3.070 Unterschriften für einen Baggersee in Mainz – das ist das vorläufige Ergebnis einer Online-Petition, die sich für Naherholung und Badeerlebnis im alten Steinbruch zwischen Mainz-Laubenheim und Mainz-Weisenau stark macht. Diese Unterschriften sollen am Dienstagmittag dem Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) übergeben werden. Das Votum sei eindeutig, finden die Initiatoren – doch eindeutig war auch die Ablehnung der Stadt Mainz im Jahr 2015: Die Seen im Kalksteinbruch müssten verfüllt werden, zum Schutz des Grundwassers. Logisch ist das nicht, kommentiert Mainz&: Wieso ist ein Baggersee gefährlicher als eine Mülldeponie? Und: Stadtratsbeschlüsse können geändert werden – wie einst das Kohlekraftwerk bewies.08

Petition für einen Baggersee im alten Mainzer Steinbruch. - Screenshot: gik
Petition für einen Baggersee im alten Mainzer Steinbruch. – Screenshot: gik

Mitten in der großen Hitzewelle Anfang August hatten zwei Mitglieder der Bürgerinitiative Mainz21, die gegen eine Bauschuttdeponie im alten Steinbruch kämpft, eine Online-Petition gestartet: „Wir brauchen einen Baggersee“, forderte die Petition, die Coronapandemie zeige ja gerade, dass Mainz deutlich mehr Naherholungsflächen auch mit Bademöglichkeiten brauche. Unterstützung für die Idee kam bereits von CDU und ÖDP. Am 8. August startete die Petition, nur vier Tage später erreichte die Petition bereits das erforderliche Quorum von 1.800 Unterschriften, also die Relevanzgrenze, die von der Initiative „OpenPetition.de“ anhand von Größe der Stadt und des zuständigen Parlaments errechnet wird.

Inzwischen haben 3.071 Menschen die Petition mit ihrer Unterschrift unterstützt, davon kommen 2.326 aus Mainz. Damit ist die Stadt Mainz gefordert, eine Stellungnahme zu dieser Bürgerbekundung abzugeben, so sieht es das Prozedere der Online-Petitions-Plattform vor. Adressiert war die Petition an den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) – an ihn wollen die Initiatoren morgen Mittag nun die Liste übergeben.

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„Das Votum ist eindeutig“, sagte Mit-Initiator Antonio Sommese am Montag bei der Ankündigung des Termins. Mainz brauche „in diesen Zeiten leicht erreichbare Erholungsgebiete, die für alle Einwohner und Bürger der Umgebung zugänglich sind“, betonte Sommese weiter. Der Steinbruch sei dafür „der ideale Ort“, denn er liege durch seine Steilwände größtenteils im Schatten und biete eine natürliche Vegetation mit vielen Bäumen. Dazu zeige der Klimawandel deutlich, „dass die Temperaturen in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden und gerade für die Sommermonate eine Abkühlung für jeden Bürger vorhanden sein muss“, begründeten die Initiatoren ihre Petition weiter.

Stoßseufzer der Mainzer CDU: Die Opposition unterstützt die Idee eines Baggersees für Mainz. - Foto: CDU Mainz
Stoßseufzer der Mainzer CDU: Die Opposition unterstützt die Idee eines Baggersees für Mainz. – Foto: CDU Mainz

„Die Idee von einem Baggersee im Steinbruch wurde ja schon 1964 aufgegriffen“, sagte auch Co-Initiator Robert Kindl, und betonte: „Jetzt muss das Thema wieder auf den Tisch, da wir so wenig Rückzugsorte für die Mainzer haben. Wir müssen nach Hessen fahren um an einen Baggersee zu gelangen“, kritisierte Kindl weiter. Natürlich müsse ein Badesee angelegt und eine Infrastruktur für die Badenden geschaffen werden. „Gutachten haben aber gezeigt, dass die Steilwände standsicher sind und das Grundwasser wohl auch kein Problem darstellen würde“, fügt Kindl hinzu.

Kindl bezog sich dabei auf Gutachten der Stadt Mainz im Zuge der Planungen für eine Mülldeponie: Die Stadt will nämlich im alten Steinbruch eine Bauschuttdeponie einrichten und argumentiert mit Versorgungssicherheit. Der Mainzer Stadtrat fällte im Dezember 2015 sowie erneut im August 2019 mit breiter Mehrheit ein Votum pro Mülldeponie. Zudem gebe es eine „Verpflichtung zur Verfüllung des Steinbruchs“, die von der Genehmigungsbehörde zwingend vorgeschrieben sei und nach wie vor gelte.

Abbaubereich im Steinbruch Alte Portland bei Mainz-Laubenheim. - Foto: gik
Abbaubereich im Steinbruch Alte Portland bei Mainz-Laubenheim. – Foto: gik

Tatsächlich war diese Verfüllungsverpflichtung Teil der Genehmigungsauflagen für die Heidelberg Cement AG, um auf dem Gelände überhaupt Kalksteinabbau betreiben zu können. Solche Verfüllungsauflagen sind üblich und gehören zu jedem Abbauverfahren, auch die Vorgabe, im Anschluss das Gelände zu renaturieren. Auf ähnliche Weise sind im Rhein-Main-Gebiet mehrere Baggerseen entstanden und zu Badeseen für die Bevölkerung ausgebaut worden – so etwa das Langener Waldschwimmbad oder der Riedsee bei Groß-Gerau. Der Riedsee entstand etwa durch Kiesabbau, am Langener Waldsee wird heute noch Sand und Kies abgebaut.

