Der 88. Mainzer Weinmarkt ist Geschichte, die Bilanz fällt zufrieden bis euphorisch aus. Von wahren Besucheranstürmen spricht der Veranstalter Mainzplus Citymarketing, allerdings betraf das vor allem die Samstage – nicht immer herrschte Gedränge auf dem Weinmarkt. Bei den Winzern herrschte denn auch gemischte Zufriedenheit, manche berichteten: Das Geld sitzt nicht mehr so locker. Da war es besonders schade, dass von Seiten der Ordnungsdienste die Schlusszeiten gerade an den Wochenende rigoros durchgesetzt wurden: „Schluss mit lustig beim Mainzgefühl?“, fragt Mainz& in einem Kommentar.

Der Mainzer Weinmarkt 2024: Entspannter Genuss am Eröffnungstag. - Foto: gik
Der Mainzer Weinmarkt 2024: Entspannter Genuss am Eröffnungstag. – Foto: gik

Der 88. Mainzer Weinmarkt stand unter besonderer Beobachtung, war es doch – gemeinsam mit dem Dürkheimer Wurstmarkt – das erste große Volksfest nach dem Terroranschlag von Solingen Ende August. Die Polizei werde besonders präsent sein auf den Festen, um Sicherheit zu vermitteln, und die Augen offen zu halten, hatte Innenminister Michael Ebling (SPD) im Vorfeld der Feste versprochen. Subjektiv gesprochen, war davon nicht viel zu sehen: An drei Abenden im Volkspark ist zumindest der Mainz&-Reporterin keinerlei verstärkte Polizeipräsenz begegnet.

Bei der Mainzer Polizei versichert man derweil, es hab eine verstärkte Präsenz und Aufmerksamkeit der Einsatzkräfte auf dem Weinmarkt gegeben. Nötig wurde sie nicht: Von Tausenden friedlich und fröhlich feiernder Menschen und zwei insgesamt ruhigen Wochenenden schwärmte die Polizei in ihrer Abschlussbilanz, allerdings hätten dann doch Einige „sich nicht an Regeln gehalten und das schöne Erlebnis vieler geschmälert.“

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Aggressive Pöbler, eine Schlägerei und ein entblößter Penis

So kam es auf der RPR-Bühne am Mainzer Platz zu einem höchst unappetitlichen Vorfall, als sich ein Mann vor der Bühne entkleidete, und einer jungen Frau sein Glied zeigte. Andere Personen stellten sich dem Bericht zufolge dazwischen, schützten die Frau und verständigten die Polizei. Der Mann wurde aber zunehmend aggressiv und erhielt schließlich einen Platzverweis und eine Strafanzeige.

Die Mainzer Stadtsoldaten ließen mit Salutschüssen zum Abschluss den einen oder anderen erstaunt aufhorchen. - Foto: gik
Die Mainzer Stadtsoldaten ließen mit Salutschüssen zum Abschluss den einen oder anderen erstaunt aufhorchen. – Foto: gik

Am frühen Samstagmorgen um 01.30 Uhr des zweiten Wochenendes eskalierte zudem eine Auseinandersetzung innerhalb einer etwa 30-köpfigen Personengruppe: Dort versprühte eine Person aus der Gruppe Pfefferspray, insgesamt wurden acht Personen verletzt. „Die Stimmung zwischen diesen Personen war hochaggressiv und richtete sich auch gegen die insgesamt 14 Einsatzkräfte“, heißt es weiter. Zwei Personen mussten deshalb gefesselt werden, alle erhielten einen Platzverweis.

Am zweiten Weinmarkt-Wochenende habe es zudem einige Einsätze wegen alkoholisierter Personen gegeben, die andere belästigten, Weinfässer umwarfen und sich nicht vom Rettungsdienst behandeln lassen wollten – diese hätten „die rundum gute Stimmung beeinträchtigt“, rügte die Polizei.  Am ersten Weinmarkts-Wochenende war es bereits zu Pöbeleien von zwei Personen gegen andere Gäste gekommen, die Pöbler wurden des Festgeländes verwiesen.

