Am Mittwoch wird es im Mainzer Stadtrat spannend: Die Wahl von gleich drei Dezernenten steht auf der Tagesordnung. Und dabei werden die Weichen für die kommenden acht Jahre in den Bereichen Bauen, Finanzen, Soziales, Kultur und Arbeit gestellt. Die Mainzer Ampel steht dabei auf Fortsetzung des Gehabten: Finanz- und Sportdezernent Günter Beck (Grüne) stellt sich ebenso zur Wiederwahl wie Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD). Neu ins Amt soll hingegen Eckart Lensch (SPD) gewählt werden – als Dezernent für Soziales, Kinder, Schule und Gesundheit. Alle drei haben die Mehrheit der Ampel-Koalition hinter sich, dennoch hat die CDU drei Gegenkandidaten zur Dezernentenwahl aufgestellt.
Acht Jahre beträgt die Amtszeit von Dezernenten in Mainz, damit werden die am Mittwoch Gewählten weit über die nächste Kommunalwahl im Jahr 2019 hinaus im Amt sein – genau gesagt: bis ins Jahr 2025. Selbst wenn es also 2019 zu einem Wechsel der Mehrheit im Mainzer Stadtrat zur CDU käme, müsste diese mehr als sechs Jahre lang mit Dezernenten von SPD, Grünen und FDP regieren, denn auch Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) und Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) könnten im kommenden Jahr im Amt bestätigt werden.
Die Mehrheit der Stimmen in Mainz holte bei der Stadtratswahl am 25. Mai 2014 zwar die CDU mit 30,3 Prozent, doch am Ende nützte das den Konservativen wenig: SPD, Grüne und FDP setzten gemeinsam ihre Ampel-Koalition fort und halten mit 32 Stimmen die Mehrheit der 60 Sitze im Rat. Die SPD kam bei der Kommunalwahl 2014 auf 27,7 Prozent (17 Sitze), die Grünen auf 20,1 Prozent (12 Sitze) und die FDP auf genau 5 Prozent (3 Sitze). Die CDU hält 18 Sitze im Rat, die Linke 3 Sitze, ÖDP und AfD je zwei Sitze und Freie Wähler, Piraten und die rechtspopulistische ProMainz je einen Sitz. Für eine Mehrheit bräuchte die CDU also mindestens 13 weitere Stimmen – bei der derzeitigen Konstellation ist das nicht zu erwarten.
Elf Bewerber für die drei Posten, vorstellen dürfen sich nur Fraktions-Vorschläge
Die Ampel steht fest hinter ihren Dezernenten, und dazu müssen am Mittwoch nicht einmal alle Stadtratsmitglieder der Koalition auch tatsächlich anwesend sein: Es gilt die Mehrheit der anwesenden Stadtratsmitglieder, wie Stadtsprecher Marc André Glöckner Mainz& auf Anfrage erklärt. „Entscheidend für die Wahl ist laut Geschäftsordnung die Anzahl der erschienenen Mitglieder, von denen die einfache Mehrheit reicht.“ In der Sitzung ab 15.00 Uhr werden sich zunächst die Kandidaten für die drei zu vergebenden Posten persönlich vorstellen, allerdings nicht alle Kandidaten: Insgesamt elf Bewerbungen gab es Glöckner zufolge für alle drei Posten, darunter waren auch Bewerbungen von außerhalb.
Die sind allerdings chancenlos: Das Recht zur persönlichen Vorstellung im Stadtrat hat nur, wer von den Fraktionen vorgeschlagen werde, sagte Glöckner. Nach bisherigem Stand sind das nur die Kandidaten von SPD und CDU, diese haben jeweils 15 Minuten Gelegenheit, sich zu präsentieren, danach ist Zeit für Fragen. Anschließend wird in geheimer Wahl abgestimmt. Es wird also eine Weile dauern, bis das Ergebnis am Mittwochnachmittag fest steht. Mainz& gibt Euch einen Überblick über die Kandidaten und ihre Themen.
Finanzen, Beteiligungen, Sport: Günter Beck (Grüne)
Günter Beck ist seit dem 10. Februar 2010 Finanzdezernent und Bürgermeister von Mainz, es war ein stolzer Tag im Leben des Grünen. Der Gonsenheimer ist ein Ur-Mainzer und eine Type, seit 1984 ist er bereits in der Kommunalpolitik auf den unterschiedlichsten Feldern tätig. Der Diplom-Pädagoge war Leiter des Hauses der Jugend, Veranstaltungsmanager und Pächter der Gastronomie in der Alten Patrone und gründete 2000 die Veranstaltungsagentur „BecksStage“. Schon 1984 zog er für die Grünen in den Mainzer Stadtrat ein – „Jockel Fuchs dachte damals noch, das wäre der Super-Gau“, erinnert sich Beck. Grünen-Mitglied wurde Beck indes erst Ende der 1990er Jahre, auch wenn er bereits 1990 Fraktionssprecher der Grünen war und dann erneut ab 1995 Chef der Fraktion.
