Für viele Nutzer war die Ankündigung ein Schock: Der Mainz Rider, das Ruftaxiangebot der Mainzer Mobilität, wird zum Sommer eingestellt. Grund ist ein drohendes Finanzloch von 54 Millionen Euro bei den Mainzer Stadtwerken, dem daraus resultierenden Sparpaket soll auch das „Shuttle-on-demand“-Angebot zum Opfer fallen. Dabei gelten solche Ruftaxi-Angebote als Zukunft des Nahverkehrssystems, die Jungen Liberalen fordern nun, ein Nachfolgeangebot zu etablieren. Mainz& hat nachgefragt: Was genau kostet eigentlich der Mainz Rider?

Start der E-Busflotte des Mainz Rider im September 2020. - Foto: Mainzer Mobilität
Start der E-Busflotte des Mainz Rider im September 2020. – Foto: Mainzer Mobilität

Es war im September 2020, als die Mainzer Mobilität ein innovatives neues Angebot starteten: Zehn Elektro-Vans mit bis zu sechs Sitzplätzen, die auf Abruf von den Fahrgästen gebucht werden können, und abends und nachts die Fahrgäste vor allem in die Mainzer Stadtteile befördern. Das Projekt litt von Anfang an unter der Corona-Pandemie – und an seiner Konstruktion: Die Shuttles on Demand sind nämlich nur über eine Handy-App buchbar, und sie fahren nur vom Rande der Innenstadt aus in verschiedene Stadtteile.

Trotzdem wurden die bunten Ruftaxis zu einem wichtigen Bestandteil des Mainzer Nahverkehrsnetzes, boten sie doch die Chance, für ganze 5,- Euro direkt zwischen Stadtteilen zu verkehren – das Angebot schloss so Lücken im Busnetz und auch bei den Betriebszeiten. „In den frühen Morgenstunden und in den späten Abendstunden sind Busse und Straßenbahnen sehr unregelmäßig unterwegs“, schreibt Markus Amend. Das zwinge ÖPNV-Nutzer oft zu langen Warteizeiten, was gerade für Frauen oft unangenehm und unsicher sei.

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JuLis wollen mit Night Mover Nachfolgekonzept für Mainz Rider

Auch für Schichtdienst-Arbeiter oder bei kurzfristigen Ausfällen des Öffentlichen Nahverkehrs sei der Mainz Rider „für viele von uns die beste Alternative, einfach mal bequem von A nach B zu kommen, als Nachtschwärmer von der Party sicher abgeholt zu werden oder um pünktlich zur Arbeit zu kommen, wenn wir kein eigenes Auto besitzen.“, schreibt Amend weiter. Der Mainzer startete im März eine Petition auf der Plattform Change.org, die sich für den Erhalt des Ruftaxi-Angebots einsetzt: Der Mainz RIDER müsse „weiterhin Teil unseres öffentlichen Nahverkehrs bleiben“, heißt es dort. Die Petition hat bislang allerdings erst rund 400 Unterzeichner.

Gerade nachts sorgte der Mainz Rider für sichere Mobilität und wichtige Lückenschlüsse im Nahverkehrssystem. - Foto: gik
Gerade nachts sorgte der Mainz Rider für sichere Mobilität und wichtige Lückenschlüsse im Nahverkehrssystem. – Foto: gik

Nun aber fordern die Mainzer JuLis, die Jugendorganisation der FDP, von der Stadt Mainz ein Nachfolgekonzept: Der Mainz Rider habe im vergangenen Jahr rund 30.000 Fahrten geleistet und die Mobilität in der Stadt verbessert, das sei „gerade für junge Menschen
relevant, die damit nachts preiswert und sicher nach Hause kommen“, sagte Tabea Gandelheidt, die auf Listenplatz 5 der FDP für den Stadtrat kandidiert: „Wir JuLis bedauern, dass die Stadt den Mainz Rider im Sommer einstellen wird.“

