Seit dem Bekanntwerden eines rechtsextremen Treffens in Potsdam, bei dem Pläne für die Deportation von Millionen Migranten geschmiedet wurden, gehen bundesweit in immer mehr Städten Menschen gegen Rechtsextreme und ihre Pläne auf die Straßen. Am Donnerstagabend wird das nun auch in Mainz der Fall sein: Ein Mainzer Studi-Freundeskreis ruft für den 18. Januar um 18.00 Uhr zu einer Kundgebung unter dem Titel „Zeichen gegen rechts – kein Platz für Nazis“ auf. Ihr Aufruf findet breite Unterstützung: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat ihr Kommen ebenso angekündigt wie Mainz 05, Kirchen, Parteien und zahllose Gruppen der Mainzer Gesellschaft. Auch die Mainzer CDU ruft zur Demo auf.
Vor einer Woche hatte das Recherche-Netzwerk Correktiv.org ein Geheimtreffen im November 2023 in einem Landhotel nahe Potsdam publik gemacht. Bei dem Treffen seien „hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer“ zusammengekommen, dabei habe der rechtsextreme österreichische Aktivist Martin Sellner einen „Masterplan zur Remigration“ vorgestellt – es geht um nichts weniger als die Deportation von Millionen von Menschen aus Deutschland. Deportiert werden sollen Menschen mit der „falschen“ Hautfarbe oder Herkunft, auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind – alle, die „nicht in Deutschland leben sollen.“
Das Treffen weckt Erinnerungen an die Deportationspläne der Nationalsozialisten, die in großem Stil auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 von einer kleinen Riege hochrangiger NS-Vertreter in einer Geheimkonferenz geplant wurden – hier wurde der Massenmord an den Juden beschlossen. Das Geheimtreffen in Potsdam, an dem Correktiv zufolge auch ein AfD-Bundestagsabgeordneter sowie ein Vertrauter von AfD-Chefin Alice Weigel teilnahm – die ganze Liste der Teilnehmer lest Ihr hier – sorgt seither für ein politisches Erdbeben in Deutschland. Weigel trennte sich inzwischen von ihrem Mitarbeiter, betonte zugleich aber, man sehe sich als „Opfer einer Kampagne“ – ihr Co-Chef Tino Chrupalla allerdings soll sich im Herbst 2021 mit dem gleichen Netzwerk getroffen haben. Chrupalla gibt an, er könne sich „nicht mehr erinnern“, wie die FAZ berichtet.
Verbotsverfahren gegen AfD gefordert, Grundrechteentzug für Höcke
Politiker aller Richtungen denken nun laut und intensiv über ein Verbotsverfahren gegen die AfD nach, der rheinland-pfälzische CDU-Chef Christian Baldauf forderte, rechtsextremen AfDlern die Wählbarkeit bei Wahlen zu entziehen. Baldauf beruft sich dabei auf Artikel 18 des Grundgesetzes, nach dem seine Grundrechte verwirkt, wer Grundrechte „zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ missbraucht. „Wir sollten prüfen, ob einzelnen Personen in der AfD, die rechtsextrem und verfassungsfeindlich auftreten, die persönliche Wählbarkeit entzogen werden kann“, betonte Baldauf am Montag in Mainz. Hetzer und Verfassungsfeinde dürften nicht weiter politische Ämter bekleiden.
„Es reicht nicht mehr, wenn wir unsere Stimme gegen Rechts erheben, den Verurteilungen und Bekenntnissen müssen jetzt auch handfeste Taten folgen“, forderte Baldauf. Auch er habe einem Verbotsverfahren gegen die AfD bisher skeptisch gegenüber gestanden, bekannte der Jurist, jetzt aber habe sich die Situation geändert: „Hier geht es um rassistische und verfassungsfeindliche Bestrebungen in einem gefährlichen, nicht länger tolerierbaren Ausmaß, das unsere Demokratie massiv gefährdet. Das sind Pläne, die allen menschlichen Werten und vor allem unserem Grundgesetz entgegenstehen. “
Eine Petition im Internet hat ein ganz ähnliches Anliegen: Unter dem Titel „Wehrhafte Demokratie – Höcke stoppen“ fordert dort die Initiatorin, dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke seine Wählbarkeit zu entziehen. Damit dürfte Höcke sich nicht mehr wählen lassen – aussprechen müsste ein solches Verbot das Bundesverfassungsgericht. Ein solches Verbot wäre zudem wohl nur zeitlich wirksam, das würde aber durchaus reichen: In Thüringen sind im Herbst Landtagswahlen.