 

Im Steinbruch Laubenheim stellte die Heidelberg Cement AG im Jahr 2004 die Kalksteingewinnung ein, zum 28.11.2008 übernahm die Stadt Mainz mit einem Übertragungsvertrag das Gelände – und trat damit in alle Rechte und Pflichten der Heidelberg Cement AG ein. „Nach der für den Steinbruch heute immer noch gültigen Genehmigung der damaligen Bezirksregierung Rheinhessen aus dem Jahr 1964 ist der Steinbruch nach Stilllegung des Kalksteinabbaus nahezu komplett mit unbelastetem Bodenmaterial zu verfüllen“, teilte die Stadt Mainz selbst mit – das war im Jahr 2015.

Blick von der Hechtsheimer Höhe über den Steinbruch auf das Zementwerk der Heidelberg Cement AG. - Foto: gik
Blick von der Hechtsheimer Höhe über den Steinbruch auf das Zementwerk der Heidelberg Cement AG. – Foto: gik

Auf einem Bürgerforum am 14. November 2015 tauchte die Idee von einem Baggersee für Mainz im alten Steinbruch nämlich auf – wieder einmal. Seit bekannt wurde, dass Heidelberg Cement den Abbau beenden will, hält sich die Idee von einem Badesee an dieser Stelle hartnäckig. 2015 teilte Umweltdezernentin Katrin Eder als Antwort in dem Bürgerforum dann mit: Die Stadt Mainz werde einen Teil des Steinbruchgeländes langfristig gesehen der Bevölkerung als Naherholungsbereich zur Verfügung stellen. „Eine öffentliche Nutzung der Seen ist aber leider nicht möglich, weil es sich bei den Gewässern um Grundwasserseen handelt“, heißt es weiter.

Seit Januar 2009 komme die Stadt der Pflicht zur Verfüllung des Geländes mit unbelasteten Bodenaushubmassen bereits nach, so die Antwort der Dezernentin weiter, eines der wichtigsten Ziele sei dabei „der Schutz des Grundwassers.“ Die beim Kalksteinabbau entstandenen Grundwasserseen müssen mitverfüllt werden, „weil die Risiken jeglicher Offenhaltung zu groß sind.“ Eine Nutzung der Seen gar als Bade- und/oder Tauchareal sei deshalb ausgeschlossen. Welche Risiken das Umweltdezernat genau in den Seen sieht, sagte es indes nicht. „Das Problem mit dem Grundwasser haben wir doch bei einer Verfüllung genauso“, sagte die baupolitische Sprecherin der ÖDP, Ingrid Pannhorst, dazu im August im Gespräch mit Mainz&.

Mainz hat zu wenig Badestellen und Schwimmbäder - im Corona-Sommer wurde das besonders deutlich. Hier das Strandbad am Rhein in Oppenheim. - Foto: gik
Mainz hat zu wenig Badestellen und Schwimmbäder – im Corona-Sommer wurde das besonders deutlich. Hier das Strandbad am Rhein in Oppenheim. – Foto: gik

Auch bei der Bürgerinitiative Mainz21 heißt es deshalb: Wenn im alten Steinbruch eine Deponie gebaut werden könne, dann doch auch ein Baggersee, der könne doch kaum gefährlicher sein als eine Mülldeponie. Zumal es auch bei anderen Mülldeponien regelmäßig zu Problemen gekommen sei, weil Schadstoffe in den Boden sickerten, heißt es bei Mainz21 weiter – so etwa jüngst bei der Deponie in Flörsheim-Wicker. Dort scheiterte im Sommer gerade ein Erweiterungsvorhaben für die Deponie von Hausmüll, Bauschutt und Schlacke am Widerstand er Anwohner: Die hätten nun „lange genug“ die Belastungen durch Gestank, den erheblichen Lastwagen-Verkehr und den Anblick von Mondlandschaften ertragen, befanden die Kommunalpolitiker vor Ort – so berichtete es die FAZ im Juni.

Zurzeit plane die Stadt Mainz, im Laubenheimer Steinbruch eine Sonderabfalldeponie für die Deponieklassen I und II zu errichten, plane gleichzeitig aber auch ein Wohngebiet samt Kita in lediglich etwa 350 Metern Entfernung vom Kraterrand, kritisierte die BI Mainz21 – das lehne man strikt ab: „Wir möchten die dort lebenden Menschen und die dortige Umwelt keinen zusätzlichen, nicht kalkulierbaren Risiken ausgesetzt wissen.“ Daher bestehe die BI auf einer Verfüllung des Steinbruchs mit unbelastetem Erdaushub wie ursprünglich von der genehmigt und fordere, den Steinbruch direkt in ein Naherholungsgebiet zu verwandeln.