Man fordere deshalb Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) auf, gemeinsam mit
der Mainzer Verkehrsgesellschaft den Wegfall des Mainz Riders durch einen „Night Mover“ zu kompensieren. Bei einem solchen Konzept werde nach einer Taxifahrt jedem Fahrgast unter 25 Jahren ein Beitrag von 5,00 Euro vom Fahrtpreis erstattet. „Damit entstünde der Stadt bei zwei Personen pro Fahrt ein viel geringeres Defizit als beim Mainz Rider“, argumentiert David Roos, Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen. Die Abwicklung des Zuschusses solle per App erfolgen, so könne auch weiter eine sichere Mobilität zwischen den Stadtteilen gewährleistet werden.

Mainz Rider: Defizit von 700.000 Euro im Jahr

Allerdings kosten Taxifahrten etwa von der Innenstadt selbst in nahe gelegene Stadtteile schnell 15,- Euro und mehr, eine Fahrt mit dem Mainz Rider war hingegen für 5,- Euro Gesamtsumme zu haben – eine Taxifahrt würde in jedem Fall deutlich teurer. Die Mainzer Stadtwerke hatten argumentiert, das Defizit beim Mainz Rider betrage „mehrere hunderttausend Euro im Jahr“, das sei in der aktuellen Finanzsituation „nicht darstellbar.“

Woher kommt das Finanzloch bei den Mainzer Stadtwerken und der Mainzer Mobilität? - Foto: gik
Woher kommt das Finanzloch bei den Mainzer Stadtwerken und der Mainzer Mobilität? – Foto: gik

Mainz& wollte es genauer wissen, und fragte bei den Stadtwerken nach. Dort heißt es nun, das Defizit für das gesamte System des Rufshuttle-Angebots habe sich zuletzt „auf mehr als 700.000 Euro im Jahr“ belaufen. Dabei transportierte der Mainz Rider im Jahr 2023 immerhin rund 40.000 Fahrgäste – zum Vergleich: Mit Bussen und Straßenbahnen transportierte die Mainzer Mobilität pro Tag allein rund 185.000 Fahrgäste. Bei rund 32.000 Fahrten im Jahr 2023 sei damit rein rechnerisch jede Fahrt im Mainz Rider mit mehr als 20,- Euro bezuschusst worden.

Gestartet war der Mainz Rider als Pilotprojekt mit Fördergeldern des Bundesverkehrsministeriums, die Gesamtkosten für die Anschaffung der Fahrzeuge sowie die Umsetzung der App beliefen sich nach Angaben der Mainzer Stadtwerke auf rund 1,6 Millionen Euro. Die ursprünglich bis Ende 2020 begrenzte Testphase wurde wegen der Einschränkungen durch die Corona-Zeit mehrfach verlängert. In der Zeit seien auch die Betriebskosten gefördert worden, teilten die Stadtwerke weiter mit. Nach dem Auslaufen der Förderung hätten die Kosten alleine seitens der Verkehrsgesellschaft MVG getragen werden müssen.

Finanzloch der Mainzer Stadtwerke: Wassernetze und Straßenbahnen

Dazu komme: Die Fahrzeuge seien durch den Shuttlebetrieb „schon intensiv genutzt worden, ein Teil der Fahrzeuge hätte relativ kurzfristig, spätestens im nächsten Jahr erneuert werden müssen“, so die Antwort weiter. Diese Ersatzinvestition hätte ohne Förderung durchgeführt werden müssen und somit noch zusätzlich zu höheren Betriebskosten geführt. Den Fahrern des Mainz Riders – darunter auch mehrere Menschen mit Flüchtlingshintergrund – sei bereits eine Ausbildung zum Fahrer für Bus oder Straßenbahn und im Anschluss eine dauerhafte Beschäftigung im Fahrdienst der MVG angeboten worden. Derzeit sind beim Mainz Rider zwölf Vollzeitbeschäftigte und einigen Teilzeitkräfte beschäftigt.