Zweimal trat Beck als Direktkandidat der Grünen bei der Oberbürgermeisterwahl an, 2004 und 2012, beim zweiten Mal erreichte er gar die Stichwahl gegen SPD-Kandidat Michael Ebling. In der Zeit amtierte Beck gar kommissarisch als Oberbürgermeister – Vorgänger Jens Beutel war wegen der Rotweinaffäre zurückgetreten. Als Finanzdezernent schrieb sich Beck eine Umkehr in der Haushaltspolitik der Stadt auf die Fahnen, führte Mainz in den Kommunalen Entschuldungsfonds des Landes – und schaffte nach sehr langer Zeit wieder einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden.
Dreimal – 2013, 2015 und 2016 – schloss die Stadt unter Beck ihren Haushalt mit einem Plus ab, der Anstieg der Verschuldung wurde gestoppt, 100 Millionen Euro konnten gar abgetragen werden. Zwar steht der Haushalt der Landeshauptstadt noch immer unter der Verwaltung der Kommunalaufsicht ADD, doch erstnmals kann Mainz finanzpolitisch gesehen wieder Luft holen – und sogar ein wenig investieren. Die Sanierung der Bürgerhäuser, der Rheingoldhalle und die bevorstehende des Rathauses werden zwar auch durch Bundesmittel möglich, doch auch Mainz trägt hier seinen Anteil bei – ebenso wie bei den städtischen Bauprojekten Münsterstraße und demnächst Große Langgasse.
Auch in die Sportstättenstruktur investierte die Stadt unter Beck, der zudem die städtischen Beteiligungsgesellschaften unter dem Dach der Zentralen Beteiligungsgesellschaft zusammenführte. Größte Herausforderung, sagt Beck, sei die Fortführung des Masterplans in diesem Bereich, die weitere Haushaltskonsolidierung – und die Rettung des maroden und insolventen Taubertsbergbades. Und so stellt sich der 60-Jährige denn auch noch einmal für volle acht Jahre zur Wiederwahl – die Altersgrenze von 65 Jahren wurde jüngst aufgehoben.
Finanzen & Sport: CDU-Kandidat Ludwig Holle
Im Gegensatz zu Beck ist der CDU-Kandidat für das Amt des Finanzdezernenten noch ein unbeschriebenes Blatt in der Mainzer Kommunalpolitik: Ludwig Holle ist gebürtiger Düsseldorfer, studierte in Berlin, Frankreich und den USA und kam der Liebe wegen nach Mainz. Der Wirtschaftsingenieur arbeitet bei dem Chemiekonzern WeylChem in Frankfurt und verantwortet dort den Bereich Finanzen und Controlling. Seit 2014 ist Holle Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuss der Stadt Mainz, dazu ist Holle Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Mainz (MIT).
Der 44-Jährige will die Einnahmen der Stadt durch eine deutliche Intensivierung der Wirtschafts- und Ansiedlungspolitik steigern und den Druck gegenüber der Landesregierung zwecks besserer Finanzausstattung der Kommunen erhöhen. Holle will Quersubventionen unter städtischen Gesellschaften beenden und die ZBM transparenter gestalten: Die Struktur müsse nachvollziehbarer und die Aufgaben der Stadt klar definiert werden, dazu müsse Rechenschaft über die Tätigkeiten der ZBM vor dem Stadtrat abgelegt werden – und nicht vor den Gremien der ZBM. Im Bereich Sport fordert er mehr offenes Ohr der Verwaltung für die Anliegen der Vereine und will Mainz als Austragungsort für Spitzensportevents als Sportstadt attraktiver machen.
Bauen, Denkmalschutz, Kultur: Marianne Grosse (SPD)
Die Nackenheimerin Marianne Grosse ist seit 10. Februar 2010 Baudezernentin von Mainz, ihre Amtszeit währt eigentlich noch bis zum Februar 2018. Trotzdem soll die 54-jährige studierte Politologin, Historikerin und Anglistin an diesem Mittwoch bereits im Amt bestätigt werden – das Gesetz erlaubt eine Wiederwahl bis zu neun Monate vor Amtsende. Seit ihrem Amtsantritt ist sie gut beschäftigt: Mainz baut, was das Zeug hält. 16 Bebauungspläne wurden seit ihrem Amtsantritt allein im Bereich Wohnen aufgestellt, dazu baute die Stadt unter Grosse zwölf neue Kitas, ebenso viele werden in den kommenden Jahren folgen. Bis 2020 will die Stadt zudem 220 Millionen Euro in Schulbauten investieren.
