Nach dem Abgang von Umwelt- und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) sucht Mainz eine Nachfolgerin, die Grünen präsentierten vor gut einer Woche schon die Frankfurterin Janina Steinkrüger als ihre Kandidatin – die bekommt nun einen Gegenkandidaten: Der Mainzer CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster stellt sich Mitte Juli im Mainzer Stadtrat ebenfalls zur Wahl. „Politik lebt nun mal von Alternativen und vom Wechsel“, sagte der 50 Jahre alte Volljurist, deshalb stelle er sich zur Wahl. Sein Konzept: Mehr Bäume, Brunnen und Bächle für Mainz, eine echte Solarsatzung und die Prüfung von O-Bussen – und ein Verkehrskonzept mit sicheren und schnellen Radwegen, mehr ÖPNV und einem Parkhausring am Stadtrand. Und eine große Stadt-Vision hatte Gerster dann auch noch im Gepäck.
Am 18. Mai wurde die bisherige Amtsinhaberin Katrin Eder zur Staatssekretärin im neuen Klimaschutzministerium ernannt, seither ist der Posten der Dezernentin für Umwelt, Grün,. Energie und Verkehr in Mainz verwaist. Nach dem Willen der Mainzer Grünen soll die 46 Jahre alte Frankfurterin Janina Steinkrüger Eders Nachfolgerin werden, die studierte Historikerin dürfte den Rückhalt der Ampel-Koalition im Mainzer Stadtrat haben. Trotzdem präsentierte die CDU-Opposition am Mittwoch einen Gegenkandidaten: ihren 50 Jahre alten Verkehrsexperten Thomas Gerster.
„Wir sind die stärkste Oppositionskraft im Stadtrat und haben viele Jahre die Geschicke der Stadt mitgestaltet“, begründete CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig den Schritt. Als 2019 gleich mehrere städtische Dezernate neu zu besetzen waren, hatte die CDU ebenfalls schon Gegenkandidaten präsentiert, auch damals war Gerster schon gegen Eder angetreten – und die Unternehmerin Manuela Matz als Gegenkandidaten zur designierten Wiederwahl des damaligen FDP-Wirtschaftsdezernenten Christopher Sitte. Als die CDU damals Matz vorgestellt habe, „sind wir auch angeschaut worden: was soll denn das Ganze“, sagte Schönig, und bilanzierte genüsslich: „Wir hatten keine Chance, aber wir haben sie genutzt.“
Denn Sitte zog zwei Tage vor seiner Wiederwahl völlig überraschend seine Kandidatur zurück, das Ergebnis: die CDU-Kandidatin Matz wurde zur Mainzer Wirtschaftsdezernentin gewählt. Man rechne nicht ernsthaft damit, dass sich so ein Vorgang noch einmal wiederhole, sagte Schönig, aber Auswahl sei nun einmal wichtig in einer Demokratie: „Was wir haben, ist eine Alternative, nicht nur in Form der Person, sondern auch bei den Inhalten“, betonte Schönig, und fügte mit Blick auf die Frankfurter Kandidatin der Grünen hinzu: „Er wohnt in Mainz und wird in Mainz wohnen bleiben.“
Gerster, der am 8. August 1970 in Mainz geboren wurde, wohnt mit seiner Familie in der Mainzer Altstadt, der Vollblut-Fastnachter und Volljurist arbeitet beim ZDF in Mainz und ist seit 2004 Mitglied des Mainzer Stadtrats. Der Verkehrsexperte ist zudem seit 2009 im Aufsichtsrat der Mainzer Verkehrsgesellschaft sowie im Verkehrsverbund Mainz-Wiesbaden und im Beirat der Parken in Mainz GmbH. Seit 20 Jahren mache er nun Politik für die Stadt Mainz, deshalb wolle er sich auch für ein solches Amt zur Verfügung stellen, betonte Gerster.
