Kehrtwende im Mainzer Rathaus: Die Mülldeponie im Steinbruch zwischen Mainz-Weisenau und Mainz-Laubenheim steht vor dem Aus. Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) kündigte am Mittwoch völlig überraschend an, sie werde das Projekt nicht weiterverfolgen und dem Stadtrat die Aufhebung seines Beschlusses vorschlagen. Die Rahmenbedingungen hätten sich geändert, argumentierte Steinkrüger: Es gebe inzwischen Deponiekapazitäten in Wiesbaden und in Framersheim bei Alzey, dazu drohten hohe Investitionskosten wegen einer Hangsicherung – das Projekt Deponie rechne sich nicht mehr. Vor zwei Jahren hatte die Stadt Mainz noch genau umgekehrt argumentiert.
Der Steinbruch bei Mainz-Weisenau stammt noch aus Zeiten der alten Portland-Zementfabrik, 2004 hatte die Heidelberg Cement AG die Kalksteingewinnung eingestellt, die Stadt Mainz das Gelände zum 28.11.2008 übernommen – und damit auch die Rechte und Pflichten für die Verfüllung des Steinbruchs. Die frühere Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) wollte auf dem Gelände eine Mülldeponie mit Bauschuttabfällen einrichten und hatte stets argumentiert: Es gebe zu wenig Bauschutt-Ablagerungskapazitäten in der Region.
Gegen die Deponie kämpfte seit einigen Jahren jedoch die Bürgerinitative Mainz21, die argumentierte, in der Deponie hätten auch Abfälle der Deponieklasse II gelagert werden dürfen – und dazu gehörten auch Krebserzeugende Schwermetalle, Asbesthaltiger Bauschutt und Dioxinhaltige Filterstäube. Dazu liege die Deponie viel zu dicht an der Wohnbebauung auf der Hechtsheimer Höle, unmittelbar neben der Abbruchkante soll ein neues Wohngebiet mit Einfamilienhäusern und Kindergarten entstehen – und gerade letzterer wäre nur wenige Hundert Meter neben dem Steinbruch errichtet worden.
Nun die überraschende Kehrtwende im Mainzer Rathaus: Eders Nachfolgerin im Amt der Umweltdezernentin, Janina Steinkrüger (Grüne), kündigte am Mittwoch das Aus für die Deponie an. „Ich werde dem Stadtrat den Vorschlag machen, den Beschluss für die Deponie aufzuheben und nicht weiter zu verfolgen“, sagte Steinkrüger. Grund seien veränderte Rahmenbedingungen: neue Entsorgungsmöglichkeiten in Wiesbaden, die asbestbelastete Mainzer Hochbrücke sowie „eine zeitliche Komponente durch zusätzlich erforderliche Gutachten und den damit verbundenen Verzug für die Rekultivierung des Steinbruchs.“ Deshalb habe sie entschieden, das Projekt Deponie im Laubenheimer Steinbruch zu beenden.
Seit 2010 habe die Landeshauptstadt Mainz über keine eigene Deponie mehr zur Entsorgung von nicht brennbaren und nicht verwertbaren Bauabfällen verfügt, deshalb habe der Entsorgungsbetrieb „entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung nach einer Lösung für mineralische Abfälle aus der Landeshauptstadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen“ gesucht, rechtfertigte die Stadt Mainz ihr Vorgehen. Ziel sei es dabei gewesen, für die Mainzer Bürger, die Stadtverwaltung selbst sowie für Gewerbeunternehmen, die bauen wollten, „zu fairen, angemessenen Preisen, auf kurzen und wenig umweltbelastenden Transportwegen eine lokale Lösung anzubieten.“
Doch die Deponie erwies sich weder als umweltverträglich, noch als finanziell tragbar und schon gar nicht als ideal: Der Mainzer Stadtrat hatte zuletzt in seinem Beschluss pro Deponie aufgrund des öffentlichen Drucks die Lagerung von Asbest-haltigen Abfällen ausgeschlossen. Das erwies sich als ein entscheidender Faktor: Die Stadt Mainz wollte die Deponie unter anderem für die Entsorgung der inzwischen stillgelegten Mombacher Hochbrücke nutzen. Doch in der Hochbrücke sei „inzwischen Asbest nachgewiesen worden“, sagte Steinkrüger am Mittwoch. Man müsse davon ausgehen, dass der Asbest so in der Hochstraße verbaut sei, dass eine Abtrennung der Asbestbestandteile nicht möglich ist. Damit sei eine Ablagerung im Laubenheimer Steinbruch durch den Stadtratsbeschluss ausgeschlossen.
Dazu kam: Es gebe schlicht nicht mehr genügend Bauschutt aus der Region für die neue Deponie, räumte Steinkrüger ein: „Die privaten Bauträger entsorgen seit 2010 sowieso woanders“, sagte die Dezernentin. Zudem gebe es inzwischen mit Wiesbaden und Framersheim zwei weitere Deponien in der Region, „ein wirtschaftlicher Betrieb wäre voraussichtlich nicht gegeben“, räumte die Dezernentin ein. Ihre Vorgängerin Eder hatte noch komplett anders argumentiert und stets von fehlenden Bauschutt-Deponie-Kapazitäten gesprochen.
