Seit zwei Wochen hat die Schule in Mainz wieder begonnen, nun warnt die CDU eindringlich vor zu vollen Bussen im morgendlichen Schul- und Berufsverkehr: Es mehrten sich Meldungen von überfüllten Bussen und dichtem Gedränge, überfüllte Schulbusse würden aber ein hohes Infektionsrisiko bergen – das sei eine Gefahr für die Schüler, aber auch die Berufstätigen auf dem Weg zur Arbeit, kritisierte die CDU-Opposition – und schlägt deshalb vor, Schulanfangszeiten stärker zu entzerren. Bei der Mainzer Mobilität prüft man derweil die Möglichkeit, mehr Schulbusse einzusetzen, noch ist das allerdings nicht der Fall.
Das Thema führte am Freitag im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch im Plenum, die CDU hatte einen Antrag eingebracht und das Land aufgefordert, die Zahl der Stehplätze in Schulbussen so schnell wie möglich zu reduzieren. Ziel müsse sein, jedem Kind im Schulbus einen Sitzplatz zur Verfügung stellen zu können. „Es muss so schnell wie möglich sichergestellt werden, dass die Hygienemaßnahmen auch in Schulbussen greifen können“, betonte CDU-Generalsekretär und Mainzer Stadtrat Gerd Schreiner im Vorfeld der Debatte: „Das sind wir alle doch der Gesundheit unserer Kinder und den Familien schuldig.“
Das Land lasse die Landkreise und kreisfreien Kommunen aber mit der Aufgabe alleine, hatte die CDU im Vorfeld weiter kritisiert. Die Landesregierung wies das erwartungsgemäß zurück: „Jeder Stehplatz geht auf eine Entscheidung der Kommunen zurück“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), „es ist falsch, den Anschein zu erwecken, die Kommunen hätten nicht heute schon die Möglichkeit, die Stehplätze zu reduzieren.“ Wissing hatte am 20. August die Einrichtung einer landesweiten Bus-Börse angekündigt, hier sollen rund 250 Busse als Reserve den Kreisen zur Verstärkung iohrer Schülerverkehre zur Verfügung stehen.
Dabei handele es sich hauptsächlich um Reisebusse, die aufgrund des Einbruchs im touristischen Verkehr derzeit nicht im Einsatz seien, teilte Wissing weiter mit. Das Land übernimmt allerdings nur 90 Prozent der anfallenden Kosten, was wiederum für scharfe Kritik der CDU sorgte: Das Land müsse die Kosten zu 100 Prozent übernehmen, forderte Schreiner. Das Land sei in der Pflicht, die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzugrenzen und die Schüler zu schützen, betonte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf – und überhaupt komme die Initiative des Landes viel zu spät: “Das neue Schuljahr ist nicht vom Himmel gefallen“, kritisierte er.
Es sei doch „lange bekannt, dass Zehntausende Schüler mit Bussen zur Schule gebracht werden müssen“, betonte Baldauf: „Aber in der Landesregierung merkt man erst jetzt, dass das unter Corona-Bedingungen ein Problem ist.“ Offenbar habe man „die Sommerferien verschlafen.“ Die CDU hatte deshalb im Vor-Landtagswahlkampf am Freitag eine Plakatkampagne unter dem Titel „Schüler sind keine Sardinen“ gestartet, um auf die Probleme mit den überfüllten Bussen hinzuweisen.
Auch in Mainz berichten Eltern von überfüllten Bussen am Morgen, Eltern hätten berichtet, dass die Kinder teilweise dicht gedrängt in den Gängen gestanden hätten, berichtete die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel. An vielen Schulen brächten die Eltern deshalb derzeit ihre Kinder lieber mit dem Auto zur Schule. „Im Herbst werden bei schlechter Witterung wieder mehr Kinder auf die Schulbusse umsteigen, wodurch die Auslastung noch weiter zunehmen wird“, warnte der Mainzer CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig weiter. Deshalb müsse bei der Stadt Mainz und bei den Verkehrsbetrieben jetzt gehandelt werden.
Bei der Mainzer Mobilität heißt es auf Anfrage, derzeit seien nicht mehr Busse am Morgen unterwegs als normal – in Mainz wird der Schulbusverkehr nicht durch Sonderbusse, sondern mit dem regulären Linienverkehr abgedeckt. „Im Gegensatz zum Schulanfang 2019 sind aktuell aber nur etwa 60 Prozent der Fahrgäste unterwegs“, sagte Unternehmenssprecher Michael Theurer. Offenbar wichen viele Beruftstätige, aber auch Eltern noch immer auf das Auto aus, viele nutzten das Fahrrad, dazu herrschten derzeit noch Semesterferien, so dass auch weniger Studierende den ÖPNV nutzten.