Von anderen Deponien sei zudem bekannt, dass sich die Flächen im Sommer erheblich aufheizten, so die BI weiter. Unter der Petition habe es 1.097 Kommentare gegeben, darunter auch Klagen, dass sich Mainz immer weiter aufheize. „Durch den Baggersee würden wir dringend benötigte Verdunstungsflächen bekommen“, sagte Kindl. Verdunstungsflächen tragen zur Hitze-Reduzierung und damit zur Verbesserung des Klimas bei. Und was die Verfüllungsverpflichtung angehe, so die BI weiter – die werde von Kommentatoren als „billiger Vorwand von unbeweglichen Bürokraten“ bezeichnet.

Info& auf Mainz&:Einen ausführlichen Bericht über die Petition „Baggersee“ für Mainz haben wir hier bei Mainz& stehen, mehr zu den Reaktionen und Argumenten findet Ihr hier, die Petition selbst steht hier im Internet.

Kommentar& auf Mainz&: Kippt ein Stadtratsbeschluss….

2007 fasste der Mainzer Stadtrat mit breiter Mehrheit einen Beschluss: Man brauche unbedingt ein Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue, hieß es damals, mit 44 Ja-Stimmen zu 16 Nein-Stimmen fiel das Votum. 2008 kippte das Projekt, weil die CDU-Opposition ihre Entscheidung pro Kraftwerk revidierte – Ende September 2009 wurde die Genehmigung für das Projekt von der Genehmigungsbehörde SGD Süd zurückgezogen. Der Sturz des Kohlekraftwerks bescherte 2009 nicht nur den Grünen ungeahnte Zustimmungswerte von 20 Prozent bei der Kommunalwahl, es wurde auch zum Paradebeispiel dafür, dass politische Entscheidungen eben nicht in Stein gemeißelt sind: Entscheidungen, die einmal getroffen wurden, kann man ändern, der Stadtrat einen neuen Beschluss fassen – etwa, wenn sich die Beurteilungslage ändert.

Mit Plakaten wie diesen zogen die Grünen 2009 in den Kommunalwahlkampf, bei der Handkäs-Mafia ging es damals auch um die Allianz, die zunächst ein Kohlekraftwerk bauen wollte... - Foto: gik
Mit Plakaten wie diesen zogen die Grünen 2009 in den Kommunalwahlkampf, bei der Handkäs-Mafia ging es damals auch um die Allianz, die zunächst ein Kohlekraftwerk bauen wollte… – Foto: gik

Die Genehmigungen und damit auch die Auflagen zur Verfüllung des alten Mainzer Steinbruchs stammen aus dem Jahr 1964, und es wäre wohl durchaus sicher zu behaupten: seither hat sich vieles geändert. Mainz ist enorm gewachsen, Mainz hat viel gebaut und viele Flächen versiegelt – die Nachverdichtung der Stadt läuft auf Hochtouren und hat Mainz einen wahren Grünschwund beschert. Geändert aber hat sich vor allem auch das Klima: Die Sommer sind deutlich heißer als früher, alle Rekord-Hitzesommer der Menschheitsgeschichte befinden sich zwischen 2003 und heute.

2019 rief der Mainzer Stadtrat genau deshalb den Klimanotstand aus – geschehen zugunsten von Klima, von mehr Grün und mehr Naherholung ist seither praktisch nichts. Fakt ist: Seit 1964 hat sich die Welt weiterbewegt, und durch die Corona-Pandemie hat diese Bewegung noch einmal einen besonders starken Schub bekommen – in ganz neue Richtungen. Zuhause bleiben, Abkühlung suchen, das nahe Grün ansteuern, nie waren diese Dinge so wichtig wie jetzt. Und nie war eine lernfähige Politik wichtiger als jetzt – und wichtiger für eine lebenswerte Zukunft in unseren Städten.

Was an einem Baggersee so gefährlich fürs Grundwasser sein soll, das hat die Stadt bisher nicht plausibel erklären können – mit diesem Argument dürfte es keinen einzigen Baggersee in Deutschland geben. Die Sonnencreme der Besucher? Die ein oder andere Sonnenbrille, die sich an den Grund verirrt? Oder gar Schadstoffe aus der Luft? Dann wären die heutigen Seen im alten Steinbruch auch ein Problem – oder jede Badestelle in den Karstschluchten der südfranzösischen Mittelgebirge. Wer eine Mülldeponie angeblich sicher gegen das Grundwasser schützen kann, sollte mit einem Badesee keine Probleme haben.

Die CDU wiederum sollte nun schnell (er-)klären, ob hinter ihrer Zustimmung zum Thema Baggersee mehr steckt als lustige Bildchen: Meint die Opposition es ernst, müsste sie auch ihre Zustimmung im Stadtrat verweigern. Noch ist die Deponie nicht gebaut, ja nicht einmal fertig geplant, und der Widerstand wächst, die ersten Klagen werden vorbereitet. Die Mainzer Politik muss sich daran messen lassen, für wen sie Politik betreibt – und ob ihre Beschlüsse Bürger- und Klima-verträglich sind.