Der Straßenbahnausbau in Mainz wurde vorerst auf Eis gelegt. - Foto: MM
Der Straßenbahnausbau in Mainz wurde vorerst auf Eis gelegt. – Foto: MM

Die Mainzer Stadtwerke hatten im Februar 2024 erstmals auf eine „drohende finanzielle Überforderung“ des städtischen Unternehmens hingewiesen, im März war dann von einem drohenden Defizit von bis zu 54 Millionen Euro die Rede. Als Grund für das Finanzloch gaben die Stadtwerke vor allem Defizite Investitionen im Bereich Wasser sowie Defizite im ÖPNV-Bereich an, das zuletzt bei rund 25 Millionen Euro pro Jahr lag – Risiken wie Ausfälle durch das Deutschland-Ticket noch nicht mitgerechnet. Die Investitionen in den weiteren Ausbau des Straßenbahnnetzes wurden nun ebenso gestoppt, wie Neuanschaffungen von Fahrzeugen und ein zweiter Betriebshof.

Allerdings mussten die Stadtwerke bei der Ankündigung ihres Sparpakets auch einräumen, eine Angebotssteigerung beim Nahverkehr werde es deshalb in der nächsten Zeit nicht geben. Statt einer Steigerung der Fahrgastzahlen auf rund 67 Millionen im Jahr bis zum Jahr 2028 rechne man jetzt nur noch mit etwa 60 Millionen Fahrgästen pro Jahr – für die Verkehrswende in Mainz und einen attraktiven Nahverkehr ist das ein deutlicher Rückschritt.

RMV: Rufangebote „on Demand“ Riesenerfolg und sehr beliebt

Andernorts werden zudem gerade Ruftaxi-Angebote neu installiert, so etwa derzeit in Trier. Man könne dort auch die Kunden mitnehmen, die sonst mehrfach umsteigen müssten und den ÖPNV deshalb nicht nutzten, sagte Lorenz Boßmann von den Trierer Stadtwerken in einem Bericht des SWR, der auch konstatierte: Angebote „on demand“ seien auf dem Deutschen Nahverkehrstag in Koblenz gerade als wichtiger „Zukunftsfaktor“ des Nahverkehrs gehandelt worden. Im Landkreis Wittlich etwa koste das Ruf-System weniger als der normale Busbetrieb, auch im Main-Tauber-Kreis spricht man mit Blick auf das dortige Ruftaxi-System von einem „Eckpfeiler für einen zukunftsfähigen Nahverkehr in unserem Landkreis“.

On-Demand Taxi "Emil". - Foto: RMV
On-Demand Taxi „Emil“. – Foto: RMV

Auch im Rhein-Main-Verkehrsverbund setzt man auf Ruftaxi-Systeme: Hier gibt es bereits zahlreiche solcher Angebote – den „Hopper“ im Kreis Offenbach, den „Mainer“ in Hanau, das Angebot „Knut“ im Frankfurter Norden, „Emil“ in Taunusstein und Idstein, den „DadiLiner“ im Landkreis Darmstadt-Dieburg, „Colibri“ in Hofheim sowie „Siggi“ im Kreis Groß-Gerau. Seit 2020 seien unter dem Dach des RMV insgesamt neun solche Rufsysteme auf kommunaler Ebene gestartet, bilanzierte der RMV im November 2023 – die flexible Mobilität sei hochgradig beliebt und habe im Herbst 2023 die Marke von einer Million Fahrgäste geknackt.

„Die Zahlen sprechen für sich: On-Demand ist ein Riesenerfolg und sehr beliebt“, schwärmte damals RMV-Geschäftsführer Knut Ringat. Die On-Demand-Angebote kämen deshalb so gut an, weil die Fahrgäste nicht mehr auf den Fahrplan schauen müssten, sondern einfach auf Abruf mobil sein könnten. „On-Demand erweitert den öffentlichen Nahverkehr und schafft ein besonders flexibles Mobilitätsangebot für unsere Kundinnen und Kunden“, betonte Ringat.

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Text zum Finanzloch der Mainzer Stadtwerke findet ihr hier auf Mainz&.