Noch 99 Tage – dann ist Aschermittwoch, bekannte Bernhard Knab im Gewand des Narren. Die Erkenntnis war erschütternd: Die Narrenzeit wird immer kürzer, der sogenannte Ernst der politischen Realität dafür immer länger und irrwitziger also: Lasset die Spiele beginnen! Carpe Diem, hätte das heimliche Motto der Saturnalien 2025 lauten können: Die Narrenzeit ist das, was dem Leben Würze gibt – und Witz und Frohsinn sowieso. Bei der „Unsichtbaren Römergarde“ kommen noch viel Klartext in Richtung Politik, echter Meenzer Kokolores und schwungvolle Musik dazu. „Wer hat das Rezept der Mainzer Fastnacht versteckt?“, fragte Christian Vahl. Nun, hier konnte man es durchaus finden.

Bunte Narretei im Grünen Kakadu: Die Unsichtbare Römergarde lud zu den Saturnalien. - Foto: gik
Bunte Narretei im Grünen Kakadu: Die Unsichtbare Römergarde lud zu den Saturnalien. – Foto: gik

Zum fünften Mal lud die „Unsichtbare Römergarde“ am 11.11. zur Römischen Fastnacht, und wieder einmal wurde weder am Jubel noch an klaren Narrenworten gespart. „In einer Ehe seien fünf Jahre ja „die hölzerne Hochzeit“, sagte die Präsidentin der Unsichtbaren Römergarde, Kathrin Dohle, die erneut mit gereimter Moderation durch den Abend führte. Die „hölzerne Hochzeit“, das stehe für Stärke, Wachstum und tiefe Wurzeln. „Das passt ganz wunderbar“, fand Dohle: „Die Unsichtbare Römergarde will sich in der Fastnacht verwurzeln, aber ohne hölzern zu sein.“

Nein, hölzern ist wahrlich nichts, wenn sich die Streiter für das Römische Mainz im Grünen Kakadu zur Fassenacht nach altem Brauch treffen. Dafür sorgte schon gleich zu Beginn Nadine Meurer als Rheinwein-Wirtin, die den Saal mit einer wunderschönen Fastnachts-Samba und einer Ode auf Mainz gleich mit viel Mainzgefühl füllte. „Endlich wieder Fastnacht“, sangen auch die Altrheinstromer, und hatten mit „Ei gude, wie?“ auch gleich ein neues Lied im Gepäck: Einen echten Meenzer Gruß mit viel Schwung und Pfiff. Ein kleines Highlight in diesem Jahr: Das zauberhafte Ballett der Mainzer Kleppergarde, das mit ganzen sechs Akteurinnen auf der winzigen Bühne die Fastnacht hereintanzte.

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Bernhard Knab und der Bürgerunmut: „Viel zu viel vergeigt“

Ja, die Fastnacht ruft, und auch das Trio Aeterna gab der Sehnsucht der Narren nach der bunten, der fröhlichen Jahreszeit mit einem wunderschönen neuen Lied Ausdruck: „Es ist so weit“, sagt Kathrin Dohle: „Helau, Helau, es schallt im Wind, wo Menschen froh und närrisch sind. Helau, Helau macht Euch bereit, Fastnacht vereint, jetzt kommt die Zeit!“ Und wie sehr das auch nötig ist, zeigte gleich zu Beginn Bernhard Knab: „Der Bürgerunmut steigt und steigt, es wurde viel zu viel vergeigt“, reimte der Narr am Rednerpult.

Las der Politik gehörig die Leviten: Bernhard Knab als "Narr". - Foto: gik
Las der Politik gehörig die Leviten: Bernhard Knab als „Narr“. – Foto: gik

Seit Jahren ist Knab einer der Redner in der Mainzer Fastnacht, der Klartext spricht und Bürger’s Meinung aus der Bütt in Richtung hohe Politik schleudert. Und in diesem Jahr hat Knab wahrlich alle Hände voll zu tun: Die Weltpolitik wird mit Trump nur kurz gestreift, denn die Schieflage im eigenen Land ist es, die den Narren umtreibt. „Die Inflation nach unten drücke, den Bürger ins Rampenlicht mal rücke“, mahnt Knab, und fragt: „Wer soll denn diese Preis zahlen?“ Über Bundeswehr und Mütterrente werde gestritten, doch wer kümmere sich eigentlich um die Probleme an der Basis?