Dazu wurde ein Diebstahl aus der Kasse eines Standes gemeldet, ein 3-jähriges Mädchen seinen Eltern zurückgegeben. Am zweiten Weinmarkt-Wochenende wurden zudem mehrere Fahrraddiebstähle gemeldet, zu denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte: Nach Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses durch einen Ermittlungsrichter wurden mehrere Fahrräder in Mainz-Laubenheim aufgefunden, bereits bekannte Geschädigte werden durch die Polizei informiert.

Besucheranstürme an den Samstagen

Am Sonntagabend führten zudem gegen 21.40 Uhr die traditionellen Salutschüsse zum Abschluss des Weinmarktes zu Irritationen auf dem Gelände – auch bereits gegen 21.00 Uhr war ein solcher Schuss zu hören und sorgte für fragende Mienen der Besucher. Auch beim Notruf meldeten sich Anrufer deswegen, die Polizei habe deshalb dann vorsorglich das Gelände bestreift, um echte Schüsse definitiv auszuschließen. Der Weinmarkt endete planungsgemäß gegen 0.00 Uhr am späten Sonntagabend.

Eröffnung des Mainzer Weinmarktes 2024 mit den Chefs von Mainzplus Citymarketing, Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) und der rheinhessischen Weinmajestät. - Foto: gik
Eröffnung des Mainzer Weinmarktes 2024 mit den Chefs von Mainzplus Citymarketing, Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) und der rheinhessischen Weinmajestät. – Foto: gik

Ein begeistertes Fazit zog auch die Mainzplus Citymarketing: Man habe an beiden Wochenende „regelrechte Besucheranstürme“ verzeichnet, insgesamt seien an den acht Tagen rund 295.000 Besucher gekommen – eine deutliche Steigerung zum Vorjahr um mehr als sieben Prozent. Einen neuen Verkaufsrekord habe es bei der beliebten Schlenderweinprobe gegeben, auch das erstmals angebotene Kulinarik-Ticket – inklusive vier Speisen zum Probieren – habe sich großer Beliebtheit erfreut.

„Wir freuen uns, dass unser Weinmarkt-Konzept, in dem wir Tradition und neue Akzente kombinieren, auch in diesem Jahr so gut angenommen wurde“, sagten die Mainzplus-Chefs Katja Mailahn und Marc André Glöckner: „Der Weinmarkt trägt wesentlich zu unserem Ziel bei, Menschen nach Mainz zu bringen.“ Auch die Hotellerie sei an den Weinmarkt-Wochenenden stark gebucht gewesen.

„Der Mainzer Weinmarkt gehört zu den schönsten Festen in unserer Stadt und ist nicht nur bei Einheimischen, sondern auch bei Gästen von Nah und Fern beliebt“, freute sich auch Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos): „Hier lebt das pure Mainzgefühl – ein friedliches Miteinander, gute Stimmung und vielfältiger Genuss.“

Rigoroses Durchsetzen der Schließzeiten stößt auf Unverständnis

Der Besucherandrang zeigte sich indes über die Weinmarkt-Tage durchaus unterschiedlich verteilt. So litt der Eröffnungs-Donnerstag stark unter dem gleichzeitig stattfinden Firmenlauf in der Innenstadt, der sonst immer später im September platziert gewesen war. Am Abschluss-Sonntag wiederum sorgte ein heftiges Gewitter samt Temperatureinbruch für deutlich weniger Gäste, hingegen drängten sich vor allem an den beiden Samstagen die Besuchermassen im Stadtpark. Das führte prompt zu langen Schlangen an den Essensständen, die Mainzer und ihre Gäste nutzten die letzten lauen Sommerabende ausgiebig, um den Wein und das gute Leben unter den alten Bäumen zu feiern.

