Am 27. Juli 2024 jährt sich zum dritten Mal die Anerkennung der historischen jüdischen SchUM-Stätten in Speyer, Worms und Mainz als UNESCO Weltkulturerbe. In Mainz ist eine zentrale Stätte dabei der Alte Jüdische Friedhof „Am Judensand“ – und den könnt Ihr zu dem Anlass am Sonntag, den 28. Juli 2024 besichtigen. Der idyllische, über tausend Jahre alte Friedhof gilt als ältester und größter der jüdischen Friedhöfe in Europa, er spiegelt die Geschichte des Judentums in Mainz und entlang des Rheins.

Der Alte Jüdische Friedhof an der Mombacher Straße in Mainz gehört zu den ältesten seiner Art in Europa. - Foto: gik
Der Alte Jüdische Friedhof an der Mombacher Straße in Mainz gehört zu den ältesten seiner Art in Europa. – Foto: gik

Seit Juli 2021 ist Mainz ein Stück Weltkulturerbe: Mit dem Titel würdigte die Unesco die 1000 Jahre alte Geschichte des Judentums in den drei Städten Speyer, W9orms und Mainz, deren jüdische Anfangsbuchstaben das Kürzel SchUM ergeben. Mit dem Titel werde „der außergewöhnliche universelle Wert der SchUM-Stätten mit ihren Synagogen, Frauenschulen, Mikwen und Friedhöfen anerkannt“, hieß es damals in der offiziellen Mitteilung vom Land Rheinland-Pfalz.

An keinem anderen Ort könne „ein vergleichbares Spektrum jüdischer Gemeindezentren und Friedhöfe die kulturellen Leistungen europäischer Jüdinnen und Juden in der Formationsphase der lebendigen Tradition des aschkenasischen Judentums bezeugen“, so die Begründung damals. Anders gesagt: Die UNESCO würdigte damit die Tatsache, dass in den Stätten am Rhein das moderne, aschkenasische Judentum maßgeblich definiert wurde.

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Berühmte Talmudschule in Mainz um das Jahr 1000

Mainz war dabei ein Hauptzentrum: Hier lebten um das Jahr 1000 herum berühmte Rabbiner wie Gershom ben Jehuda, genannt „Leuchte des Exils“, der eine weithin berühmte Talmudakademie in Mainz eröffnete. Und hier wurden Vorschriften und Gebete entwickelt, die Juden in aller Welt bis heute befolgen und beten. Rabbi Gershom etwa schaffte die Polygamie ab, reformierte das Scheidungsrecht und führte das Postgeheimnis ein.

Alter Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof Am Judensand in Mainz. - Foto: Stadt Mainz/Carsten Costard
Alter Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof Am Judensand in Mainz. – Foto: Stadt Mainz/Carsten Costard

Der Friedhof „Am Judensand“ war die Grabstätte für diese blühende Gemeinde, bis heute steht dort ein Gedenkstein für Gershom. Mehrere Hundert Grabsteine umfasst das Gelände zwischen Mombacher Straße und Fritz-Kohl-Straße, rund 180 davon stammen aus dem Mittelalter. Gefunden wurde hier auch der älteste datierbare Grabstein Europas aus dem Jahr 1049, der Stein für einen Jehuda ben Schneur steht heute im Mainzer Landesmuseum.

Dem Friedhof selbst war keine lange, friedliche Ruhe vergönnt: 1096 vernichtete ein Kreuzfahrerheer der Franken auf dem Weg zum Ersten Kreuzzug ins Heilige Land jüdische Gemeinden im gesamten Rheinland, auch die Mainzer Gemeinde fiel ihnen zum Opfer. Rund 1.000 Juden wurden getötet, ihre Häuser geplündert und in Brand gesteckt. Der Legende nach organisierte der Oberrabbiner Kalonymos ben Meschullah noch die jüdische Bewaffnung und Selbstverteidigung gegen die Übermacht der Angreifer, am Ende aber tötete er seine Familie und sich selbst.

Ältester Bereich als Denkmalfriedhof 1926 wieder errichtet

Die Mainzer Progrome galten in der jüdischen Welt als solches Fanal, dass sie bis heute das Synonym für Martyrium sind: An jedem jüdischen Neujahrsfest, dem Rosh Hashanna, werde in allen Synagogen der Welt das Netane Tokkef gesprochen, ein Gebet, das an die erschlagenen Juden von Mainz erinnert. Der jüdische Friedhof in Mainz wurde auch in der Folge mehrfach zerstört, 1435 etwa vertrieb der damalige Mainzer Fürstbischof die Juden aus der Stadt. Der Jüdische Friedhof wurde enteignet, das Gelände zum Teil untergepflügt, ein Weinberg ist dort verzeichnet.

