Das Dieselfahrverbot hat am Mittwoch im Mainzer Stadtrat trotz heftiger Kritik eine weitere Hürde genommen, zum 1. Juli will die Stadt Mainz Dieselfahrzeuge der Euronorm 4 und 5 auf der Rheinallee und der Rheinstraße aussperren. Das bedeutet indirekt auch eine Sperrung der wichtigen Theodor-Heuss-Brücke für diese Fahrzeuge, die Wut vieler Autofahrer ist groß. Schon jetzt befürchten Einzelhandel, Handwerker und die Mainzplus Citymarketing erhebliche Probleme für den Wirtschafts- und Messestandort Mainz – doch das Fahrverbot auf der Rheinachse könnte erst der Anfang sein. Es brauche wahrscheinlich ein Fahrverbot in der gesamten Innenstadt, fordert der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, im Interview mit Mainz&. Resch beklagte zudem erneut eine höchst unkooperative Haltung der Stadt Mainz: Hier werde blockiert und getrickst, wie man das bundesweit noch nie erlebt habe.
Frage: Herr Resch, Mainz erlässt zum 1. Juli ein Dieselfahrverbot – zufrieden?
Resch: Das Fahrverbot für schmutzige Diesel kommt Jahre zu spät. Unser Erfolg hat daher einen bitteren Beigeschmack, weil die Menschen in den letzten Jahren unnötig gelitten haben – sie hätten die saubere Luft schon früher haben können.
Frage: Waren Sie in die Entscheidung eingebunden?
Resch: Nein, während wir in den meisten anderen Städten ein konstruktives Arbeitsverhältnis mit Landes- und Stadtregierungen haben, merke ich von Kooperation in Mainz wenig. Anders als andere Städte hat Mainz systematisch auf Zeit gespielt und wesentliche Chancen vertan, Bahn, Bus und Fahrrad ausreichend auszubauen. Es gab ständig neue Gründe, warum sich Untersuchungen und Berichte hingestreckt haben, bis wir gesagt haben: Es reicht uns. Man informiert uns auch seit Jahren nicht vorab über geplante Maßnahmen – das schafft kein Vertrauen in das Bemühen der Stadt für eine ehrliche Verkehrswende in Mainz.
Es geht ja nicht um Formalitäten, hier geht es um Menschenleben, um die Gesundheit von Kindern und Atemwegskranken, die unmittelbar leiden, krank werden und vorzeitig sterben. Und um Politiker, die im zehnten Jahr gegen Europarecht verstoßen. Der Grenzwert für Stickoxid gilt seit 2010 und wird in Mainz noch immer überschritten. Ein streckenbezogenes Dieselfahrverbot hätte sofort zum 1. März verhängt werden können. Das nochmalige Aufschieben bis zum 1. Juli 2020 auf der Rheinachse bedeutet für die Mainzer Bürger weitere vier Monate vergiftete Luft.
Frage: Mainz will ein Fahrverbot allein auf der Rheinachse verhängen – reicht Ihnen das?
Resch: Eigentlich hätte das Fahrverbot auch Teile der Innenstadt umfassen müssen. Wir prüfen derzeit, ob die Maßnahmen genügen, wesentliche Informationen liegen uns allerdings noch gar nicht vor – wie die Frage der Ausnahmen vom Fahrverbot und eine genaue Analyse, welche Ausweichstrecken die 13.000 Diesel-Fahrzeuge nehmen werden, die nicht mehr über die Theodor-Heuss-Brücke fahren.
Frage: Auf den Entlastungsstrecken gibt es aber keine Messstellen…
Resch: Deshalb fordern wir dort weitere kurzfristig zu installierende Passivsammler-Messstationen und werden das auch mit eigenen Messungen flankieren. Das kostet nicht viel, eine Monatsmessung ist mit 20 bis 30 Euro inklusive Auswertung möglich. Mainz sollte sich ein Beispiel an anderen Städten nehmen und ein dichtes Messnetzwerk für die möglichen Ausweichstrecken anlegen. Wir werden die Stickstoffdioxid-Werte sehr genau im Auge behalten. Wenn wir feststellen, dass wir bleibende Grenzwertüberschreitungen an anderen Stellen haben, werden wir eine Ausweitung der Fahrverbote durchsetzen.
Frage: Das Ergebnis ist aber doch, dass die Verbraucher stinksauer sind – auf die Umwelthilfe. Durch das Dieselfahrverbot wird faktisch eine wichtige Brücke gesperrt, aber Alternativen gibt es nicht. Und es ist unklar, ob die Werte durch das Verbot überhaupt sinken.