Doch schon im September 2020 hatte der Weisenauer Ortsvorsteher Ralf Kehrein (SPD) gewarnt: Die Deponie im Steinbruch sei überflüssig. Es gebe inzwischen im Umkreis von Mainz mindestens drei andere Deponien, darunter eine neu genehmigte in Framersheim bei Alzey, sagte Kehrein damals gegenüber Mainz& – der Bedarf für eine Deponie sei überhaupt nicht mehr gegeben. Angesichts der neuen Konkurrenz stelle sich nun doch die Frage, „wie die Stadt Mainz diese Deponie überhaupt befüllen will, woher sollen denn die weiteren Müllmengen kommen“, sagte Kehrein damals, und warf Dezernentin Eder vor „sich wegzuducken.“
Inzwischen ist man bei der Stadt Mainz offenbar zum selben Ergebnis gekommen: Es gebe mit Framersheim eine Alternative, räumte Steinkrüger ein, diese sei aber „seinerzeit“ noch ungewiss gewesen, die Einrichtung der Deponie dort stehe überhaupt erst seit drei Monaten fest. Die Landeshauptstadt Wiesbaden hingegen habe noch 2015 die Annahme der mineralischen Abfälle aus Mainz auf Anfrage des Entsorgungsbetriebes abgelehnt.
In Wiesbaden seien mittlerweile drei Planfeststellungsverfahren zur Schaffung zusätzlicher Entsorgungskapazitäten durchgeführt worden. Aktuell habe der Entsorgungsbetrieb ELW erklärt, dass die Erweiterung der Dyckerhoff-Deponie genehmigt worden sei. „Dadurch stehen regional neue Entsorgungskapazitäten zur Verfügung“, sagte Steinkrüger weiter. Deshalb sei die Stadt Mainz nun erneut auf den ELW zugegangen und habe Verhandlungen über eine interkommunale Zusammenarbeit aufgenommen.
K.O.-Faktor 3: Instabiler Hang zur Hechtsheimer Höhe
Dazu kam aber auch noch ein dritter KO-Faktor für die Deponie: Im Laufe des Bebauungsplanverfahrens zur Hechtsheimer Höhe sei „zudem durch hydrologische Gutachten die Frage nach der Stabilität des Hangs aufgekommen“, heißt es beid er Stadt Mainz weiter. Dazu würden aktuell weitere Untersuchungen durchgeführt, für eine zusätzliche Stabilisierung könne je nach Ergebnis auf verschiedene technische Lösungen zurückgegriffen werden. Nach Mainz&-Informationen geht es dabei um die Frage der Entwässerung des Hanges, die womöglich die Stabilität des Hanges in Frage gestellt hätte.
„Nach Einschätzung der Genehmigungsbehörde SGD Süd stellt dies kein K.o.- Kriterium für die Planungen zum Bau der Deponie dar“, betonte die Stadt zwar, dennoch seien „die weiteren notwendigen Untersuchungen sehr zeitintensiv“ – es sei „nicht abzusehen“, wie sich das auf die Investitionskosten auswirke. Dazu wurde in der Pressekonferenz am Mittwoch aber auch klar: Die für die Deponie notwendige Verdichtung des Bodens durch Rüttelstopfverdichtung hätten enorme Investitionskosten nach sich gezogen. Planungs- und Investitionskosten für die Deponie wären damit so hoch gestiegen, dass sich ein Betrieb nicht mehr gerechnet hätte. Steinkrüger sagte, sie wolle den neuen Beschluss dem Stadtrat voraussichtlich im Juli vorlegen.
Mainzer SPD fordert Beteiligungsprozess bei Steinbruch-Planung
Die Mainzer SPD begrüßte die neue Entwicklung: „Neue Erkenntnisse erfordern neues Nachdenken und neue Entscheidungen“, sagte die Co-Vorsitzende der Mainzer SPD, Mareike von Jungenfeld, und räumte zugleich ein: „Es gab immer kritische Stimmen in der Partei zu der geplanten Bauschutt-Deponie in Laubenheim, diese Stimmen dürfen sich bestätigt sehen.“ Jetzt stehe aber eine neue Frage im Vordergrund: „Wie soll das Areal für die Zukunft weiterentwickelt werden“, fragte von Jungenfeld, und forderte: „Die Antwort bedarf eingehender Überlegungen und einem offenen Beteiligungsprozess.“
In jeden Fall böten sich jetzt neue Möglichkeiten, die als „Chance für das Areal und die Umgebung“ genutzt werden müssten, forderte die SPD-Chefin. Steinkrüger sagte hingegen auf Mainz&-Nachfrage, wie es mit dem Areal genau weiter gehe, habe sie sich „noch nicht überlegt.“ Die Stadt Mainz werde aber ihrer Verpflichtung zur Verfüllung des Areals weiter nachkommen. „Mein Anliegen wäre, es als naturnahe Fläche zu belassen“, sagte Steinkrüger. Mainz habe ohnehin wenig Naherholungsflächen, hier sei „ruhige Naherholung“ gut vorstellbar. Einen Baggersee, wie ihn schon einmal eine Petition fordert, lehnte sie erneut ab.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Baggersee im alten Steinbruch und dem Streit um die Mülldeponie lest Ihr hier bei Mainz&: