Es ist ja schon eine kleine Tradition: Am 1. Juni feiert die Unsichtbare Römergarde in Mainz das Fest zu Ehren der antiken Göttin Carna. Da passt es, dass in diesem Jahr zur Ehrensenatorin eine Mainzer Forscherin gekürt wird, deren Arbeit Einblicke tief in die Geschichte der Menschheit gewährt: die Mainzer Archäobotanikerin Margarethe König. Die spielte erst kürzlich eine entscheidende Rolle für den Nachweis der ersten römischen Weinkelter in Odernheim am Glan – und damit für qualitativ hochwertige Weinproduktion vor den Toren der Great Wine Capital Mainz. Grund genug zu Feiern – natürlich bei einem guten Glas Wein. Der sah zur Zeit der Römer allerdings deutlich anders aus als heute.

Abbildungen der Göttin Carna in Statue und per Münze. - Foto: IRM Mainz
Abbildungen der Göttin Carna in Statue und per Münze. – Foto: IRM Mainz

Es war um das Jahr 1920, als in der Badergasse in Mainz eine Bronzestatue der Göttin Carna gefunden wurde: Die antike Göttin galt bei den Römern als Schutzgöttin des Herzens und der Gesundheit, aber auch der Eingeweide und der Verdauung – ihr Markenzeichen: die durchaus verdauungsfördernden Bohnen. Keine Frage, dass das Fest zu Ehren der Göttin ebenfalls im Zeichen der Hülsenfrüchte stand, die in der Antike ein wichtiges Grundnahrungsmittel waren: Immer am 1. Juni wurden die „Carnarien“ zu Ehren der Göttin gefeiert.

Vor drei Jahren ließ die Initiative Römisches Mainz (IRM) gemeinsam mit der Unsichtbaren Römergarde die „Carnarien“ im modernen Mainz wieder aufleben, seither steht auch hier der 1. Juni ganz im Zeichen von Gesundheit und Wohlbefinden der Eingeweide: „Die Carnarien werden seit 2000 Jahren am 1.  Juni gefeiert, es war das Bohnenfest“, sagt Christian Vahl, Vorsitzender der IRM: „Bohnenpüree mit Speck galten als gut für die Verdauung, und Bohnen wurden im alten Rom ab Anfang Juni geerntet.“

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Würze im Wein in der Antike: Fenchel, Anis – und Asche

Es war überhaupt die Zeit des Überflusses; Auch die ersten Oliven der neuen Ernte vom März standen dann zur Verfügung, auch musste in den Kellern Platz für die nächste Weinernte geschaffen werden – ein Fest war die beste Form, Keller zu leeren und im Überfluss zu schwelgen. Dabei kannten auch die Römer bereits Methoden, Weine länger haltbar zu machen, auch wenn die uns heute vielfach gruselig vorkommen: So wurden unter anderem Asche, Gips und Salz zur Verlängerung der Haltbarkeit zugesetzt, wie man bei der Uni Leipzig weiß.

Grafik Wein in der Antike vom Leipziger Institut für Kunstpädagogik. - Grafik: GKO Uni Leipzig
Grafik Wein in der Antike vom Leipziger Institut für Kunstpädagogik. – Grafik: GKO Uni Leipzig

Überhaupt würden Weine aus der Antike für unsere Gaumen heute wohl als weitgehend ungenießbar gelten: „Im 1. Jahrhundert nach Christus galt der bernsteinfarbene Falerner als beliebtester Wein überhaupt, von der Westküste Italiens stammend war er für seine Süße und einen intensiven Geschmack berühmt“, berichten die Leipziger Forscher. Andere Weine hingegen waren stark säuerlich oder gar bitter – etwa Massenweine aus Ligurien -, solche Weine mussten mit Gewürzen und viel Zusatz von Honig oder anderer Süße überhaupt erst trinkbar gemacht werden.