„Wo steuern wir gerade hin? Welch‘ Lösung kommt uns in den Sinn?“, fragt der Narr zunehmend verzweifelt in Richtung Politik: „Man spricht politisch korrekt, doch Wähler-korrekt wäre dieser Tage: einfach mal die Wahrheit sage!“ Stattdessen werde ein Aufschrei über angeblichen Rassismus inszeniert, analysiert Knab die „Stadtbild“-Debatte: „Das ist der größte Stuss“, schimpft Knab: „Gemeint waren nicht die, die hier seit Generationen leben, die gehören dazu, wie du und ich!“

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„Wahlkampf aus einer Bütt? Ihr Narren, das gehört sich nicht!“

Und er erinnert an die Silvesternacht in Köln vor genau zehn Jahren, wo vor allem junge geflüchtete aus arabischen Ländern regelrecht Jagd auf Frauen machten. „Seitdem diskutiert man, ob man das Kind beim Namen nennt oder es wagt es anzusprechen“, kritisiert Knab: „Dadurch wurde die AfD so groß!“ An jedem Fest und Weihnachtsmarkt, „werden LKW und Poller quergeparkt“, analysiert er: „Vor zehn Jahren gab es so was nicht. Merz Wortwahl war zwar schlecht – im Thema hat er leider Recht.“ Wenn seine Frau sorgenlos durch Bangkok schlendere, aber Angst habe am Mainzer Hauptbahnhof, dann bilanziert der Narr, dann bleibe das Wohl des eigenen Volkes auf der Strecke: „So kanns und darfs nicht weitergehen.“ Das Publikum stimmt mit donnerndem Applaus zu.

Strammstehen für die Bundeswehr? Nicht beim Narren-Protokoll von Gunther Raupach. - Foto: gik
Strammstehen für die Bundeswehr? Nicht beim Narren-Protokoll von Gunther Raupach. – Foto: gik

„Fußball ist wie Politik“, analysiert auch Gunther Raupach: „Es wird nach links und rechts gepasst, doch keiner in die Mitte spielt. Die Politik macht nur die rechte Seite stark. Und wie geht die Geschichte aus? Ruckzuck geht die Luft uns aus.“ Ja, auch der Protokoller der Mainzer Ranzengarde hat wenig Positives aus der Welt der hohen Politik zu berichten, und wie auch Knab nimmt Raupach dazu auch noch die allgemeine Verdummung aufs Korn: Ob Pudding mit der Gabel essen, oder beim „Hobby Dogging“ – das gibt es wirklich! – mit der Leine Gassi gehen, aber ohne Hund – die Welt ist wahrhaft närrisch geworden.

Gebe es dann auch bald „Hobby Drinking“, sagt der Narr, bei dem man also am Schoppeglas nippt, ohne dass etwas drin ist? „Jetzt hört der Spaß aber uff“, schimpft Raupach – das gilt übrigens auch für die neueste Ziehung der Bundeswehr-Lose und erst recht, wenn Narren die Bütt für Partei-Zwecke entfremden: „Ein MCC-ler sprach vor Jahren: Der Mainzer Narr ist stets neutral“, mahnte Raupach: „Wahlkampf aus einer Bütt? Ihr Narren, das gehört sich nicht!“

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Das Rezept der Fastnacht: Medizin gegen Dummheit und Ignoranz

Wenn die Welt Kopf steht, wird die Narretei zur Zuflucht und zum Anker in einer Wahsinns-Welt, und so preist Raupach denn auch das Narrenreich: „Ob Jude, Moslem oder Christ, ein jeder hier Willkommen ist“, spricht der Protokoller: „Drum bau’n wir heut‘, den Sternchen gleich, ein tolerantes Narrenreich.“ Stehende Ovationen belohnten einen echten Narrenstreich, der noch vor der Kampagne bereits rund und Schuss-sicher daher kommt – großes Narrenkino.

Wunderschöne getanzte Fastnacht auf winziger Bühne: Das Ballett der Mainzer Kleppergarde war erstmals bei den Saturnalien zu Gast. - Foto: gik
Wunderschöne getanzte Fastnacht auf winziger Bühne: Das Ballett der Mainzer Kleppergarde war erstmals bei den Saturnalien zu Gast. – Foto: gik

Fast schon komisch, dass im Anschluss die „Fastnachtspolizei“ alias Christian Vahl fragte: „Wer hat das Rezept der Fastnacht versteckt?“ Verstecken tat sich an diesem Abend im Kakadu nun wirklich keine Narretei. Gerd Emrich bestand die elf Aufnahmeprüfungen der Fastnacht natürlich auch mit Leichtigkeit, kalauerte sich durch allerlei Kulinarisches und sang sogar auf Italienisch. Jens Baumgärtner wiederum sezierte erneut als Apotheker die Dummheit der Menschen und die Wahl diverser Heilmittelchen – die beste Medizin: Die Närrische Apotheken-Rundschau.