Resch: Deshalb muss Mainz den betroffenen Menschen helfen, mobil zu bleiben. Durch eine kurzfristige Verbesserung der Angebote im ÖPNV, und indem man ihnen hilft, dass die betrügerischen Autokonzerne vor dem 1. Juli ihre Fahrzeuge mit funktionstüchtigen Katalysatoren nachrüsten. Von Volkswagen und Daimler haben wir ja immerhin die Zusage, dass sie bei von Fahrverboten betroffenen Euro 5-Dieseln bis zu 3.000 Euro der Kosten für eine Hardware Nachrüstung übernehmen. Kommuniziert wird das aber leider viel zu wenig. Wir verstehen die Frustration der Autofahrer, die Schuld trägt aber nicht die Deutsche Umwelthilfe, sondern die Autoindustrie, die über Jahre betrogen hat und die Bundespolitik, die dabei zugeschaut hat und das noch immer tut.
Frage: Die Deutsche Umwelthilfe hatte ja bundesweit 60 Städte verklagt, wie viele Klagen sind denn noch anhängig?
Resch: Wir haben in 39 dieser 60 Städte geklagt und alle bisher ergangenen Gerichtsentscheide gewonnen. Außerdem haben wir in Darmstadt, Essen, Dortmund und Bonn richterliche Vergleiche erzielt und damit eine unmittelbare Rechtswirksamkeit erreicht. Ähnlich in Wiesbaden: da haben wir uns im Rahmen der Gerichtsverhandlung auf ein Maßnahmenpaket mit Hessen und der Landeshauptstadt Wiesbaden einigen können. Auch in Nordrhein-Westfalen verhandeln wir direkt mit Stadt- und Landesregierungen über die Verkehrswende und die notwendigen Maßnahmen.
Frage: Aber was haben Sie denn gewonnen?
Resch: Die Luft in den Städten wird besser, das ist auch Ergebnis unserer Aufdeckung des Abgasskandals. Und wir haben einen richtigen Turbo in die Verkehrswende vieler Städte gebracht. Das Paket der Bundesregierung von 1,5 Milliarden Euro für die saubere Luft steht ja speziell den von uns beklagten Städten für die Luftreinhaltung und zur Förderung des ÖPNV zur Verfügung. Wir wollen die Verkehrswende, es geht um eine Stärkung von Bahn, Bus, Tram und Fahrradinfrastruktur, und um eine Zurückdrängung der Pkws.
Frage: Nur, dass das nicht geschieht. Mainz hat gerade im Dezember einen neuen Fahrplan aufgelegt – mit ganzen 4 Prozent mehr Angebot.
Resch: Das reicht nicht, wir brauchen einen deutlich stärkeren Ausbau, wir brauchen Taktverdichtungen und neue Haltestellen und Linien. Aber es gibt ja nicht nur Autofahrer in Mainz, es gibt auch Menschen, die dort wohnen, die dort arbeiten, und die haben alle ein Recht auf saubere Luft. Mir wird zu wenig über diejenigen gesprochen, die unmittelbar unter den giftigen Dieselabgasen leiden. Genauso wenig wie unsere Behörden vergiftetes Wasser akzeptieren, müssen sie sich endlich für saubere Luft einsetzen.
Frage: Und wie geht es jetzt weiter?
Resch: Das Bundesverwaltungsgericht hat schon im Februar 2018 geurteilt, dass die Grenzwerte spätestens 2019 eingehalten werden müssen, 2020 sei zu spät. Wir werden am 27. Februar dieses Jahres erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht sitzen und die Frage klären, ob man noch weiter warten kann. Ich bin mir sicher, dass wir eine sehr klare und unmissverständliche Antwort bekommen werden, die dann bundesweit ausstrahlt und auch für Mainz gilt. Wir akzeptieren keine weitere Verschiebung auf 2021 oder später.
Schmutzigen Diesel-Fahrzeugen weiter ein ungestörtes Vergiften der Luft zu ermöglichen – so stelle ich mir die Stadt der Zukunft nicht vor. Wir sollten lebenswerte Städte anstreben, in denen unsere Kinder in gesunder Umwelt sicher und fröhlich aufwachsen können. Das ist die Vision, die mich antreibt.
Info& auf Mainz&: Alles bisher Bekannte zum Dieselfahrverbot ab dem 1. Juli auf der Rheinstraße und der Rheinallee in Mainz könnte Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Kritik am Dieselfahrverbot haben wir hier zusammengetragen, eine ausführliche Kritik von CDU und lest Ihr hier bei Mainz&. Was im Stadtrat zum Thema Dieselfahrverbot gesagt wurde, lest Ihr hier bei Mainz&.