Kehraus am letzten Sonntag: Viele Besucher blieben wegen Gewittern und Regen zuhause. - Foto: gik
Kehraus am letzten Sonntag: Viele Besucher blieben wegen Gewittern und Regen zuhause. – Foto: gik

Umso mehr stieß bei den Besuchern auf Unverständnis, dass auch an den Samstagabenden der Ausschankschluss um 1.00 Uhr von Security-Mitarbeitern geradezu rigoros durchgesetzt wurde: Bereits um zwei Minuten nach 1.00 Uhr forderten Ordnungsleute Mitarbeiter an Weinständen massiv dazu auf, ihren Ausschank zu stoppen, und die Läden zu schließen, wie diese Zeitung selbst beobachten konnte – und das, obwohl noch Hunderte friedlich genießender Menschen gerne länger den wunderbaren Abend genossen hätten.

„Warum müssen die denn jetzt schon schließen“, wunderte sich denn auch ein Besucher, durchaus verärgert – das sei doch überhaupt nicht nötig. Tatsächlich gehörten in früheren Jahren lange, laue Weinnächte im Mainzer Stadtpark bis 3.00 Uhr morgens durchaus zum Normalzustand des Mainzer Weinmarktes, die rigiden Schließungen dämpften die zauberhafte Stimmung erheblich – auch Gastronomiebetreiber waren durchaus nicht glücklich über das unentspannte Vorgehen der Ordnungskräfte.

Die Bilanz bei den Winzern war denn auch durchaus durchwachsen: Während die einen vom „besten Weinmarkts-Samstag ever“ sprachen, berichteten andere, bei ihnen sei am gleichen Tag der Besuch eher verhalten gewesen. „Den Leuten sitzt das Geld nicht mehr so locker in der Tasche“, berichteten gleich mehrere Winzer gegenüber Mainz&. Das bedeute nicht, dass man einen schlechten Markt gehabt habe, aber der Unterschied zu früheren Jahren sei deutlich merkbar gewesen: „Angesichts von Krisen und Kriegen halten die Menschen ihr Geld mehr zusammen“, schilderte ein Winzer seinen Eindruck.

Kommentar&: Schluss mit lustig beim Mainzgefühl?

Gerne redet man in Mainz vom tollen „Mainzgefühl“, von Genießen und Feiern – und dann kehrt man die Gäste zwei Minuten nach Dienstschluss rigoros vom Fest. So fühlte es sich an am ersten Weinmarkts-Samstag, es war definitiv ein Misston in dem so zauberhaften Weinmarkts-Wochenende: Warme Sommernächte, entspannte Menschen, Abhängen und Klönen unter uralten Bäumen oder auch Abfeiern vor einer der Bühnen.

Mainzer Weinmarkt 2024, erster Samstag, 1.09 Uhr: Schluss mit lustig - auch wenn noch Gäste genügend da sind. - Foto: gik
Mainzer Weinmarkt 2024, erster Samstag, 1.09 Uhr: Schluss mit lustig – auch wenn noch Gäste genügend da sind. – Foto: gik

Der Mainzer Weinmarkt 2024 war fraglos ein Erfolg, er hatte sogar einen besonderen Zauber: Das perfekte Wochenende am Ende eines durchaus durchwachsenen Sommers. Eine Oase in den da draußen so unfriedlichen Zeiten, ein letzter Moment des puren Sommergenusses. Da fragt sich Mensch aber dann auch: Wieso muss das derart spaßbefreit abgeschnitten werden? Warum kann man nicht denen, die es doch so gerne noch genießen wollen, nicht die Freiheit geben, ihrem Genuss noch einem Stündchen länger zu frönen? In die Sommernacht hineinzugleiten – anstatt rüde des Platzes verwiesen zu werden?

Was nur ist aus den schier endlosen Weinmarkt-Nächten geworden, an denen wir noch bis 4.00 Uhr in der Früh um den Brunnen saßen oder im Grase liegend die Sterne zählten? Der Winzer hatte da längst irgendwann dicht gemacht, uns zuvor aber noch die Restflaschen hingestellt – und Schluss war dann, wenn keiner mehr da war. Was ist aus diesem „Mainzgefühl“ geworden – und vor allem: Warum? Wer Gäste hat, sollte dankbar sein – und sie nicht vertreiben. Dann kommen sie nämlich auch, wenn das Geld nicht mehr ganz so locker sitzt…

— Ein Kommentar von Mainz&-Chefredakteurin Gisela Kirschstein–

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