Tatsache ist aber auch: In Mainz wächst der Unmut über Luxusprojekte wie Winterhafen und jetzt am Zollhafen, Mieten und Eigentumspreise sind in den vergangenen fünf Jahren explodiert. Grosse betont indes, sie wolle keine Stadt, in der die Mieten „unverändert hoch sind“ – und dafür habe die Stadt ihr umfangreiches Bauprogramm gestartet und schaffe derzeit Baurecht für rund 3.200 Wohneinheiten. Ein gesunder Wohnmix von gefördertem Wohnen, freiem Mitwohnraum und Eigentumswohnungen sei ihr dabei wichtig.
Dazu muss die Dezernentin zahlreiche weitere Bauprojekte stemmen: Rund um den Bahnhof wird weiter gebaut, die Bebauung der Mombacher Straße wird runderneuert, die Münsterstraße umgebaut, demnächst die Große Langgasse. Bestimmendes Bauprojekt der kommenden Jahre wird zudem der Neubau des Gutenberg-Museums sein, Spatenstich für den Bücherturm soll Ende des Jahres sein – das Projekt ist durchaus in Mainz umstritten, Grosse sieht es als absolutes Leuchtturmprojekt. Im Bereich Kultur nennt sie vor allem einen Schwerpunkt: „Das Kulturentwicklungskonzept auf die Reise zu bringen“ unter noch mehr Beteiligung der Kulturszene in Mainz.
Bauen & Stadtentwicklung: CDU-Kandidat Gerd Schreiner
Grosses Gegenkandidat bei der CDU ist der langjährige Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner. Der 47-Jährige ist Architekt und seit 1997 Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags, wo er unter anderem Finanzexperte der Fraktion ist. Schreiner war von 1999 bis 2014 Mitglied des Mainzer Stadtrats, ist bis heute Mitglied im Bauausschuss der Stadt und geht mit dem Slogan „Alte Stadt, neue Ideen“ ins Rennen. Dafür schlägt Schreiner einen Bürgerpark am Kurfürstlichen Schloss vor, eine grüne Achse, die Mainz wieder an den Rhein rücken soll – und mit Rheinstrand und Rheinschwimmbad.
Zweite große Idee Schreiners ist ein neuer Stadtteil „Rheinhöhe“ auf der Anhöhe zwischen Hechtsheim und Bodenheim, der Platz für 1.000 Häuser für Familien, aber auch für Geschosswohnungen für Senioren, Singles und Menschen mit kleinem Geldbeutel bieten soll. Schreiner will so die Wohnungsnot lindern und die Preise auf dem Grundstücksmarkt deutlich nach unten drücken – und verweist als Vorbild auf die Gründung des Lerchenbergs in den 1960er Jahren. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt brauche eine solch spürbare Entlastung, das gelinge nur mit einem großen Wurf, sagt Schreiner. Stadtverwaltung und SPD haben das Projekt bereits abgelehnt. Drittens will sich Schreiner als Baudezernent auch um bessere Verkehrswege, günstige Parkplätze und eine Brücke über den Rhein kümmern.
Soziales, Kinder, Jugend, Schule und Gesundheit: Eckart Lensch (SPD)
„Ich bin der Neue“, sagte Eckart Lensch, Kandidat der SPD fürs Sozialdezernat, ganz bescheiden, dabei stimmt das nur bedingt: Der 56 Jahre alte Neurologe ist seit Jahren Fraktionsvorsitzender der SPD im Mainzer Stadtrat. Der gebürtige Münchner aus Pfälzer Familie studierte nach seiner Schulzeit in Saarbrücken Medizin in Mainz und „halb Physik“, wie er selbst erzählt, arbeitete danach in der Uniklinik in Mainz und Frankfurt. Seit 20 Jahren ist er an der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden tätig, den heutigen Helios Kliniken, Lensch ist dort Chefarzt. Nun soll er nach dem Willen der SPD Nachfolger des in den Ruhestand gehenden Sozialdezernenten Kurt Merkator werden.