„Es ist aktuell im Durchschnitt weniger eng in den Bussen und Straßenbahnen als früher“, betonte Theurer. Dennoch könne natürlich nicht auf jeder Linie im morgendlichen Berufsverkehr ausgeschlossen werden, dass es nicht auch mal vollere Fahrzeuge gebe. Wenn man Hinweise auf massive Engpässe bekomme, „prüfen wir das und versuchen Lösungen zu finden“, betonte er. Die Mainzer Mobilität begrüße zudem die Initiative des Landes mit der Bus-Börse von rund 250 Fahrzeugen.
„Wir haben diesbezüglich bereits Kontakt mit dem Land aufgenommen, um zu klären wieviele Fahrzeuge für Mainz in Frage kommen könnten“, sagte Theurer weiter. Dabei müsse allerdings berücksichtigt werden, dass diese Reisebusse nicht einfach eins zu eins im normalen Linienverkehr eingesetzt werden könnten. Denkbar seien aber Entlastungsfahrten auf stärker belasteten Linien oder E-Busse für spezielle Fahrten zu bestimmten Schulen, das müsse aber erst noch geprüft werden.
Zudem stellt die Mainzer Mobilität zur Stärkung des Schulverkehrs ab Montag, 31. August bis voraussichtlich zum Ende der Herbstferien den Betrieb der Straßenbahnlinie 59 zwischen Hochschule und Zollhafen ein. Der Betrieb der Linie 59 war erst am 17. August wieder aufgenommen worden, die Fahrzeuge hätten aber in der ersten Schulwoche nur eine geringe Auslastung gehabt, hieß es weiter. Vor allem im Bereich des Uni-Campus sei mit einer steigenden Nachfrage erst Anfang November mit dem Start des neuen Wintersemesters zu rechnen. Durch die Einstellung der wenig genutzten Linie 59 würden Ressourcen frei, die unter anderem zur Unterstützung des Schulverkehrs genutzt werden könnten.
Im Kreis Mainz-Bingen heißt es derweil, man arbeite intensiv daran, die Situation auf den besonders belasteten Schulbuslinien zu entschärfen. Viele Eltern hätten um Abhilfe gebeten, man versuche jetzt „unser Bestes, um die Situation zu verbessern“, sagte Landrätin Dorothea Schäfer (CDU). Derzeit würden die betroffenen Strecken ermittelt, über die Busbörse sollten dann so schnell wie möglich weitere Fahrzeuge geordert und eingesetzt werden.
Die Mainzer CDU schlägt zudem vor zu prüfen, ob nicht die Schulanfangszeiten stärker entzerrt werden können. „Würde der Schulbeginn versetzt getaktet, könnten sich die Schüler automatisch auf mehr Busse verteilen“, sagte Flegel. Damit könnten die Abstandregelungen eher eingehalten werden, dazu würden dann sicher auch „wieder mehr Berufstätige in den Bus einsteigen und nicht mehr mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren“, sagte Flegel. Und schließlich würde eine Entzerrung der Anfangszeiten auch den Hol- und Bringverkehr vor Schulen zu Stoßzeiten deutlich reduzieren und damit zu weniger Staus führen. „Ein solcher Schritt wäre also nicht nur aus gesundheitspolitischer, sondern auch aus ökologischer Sicht äußerst sinnvoll“, fügte Flegel hinzu.
Bei der Mainzer Mobilität teilte man dazu auf Mainz&-Anfrage mit, es habe zu dem Thema bereits im Frühsommer auf Initiative der Stadt, des Landes und der MVG Gespräche mit den Schulen gegeben. „Im Vergleich zur „Vor-Corona-Zeit“ machen inzwischen hier mehr Schulen mit“, sagte Theurer – wie viele Schulen in Mainz das sind, war aber am Freitag von der Stadt Mainz nicht zu erfahren. Die MVG begrüßen die Schritte „ausdrücklich, da es uns sehr hilft, wenn sich die Nachfrage nicht komplett auf die Zeit zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens ballt“, sagte Theurer weiter. Es gebe aktuell auch weitere Gespräche zu diesem Thema.
Die Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Mediziner fordern schon lange, den Schulbeginn in Deutschland auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Mit einem Schulbeginn um 9.00 Uhr erbrächten Schüler nachweislich bessere Leistungen, weil sie im Unterricht ausgeschlafener und konzentrationsfähiger seien, sagt etwa der Chronobiologe Hans-Günther Weeß: „Deutschland steht zu früh auf“. Immer wieder hatte es deshalb Anläufe für einen späteren Schulbeginn oder eine Entzerrung der Anfangszeiten gegeben – bislang war das aber immer an zwei Faktoren gescheitert: An zu unflexiblen Arbeitgebern – und daran, dass die Verkehrsunternehmen bisher immer behaupteten, ein späterer Schulbeginn sei in Sachen Schülerbeförderung nicht umsetzbar.
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