Das Jahr 2020 war eines der drei heißesten Jahre der Menschheitsgeschichte, warnte am Montag die Weltorganisation für Meteorologie in ihrem Jahresbericht: Die globale Durchschnittstemperatur habe 2020 etwa 1,2 Grad über dem vorindustriellen Niveau gelegen. Auch sei die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre 2020 trotz der Corona-Pandemie angestiegen – der Klimawandel rollt längst über die Erde. Das stellten kürzlich auch Forscher unter anderem aus Mainz fest: Europa erlebe die schlimmste Sommer-Trockenperiode der letzten zwei Jahrtausende, warnten die Experten – sie hatten zuvor das Sommerklima während der letzten 2110 Jahren rekonstruiert, anhand von Eichen.

Immer heißere Sommer, immer weniger Wasser: Europa befindet sich in einer dramatischen Dürreperiode. - Foto: gik
Immer heißere Sommer, immer weniger Wasser: Europa befindet sich in einer dramatischen Dürreperiode. – Foto: gik

Klimaforscher warnen schon lange: Die Erde wärmt sich immer weiter auf, die Durchschnittstemperatur steigt, und dieser Trend beschleunigt sich offenbar immer mehr:  Nach dem Jahrhundertsommer 2003 flachte die Kurve nicht etwa ab, sondern beschleunigte sich weiter – die heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen finden sich alle unter den letzten fünf Jahren. Demnach war weltweit 2016 das wärmste Jahr, 2020 folgt gleich auf dem Fuße: 2020 sei ein Jahr von extremen Wetterereignissen und Klimaverwerfungen gewesen, schreibt UN-Generalsekretär Antonio Guterres in seinem Vorwort zum Jahresbericht der Meteorologen, und warnt: Die Zeit zur Rettung der Erde läuft ab.

Dem Bericht zufolge lag die globale Durchschnittstemperatur bereits 2020 um 1,2 Grad über den Grundlagen der Jahre 1850-1900 – die Menschheit weiß aber: will sie das Klima in etwa wie heute bewahren, darf die globale Jahresmitteltemperatur nur um 1,5 Grad ansteigen. Die Zeit, die Ziele des Pariser Klimaabkommens mit seiner Begrenzung auf 1,5 Grad noch zu erreichen, laufe schnell ab, warnte Guterres. Denn die Meteorologen hatten noch eine weitere ausgesprochen schlechte Nachricht im Gepäck: Die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre ist 2020 weiter angestiegen – trotz Corona-Pandemie und Lockdowns.

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Die abnehmende Sommertrockenheit der vergangenen 2.100 Jahre, die höchste Feuchtigkeit ist oben. - Grafik: Ulf Büntgen
Die abnehmende Sommertrockenheit der vergangenen 2.100 Jahre, die höchste Feuchtigkeit ist oben. – Grafik: Ulf Büntgen

Zu einem ähnliches Ergebnis in Sachen Erderwärmung waren vor Kurzem auch Forscher der Mainzer Universität mit ihren Kollegen der University of Cambrige gekommen: Die Trockenheit der vergangenen Sommer sei in Europa schlimmer als je zuvor in den vergangenen 2.100 Jahren gewesen, teilten die Wissenschaftler mit. Vor allem seit 2015 habe sich die Dürresituation plötzlich verschärft, und zwar weitaus heftiger als in den 2000 Jahren zuvor.

Für ihre Bilanz ging das internationale Forscherteam rund um den Geographen Professor Ulf Büntgen von der Universität Cambridge bis zurück in die Römerzeit: Das Team untersuchte den chemischen Fingerabdruck von europäischen Eichen, um das Sommerklima während der letzten 2.110 Jahren zu rekonstruieren. Stabile Isotope in Baumringen liefern jährlich aufgelöste und kalendergenau datierte Informationen über die Veränderungen des Wasserklimas, und das über lange Zeiträume hinweg. Das Ergebnis erschreckte die Forscher nicht wenig: Zwar habe es in den vergangenen zweitausend Jahren immer wieder Dürreperioden gegeben und sehr trockene Sommer, so etwa in den Jahren 40, 590, 950 und 1510 nach Christus, fanden die Forscher heraus.

Baumscheibe einer Eiche für die Isotopen-Probenentnahme. - Foto: Ulf Büntgen
Baumscheibe einer Eiche für die Isotopen-Probenentnahme. – Foto: Ulf Büntgen

Doch seit 2015 habe sich die Dürresituation plötzlich verschärft, und das weit heftiger als zuvor: Europa erlebe seit 2015 die schlimmste Sommer-Trockenperiode der letzten zwei Jahrtausende. „Die jüngsten sommerlichen Dürreperioden und Hitzewellen hatten in Europa verheerende ökologische und ökonomische Folgen“, sagte Büntgen, das werde sich verschlimmern, wenn die globale Erwärmung weiter zunehme. „Wir sind uns alle dieser Anhäufung von außergewöhnlich heißen und trockenen Sommern bewusst, aber wir brauchten eine präzise Rekonstruktion der historischen Situation“, erläuterte Büntgen. Erst im historischen Vergleich ließen sich die jüngsten Extremereignisse richtig einordnen.