Als wichtigen Schwerpunkt seines neuen Jobs nennt Lensch auch das sozialverträgliche Wohnen, schließlich steht der Sozialdezernent in Mainz der Wohnbau vor. „Die Wohnbau muss stark bleiben, aber auch ihr Aufgaben erfüllen“, sagt Lensch, dazu gehöre auch, neue Fördermöglichkeiten zu nutzen und den sozialen Wohnungsbau voran zu treiben, aber auch neue Wohnformen wie etwa Alten-WGs zu fördern. Zweites wichtiges Standbein seines Dezernates sei die Bildungspolitik – hier gelte es, weitere Kitas zu bauen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. „Mir wird einAspekt ganz wichtig sein, dass die Stadtteile in Mainz ausgeglichen berücksichtigt werden“, sagt Lensch, „das Programm wird ein bisschen umdefiniert werden müssen.“
Beim Arbeitsmarkt will Lensch vor allem den „zu hohen Sockel der Langzeitarbeitslosen“ in den Blick nehmen: Eine große Gruppe dabei seien Kranke, aber auch Alleinerziehende – und für die wolle er sich als Dezernent noch einmal verstärkt die Unterstützung ansehen. „Das könnte eine Aufgabe sein, wo man mit neuem Schwung ein paar Sachen verbessern könnte“, sagt er. Flüchtlinge müssten Zugang zum Arbeitsmarkt und Wohnungen finden, dabei wolle er helfen. „Wichtig ist, dass die Stadt ruhig und überlegt geführt wird“, betont Lensch. Er habe lange geholfen, die Situation für einzelne Menschen zu erleichtern, „jetzt möchte ich für eine größere Gruppe etwas verbessern.“
Soziales: CDU-Kandidatin Claudia Siebner
Ausbau der Kinderbetreuung, Stärkung der Gemeinwesenarbeit, Schaffung von barrierefreiem und günstigem Wohnraum sowie die Integration von Flüchtlingen, das sind auch die Ziele der CDU-Kandidatin fürs Sozialdezernat: Claudia Siebner, Ortsvorsteherin in Bretzenheim. Die 51 Jahre alte Politikwissenschaftlerin ist seit frühester Jugend in der CDU engagiert und trat schon in ihrer Heimatstadt Düsseldorf in die Junge Union ein. 2004 wurde sie Mitglied im Mainzer Stadtrat, da hatte sie ihr Weg über Bad Krotzingen bei Freiburg schon nach Mainz geführt.
Siebner wurde jugendpolitische Sprecherin, 2010 dann sozialpolitische Sprecherin, beruflich arbeitete sie für den Mainzer CDU-Landtagsabgeordneten Wolfgang Reichel bis zu dessen Ausscheiden aus dem Landtag bei der Wahl 2016. Beim Kita-Ausbau will sie neue Wege gehen und Betreuungseinrichtungen in Unternehmen stärker unterstützen. „Das wird in Mainz mit zu wenig Dynamik betrieben, es wird zu wenig auf die Unternehmen zugegangen“, kritisiert sie. Auch brauche es fundierte Konzepte, um Kitas zu echten Familienzentren zu machen und diesen Begriff auch mit Leben zu füllen. „Ich trete unter dem Motto an, Demokratie braucht Alternativen“, betont Siebner, sie werbe dafür, „mal abseits der politischen Konstellationen“ zu denken.
FDP trägt Dezernenten mit – und hofft auf Bestätigung Sitte 2018
Am Mittwoch wäre indes alles andere als eine Bestätigung der Dezernenten von SPD und Grünen sowie die Wahl von Lensch eine faustdicke Überraschung. Schließlich trägt auch die FDP in Mainz die Dezernenten der Koalitionspartner mit: „Mit der Neuwahl wollen wir die Basis legen für die weitere gute Zusammenarbeit in der Koalition“, sagt FDP-Fraktionschef Walter Koppius. Und natürlich hat man sich bei den Liberalen rückversichert – schließlich steht spätestens im Dezember 2018 die Wiederwahl des FDP-Wirtschaftsdezernenten an. „Wenn die Arbeit zwischen uns so gut weiter läuft, gehen wir davon aus, dass auch das passt“, sagte Koppius.
Und auch Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) soll offenbar im kommenden Jahr im Amt bestätigt werden – dabei geht ihre Amtszeit offiziell noch bis zum Juni 2019. Das aber wäre erst nach der Kommunalwahl, die im Frühjahr 2019 stattfinden wird. Eders Wiederwahl wird deshalb wohl vorher stattfinden: Laut Wahlgesetz dürfen Dezernenten frühestens neun Monate vor Amtsende wiedergewählt werden – oder spätestens drei Monate vor Amtsende.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den politischen Vorhaben der Ampel-Koalition im Jahr 2017 lest Ihr hier bei Mainz& – und unsere Analyse beim Start der Ampel 2.0 im Oktober 2014 findet Ihr hier.