Das Nein der EU-Umweltkommission zum sechsspurigen A643-Ausbau hallt noch immer durch Mainz, Ausbaugegner feiern es als Stopp der Ausbaupläne – nicht so die Autobahn GmbH des Bundes: Dort reagiert man ausgesprochen positiv auf das Votum aus Brüssel. Geprüft werde nämlich inzwischen eine weitere Variante mit noch geringerem relevanten Flächenbedarf, teilte die Autobahn GmbH auf Mainz&-Anfrage mit – und für die brauche es gar keine Ausnahmegenehmigung mehr. Derweil betont die Mainzer CDU, man sehe den Ausbau der A643 weiter als dringend notwendig an – und schlägt ein „Gonsenheimer Modell“ zur Flächenreduzierung vor.

Anfang August hatte das Umweltkommissariat der Europäischen Union den Plänen für einen sechsspurigen Ausbau der A643 von Mainz nach Wiesbaden ein glattes Nein erteilt, als Gründe wurden vor allem eine „unzureichende“ Verträglichkeitsprüfung für das FFH-Naturschutzgebiet „Mainzer Sand“, nicht ausreichende Ausgleichsmaßnahmen sowie eine unzureichende Prüfung von Alternativen für den sechsspurigen Ausbau genannt. Damit kippte die EU zumindest vorerst mehr als zehn Jahre andauernde Planungen für den Ausbau der wichtigen Pendlerstrecke zwischen Mainz, dem rheinhessischen Umland und Wiesbaden.
SPD und vor allem Mainzer Grüne jubelten umgehend, damit sei der ohnehin unnötige Ausbau der Autobahn durch den „Mainzer Sand“ gestoppt, das sei ein Sieg für den Naturschutz – man sehe sich in seinen Positionen gegen den Ausbau bestätigt. Das Bündnis „Nix in den (Mainzer) Sand setzen“ forderte gar, die Pläne für den Ausbau insgesamt auf Eis zu legen. Was sie ignorierten: Die Vorlandbrücke der A643, die weit ins Landesinnere ragt, ist marode und muss dringend erneuert werden, und auch für eine 4+2-Lösung muss die Autobahn verbreitert werden – ein Stopp des Ausbaus ist damit nicht in Sicht.
Autobahn GmbH: Variante ohne Ausnahmegenehmigung möglich
Tatsächlich reagiert man bei der für Autobahnen inzwischen zuständigen Autobahn GmbH des Bundes auf das Schreiben aus Brüssel ausgesprochen gelassen – ja, sogar erleichtert: „Erfreulicherweise“ liege die vom Bundesverkehrsministerium erbetene Stellungnahme der Europäischen Kommission zur A643 „seit Kurzem vor“, teilte die Autobahn GmbH nun auf Mainz&-Anfrage mit. Denn bei der Autobahn GmbH sieht man durchaus einen Fortschritt: Die 4+2 Variante – also eine Autobahn mit 4 Fahrstreifen und temporärer Freigabe der Seitenstreifen bei hohem Verkehr – stelle nämlich laut EU „eine geeignete Minimierung des Eingriffs auf das Schutzgebiet dar“.

Mehr noch: „Die Umsetzung einer solchen Variante wäre ohne Notwendigkeit einer Ausnahmegenehmigung (…) der FFH-Richtlinie zu ermöglichen“, betont man bei der Autobahn GmbH ausdrücklich. Im Klartext: Ein solcher Ausbau würde wohl nicht mehr den strengen Genehmigungsregeln für Naturschutzgebiete unterliegen, das hätte womöglich auch Auswirkungen auf Einspruchsmöglichkeiten von Naturschutzverbänden.
Dazu habe die Autobahn GmbH des Bundes „zwischenzeitlich eine weitere Lösung mit noch geringerem relevanten Flächenbedarf als bei der vorgeschlagenen 4+2 Variante untersucht“, so die Antwort weiter. Als nächster Schritt werde nun „die Kompatibilität der von der Autobahn GmbH des Bundes weiterentwickelten Variante mit der von der EU KOM geforderten Vermeidung der Beeinträchtigung von geschützten Lebensraumtypen geprüft.“ Ist die Kompatibilität gegeben, wäre „auch hier keine Ausnahmegenehmigung mehr erforderlich.“
CDU Mainz hält an Ausbau fest, Vorschlag: Mittelspur halbieren
Damit könnte ein Ausbau einen großen und vor allem schnellen Schritt näher rücken – allerdings: Wie genau diese Variante aussehen würde, und wie viele Fahrspuren sie hätte – dazu schweigt sich die Autobahn GmbH auch auf Nachfrage hin aus. „Wir bitten um Verständnis, dass eine detailliertere Auswertung der Stellungnahme der EU KOM bei einem derart komplexen Projekt einige Zeit in Anspruch nehmen wird“, heißt es lediglich – was das mit der Anzahl der Fahrspuren zu tun hat, erklärt man nicht. „Verbindlichere Informationen zum weiteren Vorgehen sind demzufolge aktuell noch nicht möglich“, so die Antwort.

Womöglich geht die neue Variante ja in die Richtung, die die Mainzer CDU nun vorschlägt: „Halbiert man die sehr breite Mittelspur, würde das einen drei- bzw. sechsspurigen Ausbau ermöglichen, und dabei sogar weniger Fläche in Anspruch nehmen als bei der 4+2-Lösung“, sagte nun CDU-Stadtrat Torsten Roher, der auch als CDU-Kandidat bei der Landtagswahl in Mainz antritt. „Man könnte so Umweltschutz und Infrastrukturausbau vereinen – wir setzen darauf, dass dieser Ansatz ebenfalls geprüft wird“, betonte Rohe.
Dieses sogenannte „Gonsenheimer Modell“ erinnert indes stark an die Pläne, die der Landesbetrieb Mobilität in Rheinland-Pfalz bereits 2019 vorgelegt hatte: Auch auf diesen Plänen ist eine stark verringerte Mittelspur zu sehen, die Platz für sechs Spuren plus Standstreifen samt Lärmschutzwand schuf. Würden dabei weitere Spuren wegfallen, wäre der Platzbedarf noch einmal geringer – offenbar sieht man bei der Autobahn GmbH durchaus Optionen, den Konflikt um den Ausbau zu lösen.

Gerster: Brauchen Verkehrsinfrastruktur fürs 21. Jahrhundert
Die Mainzer CDU hält derweil an ihrer Forderung eines sechsspurigen Ausbaus fest: „Eine Autobahn, die zwei Landeshauptstädte miteinander verbindet, muss adäquat ausgebaut sein“, betonte der Mainzer CDU-Chef Thomas Gerster, „die regionale Verkehrsinfrastruktur in Mainz muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen.“ Die Zeit dränge zudem, „denn seit letztem Jahr ergeben sich durch die marode Mombacher Vorlandbrücke bereits erste Einschränkungen für den Verkehr“, warnte Gerster.
Die Zuständigkeit liege jetzt allerdings beim Bundesverkehrsministerium und der Autobahn GmbH. „Ich gehe davon aus, dass sie gemeinsam eine Möglichkeit finden, die einen Ausbau ermöglicht, und dann auch die Zustimmung der EU-Kommission erhält“, sagte Gerster. Und Rohe mahnte: „Die Menschen, die auf dieser Strecke jeden Tag zur Arbeit pendeln, haben verdient, dass Klarheit herrscht und sich die Hängepartie nicht noch weiter zieht.“
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