Schock für viele Mitstreiter in der Anti-Fluglärm-Szene: der frühere Raunheimer Bürgermeister Thomas Jühe ist tot. Das gab die Fluglärmkommission am Dienstag bekannt, deren Vorsitzender Jühe fast 20 Jahre lang gewesen war. Jühe habe die Kommission „klug und mit sehr großem Geschick und Weitblick geprägt, gestaltet und zu dem gemacht, was sie heute ist“, würdigte ihn die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). Der SPD-Politiker Jühe starb am 12. Dezember nach schwerer Krankheit mit nur 59 Jahren.

Der langjährige Raunheimer Oberbürgermeister und Fluglärm-Kämpfer Thomas Jühe ist tot. - Foto: SPD Raunheim
Der langjährige Raunheimer Oberbürgermeister und Fluglärm-Kämpfer Thomas Jühe ist tot. – Foto: SPD Raunheim

„Bürgermeister. Macher. „Vater“ der Südumfliegung. Lehrer. Vorsitzender der Fluglärmkommission“ – so würdigte die SPD Raunheim Thomas Jühe noch am 7. Dezember 2020, da wurde Jühe 57 Jahre alt. Tatsächlich war der Raunheimer SPD-Mann so lange Bürgermeister in seiner Heimatstadt, wie niemand vor ihm: Vom Jahr 2000 bis 2022 lenkte Jühe als Bürgermeister die Geschicke der Stadt Raunheim. Erst zum 30. November 2022 war er aus dem Amt ausgeschieden, seine schwerer Erkrankung zwang ihn dazu.

Als Bürgermeister der Kommune westlich des Frankfurter Flughafens wurde Jühe fast zwangsläufig in den Kampf gegen den wachsenden Fluglärm geworfen: Raunheim galt lange als die am meisten von Fluglärm belastete Kommune im Raum Frankfurt. Auch für Raunheim war der Bau der Nordwestlandebahn am Frankfurter Flughaffen und ihre Einweihung im Jahr 2011 eine Zeitenwende – fortan verschrieb sich Jühe noch mehr dem Kampf gegen das unerträgliche Dröhnen vom Himmel.

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Fast 20 Jahre Vorsitzender der Fluglärmkommission

Der studierte Lehrer Jühe wurde 2003 Vorsitzender der Frankfurter Fluglärmkommission und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen. Sein Markenzeichen: Konziliant im Ton, aber klar in der Sache – Jühe war einer der eifrigsten Kämpfer für ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen, und später dann für dessen Ausweitung auf 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens. Er gilt als „Vater der Südumfliegung“, mit der Route suchte er einen Weg, um den verlärmten Kommunen Entlastung zu verschaffen.

Fluglärm-Messstation in Raunheim mit Flieger von oben. - Foto: gik
Fluglärm-Messstation in Raunheim mit Flieger von oben. – Foto: gik

Fast 20 Jahre leitete Thomas Jühe die Fluglärmkommission Frankfurt, er habe wesentlich zum „Ersten Maßnahmenpaket aktiver Schallschutz“ 2010 beigetragen, das zu Fortschritten bei den An- und Abflugverfahren, leiseren Flugzeugen, passivem Schallschutz, Entschädigungsleistungen und dem Nachtflugverbot führte. „Mit einem einzigartigen Gespür für bestehende Handlungsspielräume, dem unbedingten Streben nach tragfähigen Lösungen für langfristige Verbesserungen und hoher fachlicher Expertise gelang es Thomas Jühe, Beratungsergebnisse der Kommission zu generieren, die von den Behörden berücksichtigt und ernst genommen wurden“, würdigte ihn die Fluglärmkommission.

Die Trauer in der Fluglärmkommission und bei Mitstreitern Jühes war am Dienstag groß: Mit bundesweiten Kampagnen etwa gegen die geplante Abschaffung des Nachtflugverbots, Demonstrationen vor und Anhörungen im Bundestag und fundierten Stellungnahmen sei Jühe „das Gesicht und der Fachexperte für den Schutz vor Fluglärm im gesamten Bundesgebiet“ gewesen. Er habe  Frankfurt zum „Taktgeber im Bereich des Fluglärmschutzes“ gemacht, dessen Maßnahmen über den Flughafen Frankfurt hinaus Wirkung als Vorbild auch für anderen Standorte entfalteten, hieß es aus der Kommission am Dienstag.

Motor, Frontmann, Vorkämpfer für Schutz vor Fluglärm

„Thomas Jühe war ein unermüdlicher Motor, wenn es bundesweit um den Schutz der Bevölkerung vor den negativen Auswirkungen des Flugbetriebes ging“ sagte Herbert Knur, langjähriger stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen: „Sein Tod hinterlässt in der ADF eine kaum zu schließende Lücke. Die ADF verliert mit dem Tod von Thomas Jühe ihren unermüdlichen Frontmann und ich einen in jahrzehntelanger Zusammenarbeit lieb gewonnenen Freund.“

Die Trauer um den am Montag gestorbenen Thomas Jühe ist groß. - Foto: SPD Raunheim.
Die Trauer um den am Montag gestorbenen Thomas Jühe ist groß. – Foto: SPD Raunheim.

„Ich habe selten einen Kollegen getroffen, bei dem sich fachliche Kompetenz mit menschlicher Qualität so verbunden hat wie bei Thomas Jühe“, reagierte auch Christof Bolay, stellvertretender Vorsitzender der ADF sowie Vorsitzender der Fluglärmkommission Stuttgart: „Ich habe einen Freund verloren. Ich durfte viel von ihm lernen. Umso schwerer wiegt sein Verlust.“

Auch die stellvertretende Vorsitzende der FLK Frankfurt und Umweltdezernentin von Frankfurt, Rosemarie Heilig (Grüne) zeigte sich tief betroffen: „Thomas Jühe hat die Fluglärmkommission Frankfurt über fast zwei Jahrzehnte klug und mit sehr großem Geschick und Weitblick geprägt, gestaltet und zu dem gemacht, was sie heute ist“, sagte Heilig: „Ich habe selten einen Politiker erlebt, der so wie er den Menschen zugewandt war. Für sie stritt und kämpfte er. Mir bleibt er ein Vorbild. Sein viel zu früher Tod macht mich sehr betroffen und mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.“

Al-Wazir: Einsatz für die Lärmbetroffenen „wird uns sehr fehlen“

In Raunheim, wo Jühe noch am 10. November 2022 zum Ehrenbürgermeister ernannt worden war, ist die Trauer riesig. In einer Mitteilung an die Mitarbeiter im Rathaus hieß es: „Er hat bis zum Schluss gegen die tückische und schwere Krankheit gekämpft. Es war ihm beschieden, zu Hause im Kreis seiner Lieben zu sterben. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.“ In Raunheim wurde ein Kondolenzbuch im Rathaus ausgelegt.

Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). - Screenshot: gik
Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). – Screenshot: gik

Update&: Auch der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) würdigte die Verdienste und das Engagement Jühes: Dieser habe sich „weit über die Grenzen seiner Kommune hinaus für Zukunftsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität in der Rhein-Main-Region eingesetzt.“ Jühe habe seine Ziele „beharrlich, glaubwürdig und unabhängig von tagespolitischen Ereignissen“ verfolgt und „dem Fluglärmschutz maßgebliche Impulse gegeben.“

Die Einführung einer Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt „habe ich auch Thomas Jühe zu verdanken“, sagte Al-Wazir weiter: „Er hat das schwierige Thema der Lärmbelastung in der Fluglärmkommission trotz gegensätzlicher Interessen fair und sachorientiert verfolgt, und jede Reduktionsmöglichkeit bei den Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik eingefordert. Sein viel zu früher Tod hinterlässt eine riesige Lücke und macht tieftraurig. Thomas Jühes Ideen, seine klare Zielorientierung und seine Empathie für die Lärmbetroffenen werden uns in Hessen sehr fehlen.“

Info& auf Mainz&: Die gesamte Stellungnahme der Fluglärmkommission Frankfurt zum Tod von Thomas Jühe findet Ihr hier im Internet.