Doch auch der Lokalkolorit kam nicht zu kurz: „Ich habe ein Gesamtkonzept Verkehr entwickelt, das bisherige Konzept hieß Stau und Blitzer“, bekannt Christian Vahl, und schreib der Mainzer Verkehrsdezernentin ins Buch: „Janinchen, das Problem ist, dass alle die gleichen Straßen benutzen.“ Die Lösung: Verkehrszugänge nach Mainz je nach Berufsgruppe, also die Angler über Hechtsheim, die Jäger über Ebersheim, die Vogelzüchter über den Lerchenberg und die Philosophen und Weisen über Weisenau… Das „Konzept Janina“ sei hingegen zum Scheitern verurteilt, befand der „Fastnachtspolizist“: „Am besten gar keinen Verkehr in Mainz“ – da kämen dann alle unter die Räder.

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Wortdrechseleien, IKEA-Leiden und musikalische Spitzen

Wortgedrechseltes hatte Vahl auch als „Guude vom Bundestag“ im Gepäck, und konstatierte: „Die Grundregeln gehen nicht mehr in die Tiefe“ und „flache Wasser sind tief.“ Nach diesem Motto gehört denn auch denen die Zukunft, die erst den Spaß, dann das Vergnügen, aber niemals die Arbeit suchen. Ergo: „Rentner ist ein Beruf mit Zukunft“, konstatiert Vahl – die würden benötigt, um Opernhäuser und Kreuzfahrtschiffe zu füllen, Funktionskleidung zu kaufen und im Fenster zu liegen. Eine bitterböse Satire auf eine Gesellschaft, in der Arbeit zum Fremdwort und Selbstständige und Unternehmer zu Aliens im Politik-Raumschiff geworden sind.

Musikalischer Streifzug durchs Land der Satire: Die Alternativen Bänkelsänger Wolfgang Heitz und Klaus Eckert. - Foto: gik
Musikalischer Streifzug durchs Land der Satire: Die Alternativen Bänkelsänger Wolfgang Heitz und Klaus Eckert. – Foto: gik

Im Labyrinth von Gelb und Blau verliert sich derweil Christian Campe, der Aktive von der Unsichtbaren Römergarde arbeitet sich mit viel Charme und Bodenständigkeit durch die wunderbare weite Konsumwelt eines schwedischen Möbelhauses, und lässt seine Zuhörer wahrlich mitleiden. Die Leiden der Mainzer im Stau nehmen auch die Alternativen Bänkelsänger aufs Korn und reimen mit Blick auf die neuen Staus vor dem Autobahnkreuz Mainz Süd: „Die Straßenbehörde brilliert – und hat einen Engpass herbei saniert.“

Auf ihrem musikalischen Streifzug durch Weltall und USA kommen die Alternativen Bänkelsänger auch bei der Fastnacht vorbei – und nehmen die Präsidentenwahl beim MCV in den Blick. Die hatte Christian Vahl klar gegen MCV-Amtsinhaber Hannsgeorg Schönig verloren, doch die Bänkelsänger trösten: „Für Fastnacht 11 Stimmen sind Spitze – als Mitglied der Römischen Garde, blieb Christian unsichtbar.“ Standing Ovations gabs am Ende auch für Wolfgang Heitz und Klaus Eckert.

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Römer, Fastnacht, Saturnalien: Wo Gott Satur tanzt

Ja, so sind sie eben bei der Unsichtbaren Römergarde: Da werden Präsidentschaftskandidaten unsichtbar, dafür Römer sichtbar – wie Reiner Müllers, der erneut mit dem Cornu die Alltagsmusik der Römer sichtbar und vor allem hörbare machte. „Lange dachte man, die Römer hätten nur Signalmusik“, berichtete der Experte für römische Militärmusik: „Aber nein, sie haben auch melodisch gespielt – und sie sind laut singend und spielend durch die Stadt gezogen.“

Also doch: Die Fastnacht, sie muss auch schon bei den Römern ihr Wesen getrieben haben – die Wurzeln sind alt, und sie reichen tief. „In Mainz in Mainz, da wird es heiß, wenn Satur‘ singt und lacht“, sang das Trio Aeterna im Vorjahr schon: „Gott Satur lädt uns ein, den Tausch der Rollen einzugeh’n, einmal ganz frei zu sein – denn nur, wer feiert lebt.“ Und genau in diesem Sinne gingen dann auch die V. Saturnalien zu Ende: „Saturn“, meinte Dohle, „wäre auch nach diesem fünften Male stolz gewesen.“

Info& auf Mainz&: Und natürlich gibt es auch in diesem Jahr eine Fotogalerie – bittesehr!