Petition gegen Höcke erreicht mehr als 1,2 Millionen Unterzeichner
Seit Bekanntwerden des Potsdamer Geheimtreffens erhält die Petition einen Riesenzuspruch: Mehr als 1,2 Millionen Menschen haben die Petition bereits unterzeichnet, die damit vom, Bundestag behandelt werden muss. Im Zuge der Grundrechtsverwirkung könne auch das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt werden, heißt es in der Petition weiter: „Und genau dies muss passieren, damit Björn Höcke der freiheitlichen Demokratie keinen weiteren Schaden zufügen kann.“
Nun wollen auch in Mainz Menschen am Donnerstag gegen die rechten Umtriebe auf die Straße gehen: „Die letzten Tage haben gezeigt, dass die AfD und andere rechtsextreme Gruppen die Deportation von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und Andersdenkenden planen“, begründete Nadia Wisser, eine der Initiatorinnen, die Initative: „Sie stellen damit unser Grundgesetz und die Gesellschaft, in der wir leben, infrage.“
Die Kundgebung sei indes „nicht von den üblichen Protagonistinnen und Protagonisten gegen Rechtsextremismus angemeldet worden, sondern von einem engagierten Freundeskreis Mainzer Studierender“, erklären die weiter. „Es ist aus dem Moment entstanden. Wir haben zusammengesessen und gemerkt: Wir halten das nicht aus. Wir müssen jetzt dagegenhalten“, berichtete Jakob Klooth, ein weiterer Initiator. Man wolle zusammen mit allen demokratischen Kräften „diejenigen ansprechen, die bislang schweigend zugesehen und sich nicht öffentlich geäußert haben.“
Breite Unterstützung für Demo-Aufruf einer Studentengruppe
Der Demo-Aufruf sein auf breiten Rückhalt der Mainzer Stadtgesellschaft gestoßen, berichten die Initiatoren weiter – und auf Social Media geradezu viral gegangen. Unterstütz werde er unter anderem inzwischen vom Fußballclub Mainz 05, von Kirchen, Parteien und vielen mehr. „Wir sind so überwältigt von den vielen vielen Menschen, die uns schreiben und Hilfe anbieten“, berichten die Organisatoren. Auch die Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte inzwischen ebenfalls ihre Teilnahme an, mit ihr wollen mindestens sechs weitere Minister ihres Kabinetts Flagge gegen Rechts zeigen.
„Wir werden zeigen, dass Rheinland-Pfalz weltoffen, bunt und demokratisch ist und auch bleiben soll“, betonte Dreyer: „Ich rufe alle demokratischen Kräfte dazu auf, sich an der Demonstration zu beteiligen, sich ebenfalls solidarisch zu erklären und gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland und Rheinland-Pfalz zu setzen.“
Unterstützung für die Demo kommt aber auch von der CDU Mainz: Es sei „großartig, dass dieser Aufruf von jungen Menschen so großen Anklang in der Stadt findet – sehr gerne folgen wir der Aufforderung und ermutigen alle, gemeinsam ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen“, sagte der Mainzer CDU-Chef Thomas Gerster am Mittwoch. Gerade die Meldungen der vergangenen Tage machten „deutlich, wozu Rechtsextremismus in der Lage sein kann, wenn man ihn gedeihen lässt“, kritisierte Gerster: „Wer über Deportationen fantasiert, Menschen ihre Staatsangehörigkeit abspricht und Lager in Nordafrika plant, hat die Grenze der Demokratie schon lange überschritten und muss spüren, dass man hier in Mainz mit solchem Gedankengut auf Widerstand stößt.“
Es wäre nicht das erste Mal: Im November 2015 stieß die AfD bei einer Kundgebung in Mainz ebenfalls auf den massenhaften Widerstand der Mainzer, mehr als 1.000 Gegendemonstranten blockierten damals den Gutenbergplatz – und das Staatstheater Mainz konterte den AfD-Aufmarsch vor seinen Fenstern mit einer lautstarken „Ode an die Freude“. „Nie wieder ist jetzt“, betonte Till Walter aus dem Mainzer Freundeskreis: „Wenn wir es jetzt nicht schaffen, der AfD und anderen rechtsextremen Kräften etwas entgegenzusetzen, zu zeigen, dass wir mehr sind, rutschen wir in dieses Kapitel zurück. Aber wir sind stark, wir sind mehr, Mainz ist bunt, und wenn es drauf ankommt, dann ist Mainz laut!“
Info& auf Mainz&: Die Demo „Zeichen gegen Rechts“ trifft sich am Donnerstag, den 18. Januar 2024 um 18.00 Uhr am Mainzer Hauptbahnhof, von dort wird sich der Demozug über den Schillerplatz und die LU bis vor das Staatstheater bewegen, dort sollen weitere Reden stattfinden. Die ganze Recherche der Kollegen von Correktiv.org könnt Ihr hier im Internet lesen.
Update&: Am Ende gingen 7.000 Menschen in Mainz auf die Straße – es wurde eine der größten Demonstrationen in Mainz überhaupt. Zum, Eklat kam es allerdings im Nachhinein, weil die Organisatoren dem Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) bei der Demo kein Rederecht gewährten. Gleichzeitig aber hatte man Zeit für zehn Redner, darunter auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
War dem OB das „Zeichen gegen Rechts“ am Ende gar nicht so wichtig? „Ich habe mich selbstverständlich den Veranstaltern angeboten“, sagte Haase nun auf Mainz&-Anfrage. Diese seien aber für ihre Rednerliste selbst verantwortlich – und lehnten eine Rede des Stadtoberhaupts ab. Die Organisatoren sagten dazu: Man habe den Raum „lieber solchen Personen einräumen wollen, die von der Hetze der AfD besonders betroffen sind oder sonst in der Gesellschaft gegen Rassismus engagiert sind.“
Der Kommentar& auf Mainz& dazu: Das ist ein Unding – Nino Haase das Rederecht zu verwehren, ist ein absoluter Fehlgriff und hat Mainz und dem Schulterschluss gegen Rechtsextremismus Schaden zugefügt. Wenn es den Organisatoren solcher „Demos gegen Rechts“ Ernst damit ist, dass hier wirklich ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Rechtsextremismus stehen soll, dann müssen sie den echten Schulterschluss mit allen demokratischen Kräften suchen. Dann gehören auf die Bühnen dieser Veranstaltungen gerade Redner des gesamten Spektrums – von konservativ bis links. Und erst recht der Oberbürgermeister einer Stadt. Mehr dazu hier: https://mainzund.de/zeichen-gegen-rechts-mainzer-ob-haase-bekam-auf-grosskundgebung-keine-redezeit-mit-kommentar/