Jahr werde aktuell von einem gesonderten Findungsgremium unter Leitung von Patrick Hermann ausgewählt, teilte die Jury weiter mit. Der Festakt der Preisverleihung soll im Spätherbst 2025 im Landesmuseum Mainz stattfinden.

„Ich sehe den Mainzer Medienpreis auf einem sehr überzeugenden und nachhaltigen Weg“, freute sich Annette Ludwig, selbst Preisträgerin des Jahres 2022 und heute Direktorin der Museen der Klassik-Stiftung Weimar. Der Preis verleihe jungen künstlerischen Positionen Sichtbarkeit, spiegele die Varianz druckgraphischer Techniken im zeitgenössischen Portrait wider – und sei zudem „ein weit über Stadt und Land hinaus wirkendes gesellschaftliches Ereignis geworden, das für Qualität und Kontinuität steht.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu Stephan Füssel und seinem Werdegang findet Ihr ausführlich hier bei Wikipedia.