Der älteste Bereich des Friedhofs wurde als "Denkmalfriedhof" neu errichtet. - Foto: gik
Der älteste Bereich des Friedhofs wurde als „Denkmalfriedhof“ neu errichtet. – Foto: gik

20 Jahre später wurde der Friedhof den Juden zurück gegeben – allerdings nicht in voller Größe. Überhaupt ist die volle Geschichte des Geländes bis heute nicht voll erforscht: Wissenschaftler berichten, in dem sandigen Untergrund des Hanges seien schon zur Römerzeit Menschen bestattet worden. Nach dem jüdischen Religionsgesetz, der Halacha, darf die Totenruhe auf keinen Fall gestört werden, der Friedhof gilt nach ihren Gesetzen deshalb als unantastbar – die Ruhe der Toten ist auf jüdischen Friedhöfen auf ewig angelegt.

Der älteste Bereich des heutigen Alten Jüdischen Friedhofs ist denn auch gar kein Original: 1926 richtete die jüdische Gemeinde in Mainz unter Leitung der Rabbiner Salfeld und Sali Levi im ältesten Bereich des Friedhofs Am Judensand einen sogenannten „Denkmalfriedhof“ ein. Die alten jüdischen Grabsteinen wurden aufgerichtet, neu angeordnet und nach Osten ausgerichtet – eine Besonderheit. Niemand weiß deshalb genau, wo die ursprünglichen Gräber liegen, der alte Teil des Friedhofs ist deshalb weder jetzt noch künftig für reguläre Besucher zugänglich – nur Juden dürfen ihn nach Voranmeldung betreten.

UNESCO-Welterbe: Zwei Rundgänge über das „Haus der Ewigkeit“

In Worms allerdings ist das kein Problem: Der jüdische Friedhof dort ist eine der großen Sehenswürdigkeiten der Stadt, Besucher aus aller Welt wandeln dort zwischen den uralten Grabsteinen, hinterlassen nach jüdischer Sitte Steine auf den Grabsteinen und kleine Bittzettel auf den Gräbern der Rabbiner. In Mainz ist das nur höchst eingeschränkt möglich, ein besucherzentrum soll dort in Zukunft Geschichte und Bedeutung erklären, gerade erfolgte der Spatenstich oberhalb des Friedhofs.

Der Alte Jüdische Friedhof Am Judensand strahlt einen besonderen Zauber aus. - Foto: gik
Der Alte Jüdische Friedhof Am Judensand strahlt einen besonderen Zauber aus. – Foto: gik

Eine Führung über den Friedhof ist deshalb eine Besonderheit, am kommenden Sonntag könnt Ihr wieder einmal eine erleben: Auf einem Rundgang wird die Geschichte und Bedeutung dieses im Hebräischen mit „Beit Olam“ (Haus der Ewigkeit) bezeichneten Ortes erläutert. Vorgestellt werden Grabsteinsymbole sowie Begräbnis- und Trauerrituale. Erzählt wird ferner von bedeutenden Persönlichkeiten des Mittelalters, die hier bestattet wurden, auch Erläuterungen zu den SchUM-Stätten als UNESCO-Welterbe und künftige Projekte sollen erläutert werden.

Die Führung in Kooperation zwischen der Landeshauptstadt Mainz und dem Ortskuratorium der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) findet am Sonntag, den 28. Juli 2024, um 10.00 Uhr und um 12.00 Uhr statt. Da der Jahrestag der Anerkennung selbst auf einen Schabbat fällt, und der Alte Jüdische Friedhof feiertags nicht betreten werden darf, findet die Veranstaltung am Sonntag nach dem Jahrestag statt.

Info& auf Mainz&: Die Teilnahme an der Führung am 28. Juli 2024, um 10.00 Uhr und um 12.00 Uhr ist kostenfrei, es ist jedoch eine Anmeldung nötig – bitte unter www.denkmalschutz.de/anmeldung. Männer werden gebeten, beim Besuch des Friedhofs eine Kopfbedeckung zu tragen! Start der Führung ist am Haupttor des Alten Jüdischen Friedhofs an der Mombacher Straße 61. Mehr zum Alten Jüdischen Friedhof und dem jüdischen Erbe in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&.