Gewürzt wurde unter anderem mit Honig, aber auch mit Fenchel, Ingwer, Anis oder Quitten, auch Kräuter wie Minze, Wacholder oder Borstengras fanden sich in den Weinen wieder. Dazu wurde der Wein vielfach eingedickt, vor dem Verzehr dann wiederum mit Wasser verdünnt. Entsäuert wurde mit Calciumcarbonat, die Haltbarkeit oft mit Harzen erhöht – die Geschmacksnoten dürften interessant gewesen sein.  Dass antike Weinrezepte auch heute noch schmecken können, beweist indes jedes Jahr auf dem Mainzer Weihnachtsmarkt das Ingelheimer Weingut Huf – mit einem Würzwein nach original römischem Rezept.

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Erste römische Weinkelter am Glan, Nachweis Dank Archäobotanik

Weinreben dürfte es entlang des Rheins übrigens schon vor den Römern gegeben haben, auch bei den Kelten vermuten Forscher inzwischen die Nutzung von wilden Weintrauben zur Weinbereitung. Doch fraglos waren es die Römer, die mit ihren Militärlagern und ihrer Alltagskultur auch die professionelle Herstellung von Wein in großem Stil mit an den Rhein brachten, und hier ganze Weingüter errichteten. Bekannt war das bisher vor allem für die Mosel und die Pfalz, nun wurde die Profi-Herstellung von Wein erstmals auch für den Raum Rheinhessen-Nahe nachgewiesen: Im April 2024 wurden bei Bauarbeiten für ein Wohnhaus in Odernheim am Glan mehrere Kellerräume gefunden, die sich als Überreste einer antiken Weinkelter entpuppten.

Rekonstruktion einer römischen Weinkelter. Grafik: Gutachten Matheus
Rekonstruktion einer römischen Weinkelter. – Grafik: Gutachten Matheus

„Es bestand die vage Vermutung, auf einem Baugrundstück könnten die Reste einer römerzeitlichen Weinkelter gefunden worden sein“, berichtet der Mainzer Historiker Michael Matheus, Ehrenvorsitzender des Instituts für Geschichtliche Landeskunde Rheinland-Pfalz, und Experte für die Geschichte ländlicher und städtischer Siedlungen – inklusive des Weinbaus. Bei der Landesarchäologie hatte man offenbar zuerst die Mauern für die Reste einer römischen Badeanlage gehalten, in einem Gutachten kam Matheus schnell zu einem anderen Ergebnis: Die Konstruktions- und Baubefunde der Anlage, aber auch etliche Details wie ein möglicher Kelterstein, Trittstufen sowie Funde in einem Becken legten schnell den Schluss n ah, dass hier einst eine Weinkelter stand.

Entscheidenden Anteil an der zweifelsfreien Identifizierung der Mauerreste als Weinkelter aber hatte eine Mainzer Forscherin: Margarethe König, Akademische Direktorin  am Institut für Vor- und Frühgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist Expertin für Archäobotanik, also die Wissenschaft frühgeschichtlicher Pflanzenreste. Ihr Metier sind Samen, Körner und Kerne, sie geben Auskunft, was gehandelt und was angebaut wurde., was auf den Tisch kam – und welche Pflanzen die Römer importierten. Denn die Römer hatten wohl nicht nur Weinreben aus dem Mittelmeerraum im Gepäck, sondern auch Walnuss und Esskastanie, führte König einmal in einem Interview mit dem JGU-Magazin aus.

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Expertin für Archäobotanik wird geehrt: Margarethe König

Seit 2006 forscht König in Mainz, am römischen Gräberfeld im Mainzer Stadtteil Weisenau fand sie Kerne von Oliven, Datteln und Feigen – mit großer Sicherheit Importware der Römer. „Die Römer importierten das, was die Soldaten zu essen gewohnt waren. Denn nur mit einer trockenen Gerstengrütze konnten sie einem Legionär vom Mittelmeer nicht kommen“, berichtet König. Schon vor 2.000 Jahren also war Mainz ein Hotspot exotischer Essenskultur, ein Schmelztiegel verschiedener Küchen, die sich auch aus dem multikulturellen Hintergrund der Legionäre und Hilfstruppen der Römer speiste.