Der CDU-Kandidat legte gleich ein ganzes Konzept von Vorhaben vor, die er im Falle seiner Wahl anstreben wolle. „Die Stadt Mainz muss den Klimaschutz vorantreiben“, betonte der CDU-Politiker, und sie müsse mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu gehöre die energetische Sanierung der Bauten der Stadt und ihrer Tochtergesellschaften, aber auch die Fortschreibung der Solarsatzung sowie eine Dachbegrünungssatzung. „Eine Alternative wäre auch, große Parkplätze wie an der Mainz 05 Arena mit Solardächern zu überbauen“, sagte Gerster weiter. In Sachen mehr Grün für die Stadt könne er sich zudem ein Aktionsprogramm zur Bepflanzung von Balkonen in Mainz vorstellen, etwa zusammen mit Bau- und Gartenmärkten.
„Brauchen Bäume, Brunne und Bächle“
„Es wird warm, und es wird immer wärmer, wir müssen aktiv etwas dagegen tun“, betonte Gerster: „Klimaschutz heißt nicht nur, weniger CO2 herzustellen, sondern auch Schaffung von mehr Klimaresilienz. Sein Motto laute dabei „BBB“: „Wir brauchen Bäume, Brunnen und Bächle für Mainz“, forderte Gerster. Mainz brauche dringend mehr und möglichst hochkronige Bäume, Nachpflanzungen müssten schneller erfolgen. Brunnen seien sinnvoll, um die Luft in der Stadt zu erfrischen, bestehende Brunnen müssten deshalb unverzüglich in Stand gesetzt und in Betrieb genommen werden – wie etwa der Brunnen auf dem Ernst-Ludwig-Platz.
„Wir müssen auch neue Brunnen schaffen, etwa auf dem Platz vor dem Archäologischen Zentrum“, sagte Gerster weiter. In anderen Städten würden Brunnen in Plätze eingelassen, die man auch bei Anlieferungen per Lkw befahren könne, so etwas könne auch dort sinnvoll sein. Auch Bäche könnten deutlich zur Verbesserung des Stadtklimas beitragen, „wer schon mal in Freiburg war, kennt das“, sagte Gerster weiter. Ähnliches halte er auch in Mainz für möglich – als Beispiele nannte er den Zaybach, die Umbach oder den Vilzbach – alles Flussläufe, die in den vergangenen Jahrzehnten unter Straßen und in der Kanalisation verschwanden.
In Sachen Verkehr sagte Gerster weiter: „Ich möchte ein Verkehrskonzept, das pragmatisch ist, keinen benachteiligt, aber dafür sorgt, dass sich alle sicher bewegen können.“ Das schließe gerade und ausdrücklich die Radfahrer ein, aber auch den ÖPNV und die Fußgänger, sagte Gerster, und betonte: „Mir als Radfahrer ist es nicht begreiflich, wie man Fahren im Schritt durch die Fußgängerzone als Fortschritt feiern kann – wenn ich Rad fahre, will ich schnell voran kommen.“ Ihn störe massiv „die Planungslosigkeit“ der vergangenen Jahre, kritisierte Gerster weiter: „Wir machen die Langgasse neu, vergessen aber, den Fahrradweg zu schaffen“, nannte er ein Beispiel.
Platz für schnelle und sichere Radrouten
Es brauche deshalb Platz für schnelle und sichere Radrouten, die Piktogramme auf den Straßen erfüllten, diese Aufgabe nicht – Radfahren in Mainz sei zurzeit schlicht „brandgefährlich“. Auf der Kaiserstraße die rechte Spur zu einer Radspur umzuwandeln, sei ebenfalls wegen der vielen Rechtsabbieger gefährlich, kritisierte Gerster. „Ich hielte es für sinnvoller, die Adam-Karillon-Straße und die hintere Bleiche für den Fahrradverkehr freizugeben“, sagte er, „dann hätten wir eine Fahrradachse vom Alicenplatz bis zum Rhein.“
„Ich möchte den Fußgängern ihren geschützten Platz zurückgeben“, kündigte Gerster weiter an, auch brauche es einen zuverlässigeren ÖPNV – auch eine Prüfung von O-Bussen fände er spannend. Das sei ein neues System, ja, sagte Gerster, aber das seien E-Busse auch, und die O-Busse würden sich während der Fahrt neu aufladen.