Und so gingen Büntgen und seine Kollegen aus Tschechien, Deutschland und der Schweiz, darunter auch Wissenschaftler der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität, hin und analysierten 27.000 Messungen der Isotopenverhältnisse von 147 europäischen Eichen – es entstand eine einmalig detaillierte Datensammlung über die hydroklimatischen Bedingungen in Mitteleuropa seit dem Römischen Reich. Die Baumproben stammten von historischen Brunnen, Gebäuden und Pfahlbauten sowie von lebenden Bäumen aus Gebieten der Tschechischen Republik und Regionen in Südost-Bayern.

Unwetter bei Mainz-Hechtsheim im Sommer 2020, im Vordergrund trockene Felder. - Foto: gik
Unwetter bei Mainz-Hechtsheim im Sommer 2020, im Vordergrund trockene Felder. – Foto: gik

„Generell wird unser VerstäDürreperioden ndnis umso schlechter, je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen, weil die Datensätze über vergangene Dürreperioden selten sind“, erklärte Büntgen, der Experte für Dendrochronologie, also die Datierung von Baumringen ist. Allerdings seien gerade die Erkenntnisse über die Zeit vor dem Mittelalter besonders wichtig, weil sie ein vollständigeres Bild der Trockenheitsschwankungen geben. Stabile Baumringisotope unterscheiden sich den Forschern zufolge von den eher klassischen dendrochronologischen Parametern – das sind die Breite der Baumringe und die Holzdichte –, weil sie die Umwelteinflüsse auf die Bäume widerspiegeln anstelle des Nettostammwachstums.

„Während die Kohlenstoffwerte von der Photosynthese abhängen, werden die Sauerstoffwerte von der Wasserversorgung beeinflusst“, erklärte Co-Autor Prof. Dr. Paolo Cherubini von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in der Schweiz. Zusammen zeigten beide Werte eine enge Korrelation mit den hydroklimatischen Bedingungen in der jeweiligen Vegetationsperiode. In den vergangenen 2110 Jahren konnten die Experten so sehr feuchte Sommer in den Jahren 200, 720 und 1100 ausfindig machen, aber eben auch die besonders trockenen – insgesamt aber zeigten die Ergebnisse, dass Europa in den vergangenen zwei Jahrtausenden insgesamt allmählich trockener geworden sei. „Die Baumproben von 2015 bis 2018 allerdings machen klar, dass die Trockenheit in den vergangenen Sommern alle anderen Schwankungen der letzten 2000 Jahre übertrifft“, betonen die Forscher.

Unvergessen das Jahr 2018, als man im Rhein spazieren gehen konnte. - Foto: gik
Unvergessen das Jahr 2018, als man im Rhein spazieren gehen konnte. – Foto: gik

Diese Abweichung sei „sehr wahrscheinlich ein Ergebnis der menschengemachten Klimaerwärmung und der damit einhergehenden Veränderungen in der Position des Jetstreams“, sagte Büntgen weiter. Klimawandel bedeute ja eben gerade nicht, dass es überall trockener werde – manche Orte würden vielleicht sogar feuchter oder kälter. Klimawandel bedeute aber vor allem, dass Extremereignisse häufiger werden, „das könnte für die Landwirtschaft, für die Ökosysteme und die Gesellschaft insgesamt verheerend sein“, warnte Büntgen. Besonders alarmierend halten Forscher die Dürreanzeichen für die Land- und Forstwirtschaft – schon jetzt gebe es ein noch nie da gewesenes Waldsterben in weiten Teilen Mitteleuropas.

Für die Menschen in Europa hat die neue Dürre aber noch eine andere Auswirkung: das Wasser wird knapp. Schon 2020 hatten die Trinkwasserversorger plötzlich vor knapper werdenden Ressourcen gewarnt, in Mainz wurden an einem Augusttag 2020 allein 83.000 Kubikmeter Wasser verbraucht – 28.000 Kubikmeter mehr als an früheren Hitzetagen. Wasser sei „eine sich stark verknappende Ressource“, warnte damals der Vorstand der Mainzer Stadtwerke, Daniel Gahr, denn das große Problem dabei: Gleichzeitig zum steigenden Verbrauch wurde im Schnitt in den vergangenen 15 Jahren auch rund 25 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet.

In Mainz investieren die Mainzer Netze deshalb in den kommenden fünf Jahren 85 Millionen Euro in neue Uferfiltratbrunnen am Rhein und den Ausbau der Wasserwerke, zum Tag des Wassers im März wurde zudem eine Informationskampagne gestartet, die für den bewussten Umgang mit der kostbaren Ressource werben will.  „Wir alle haben mittlerweile Smartphones mit Wetterapps, damit kann man einiges tun“, sagte der kaufmännische Geschäftsführer der Mainzer Netze, Mithun Basu. Denn warum müssten Autos genau am heißesten Tage gewaschen, oder der Gartenpool erst dann mit Wasser gefüllt werden, sagt Basu: „Man kann das auch vorausschauend ein, zwei Tage vorher tun.“

Info& auf Mainz&: Den Jahrfesbericht der World Meteorological Organization findet Ihr hier im Internet. Die Ergebnisse der Klimastudie anhand von Baumring-Analysen wurde unter dem Titel „Recent European drought extremes beyond Common Era background variability“ in dem renommierten Fachjournal Nature Geoscience veröffentlicht, ihr findet die Publikation hier im Internet. Einen Blog zum Thema Studien durch Baumringe des Arbeitsbereichs Klimatologie am Geographischen Institut der Mainzer Universität findet Ihr hier im Internet.

 

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