Speisen zu Ehren der Göttin Carna: Oliven, Schafskäse und Brot. - Foto: gik
Speisen zu Ehren der Göttin Carna: Oliven, Schafskäse und Brot. – Foto: gik

In Sachen Weinkelter am Glan war es König, die in Matheus‘ Bodenproben mehrere Traubenkernfragmente sowie ein Perlenstielchen identifizierte, „damit ist auch der archäobotanische Beleg erbracht, dass es sich in Odernheim am Glan um eine Weinkelter handelt“, betont Matheus. Bei der Gesellschaft für Geschichte des Weins (GGW) spricht man seither von einer Sensation: Zum ersten Mal sei nun der Nachweis für die „bisher nicht zu beweisende Vermutung gelungen, dass die Römer auch in der näheren Umgebung von Mainz, nicht nur im Rheintal, sondern auch an den Nebenflüssen Nahe und Glan Weinbau betrieben haben“, heißt es dort: Das sei ein enorm spannender Fund für die Weinbranche, für Weinkulturfreunde – und für den Weintourismus an Rhein, Nahe und Glan.

Die erste Ehrung dafür wird Margarethe König nun am kommenden Sonntag zuteil: Bei den Canarien soll König zur Ehrenenatorin der Unsichtbaren Römergarde ernannt werden, Vorgänger waren der Vorsitzende des Mainzer Automobilclubs, Oliver Sucher, der Journalist Bernd Funke sowie Ex-Kulturdezernent Peter Krawietz. Königs archäobotanische Arbeit habe die Forschung gerade auch im Bereich des Römischen Erbes von Mainz „nachhaltig vorangebracht und befruchtet“, begründete Vahl die Wahl der diesjährigen Ehrensenatorin.

Laudator für die neue Ehrensenatorin: Gerd Krämmer, Gründungsvater der Initiative Römisches Mainz, hier bei den Carnarien 2023. - Foto: gik
Laudator für die neue Ehrensenatorin: Gerd Krämmer, Gründungsvater der Initiative Römisches Mainz, hier bei den Carnarien 2023. – Foto: gik

Das Fest findet bei seiner vierten Ausgabe erneut im Weingut Landenberger in der Mainzer Neustadt statt, im vergangenen Jahr hatte die URM im Ollohof gefeiert. In diesem Jahr kehren die Carnarien also passend zum Thema Wein zurück in das Weingut in der Adam-Karillon-Straße, von 17.ß00 Uhr bis 19.00 Uhr dreht sich dann alles rund um „Fake und Fakten zum Weingenuss.“ Neben der Ehrung Königs gibt es eine Einführung in römische Musik des Musikarchäologen Hagen Pätzold, einen Einwurf des Mainzer Karikaturisten Klaus Wilinski in Sachen Reblaus sowie Musik vom Trio Aeterna. Die Laudatio hält Gerd Krämmer.

Das Schlusswort ist dem Ex-Landesarchäologen Gerd Rupprecht vorbehalten, für die Gäste gibt es neben holdem – und vor allem modernem – Rebensaft nach römischer Tradition Brot, Käse, Bohnen, Oliven und Speck. Gut, dass schon bei den Römern der Genuss des holden Rebensaftes Alltag und für alle da war, auch für Sklaven, wie Jean-Pierre Brun einmal in der Zeitschrift Spektrum schrieb – mehr noch: „Ein altes Verbot, wonach angesehenen Frauen der Weingenuss verboten war, wurde gegen Ende der Republik, um 27 vor Christus, aufgehoben.

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht über den Fund der römischen Weinkelter am Glan lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zur Tradition der Carnarien, und warum sie die Unsichtbare Römergarde wiederbelebt hat, lest Ihr hier auf Mainz&. Wer mitfeiern will: Der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird aber unter der Email-Adresse irm.medicom@gmail.com gebeten.