„Es nützt nichts, wenn man wie die Grünen sagt, wir wollen keine Autos in der Stadt“, kritisierte Gerster weiter, „man grenzt damit Menschen aus, die schlecht zu Fuß sind, und auch Menschen, die aus dem Rheinhessischen kommen.“ Er wolle prüfen, ob man den existierenden Mainzer Parkhausring nicht mit Parkhäusern am Stadtrand erweitern könne, dann könnten Parkhäuser eher außen gebaut und mit Bus und Bahn an die Stadt angebunden werden. Auch in der Innenstadt würde er auf Quartiersparkhäuser setzen, um die Autos von den Straßen zu bekommen.
„Ich möchte, dass Durchgangsverkehr vermieden wird“, betonte Gerster weiter, „wie macht man das? Indem die Alternative attraktiv ist.“ Deshalb sei der sechsspurige Ausbau des Mainzer Rings unbedingt nötig, „am besten auch eine weitere Rheinbrücke in Höhe der Kaiserbrücke.“ Ideen gegen den Durchgangsverkehr hatte Gerster auch schon im Januar 2020 entwickelt, als die Theodor-Heuss-Brücke wegen Reparatur gesperrt war, mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.
Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen lehne er ab: „Ich würde es nicht behalten, weil es nicht zur Reduzierung von CO2 führt, es wirkt einfach nicht“, sagte Gerster. Die versprochene Verstetigung des Verkehrsflusses sei bis heute, ein Jahr danach, nicht erreicht, er bezweifele auch, dass sie überhaut umzusetzen sei.
„Ich möchte sie mit auf eine Reise nehmen und visionärer denken“, sagte Gerster dann noch: Er würde gerne prüfen, ob wichtige Hauptverkehrsstraßen wie die Kaiserstraße oder die Rheinallee nicht durch Tunnel ersetzt werden könnten – verbunden mit einem Tunnel unter dem Rhein hindurch nach Wiesbaden. „Ich weiß aus anderen Städten, dass es dort mit Hilfe von EU-Geldern auch ging“, betonte Gerster, in Freiburg und München habe es solche Beispiele gegeben. „Ich will eine wikrliche Machbarkeitsstudie dazu“, sagte Gerster, und schwärmte: „Stellen sie sich die Möglichkeiten vor!“ Die Theodor-Heuss-Brücke könne dann eine echte Fußgänger- und Nahverkehrsbrücke werden, die Kaiserstraße und Rheinachse zum Park mitten in der Stadt. „Dann hätten wir den Platz für eine echte Landesgartenschau, und nicht eine, bei der bestehenden Parks umgewandelt werden“, fügte Gerster hinzu.
Die Grünen wollen nun ihre Kandidatin offiziell am 22. Juni auf einem Parteitag nominieren, bei der CDU ist das nicht nötig, da Gerster bereits Mitglied in der Mainzer Partei und dem Stadtrat ist. Die Wahl der neuen Dezernentin oder des neuen Dezernenten soll dann am 13. Juli auf einer Sondersitzung im Mainzer Stadtrat erfolgen.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Grünen-Kandidatin Steinkrüger lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&, mehr zu Gerster und seiner Kandidatur gegen Eder im Jahr 2019 könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Die Geschichte um den Rückzug des Mainzer FDP-Wirtschaftsdezernenten Christopher Sitte vor seiner Wiederwahl und die Wahl von CDU-Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz lest Ihr hier bei Mainz&.