Es ist das Überraschungsduell des Jahres: Am heutigen Mittwoch treten die Mainzer Unternehmerin Manuela Matz (CDU) und der parteilose Ex-Bürgermeister Thomas Rosner aus Steinheim in Baden-Württemberg zur Wahl fürs Mainzer Wirtschaftsdezernat an. Die Freie Wählergemeinschaft FW-G nominierte am Dienstag überraschend Rosner als ihren Kandidaten für die Wahl – und beschert damit wahrscheinlich der Ampel-Koalition eine neue CDU-Kollegin im Stadtvorstand. Denn Medienberichte werfen kein gutes Licht auf Rosners kommunalpolitische Vergangenheit: Rosner wurde 2017 mit mehr als 75 Prozent gegen ihn aus dem Amt gefegt, er soll jahrelang mit seinem gesamten Gemeinderat im Clinch gelegen haben. Damit erscheint die Wahl des in Mainz völlig Unbekannten als höchst unwahrscheinlich – Matz könnte also unter Umständen in einem dritten Wahlgang zur Dezernentin gekürt werden. Dem Stadtvorstand würde das eine Rückkehr des Mainzer Modells bescheren – da alle Dezernenten noch auf Jahre hinaus gewählt sind, wird man sich zusammenraufen müssen.
Der überraschende Abgang des bisherigen Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) am Montag wirbelt die Parteienarithmetik in Mainz gerade gehörig durcheinander. Weil Sitte nur zwei Tage vor seiner geplanten Wiederwahl zurückzog, bleiben nun zwei Kandidaten für die angesetzte Wahl. Der 58 Jahre alte Rosner ist studierter Verwaltungswirt (FH) und war von 2009 bis Januar 2017 acht Jahre lang Bürgermeister von Steinheim an der Murr. Davor sei er 21 Jahre lang im Allianz-Konzern tätig gewesen, sagte Rosner schriftlich auf Mainz&-Anfrage und habe dort neun Jahre davon als Bevollmächtigter für Gewerbe und freie Berufe in Stuttgart „tagtäglich engen Kontakt zu CEOs, Prokuristen, Geschäftsführern und Inhabern von so ziemlich jeder Wirtschaftsbranche“ gehabt.
„Ich vereine also theoretisches und praktisches Wissen aus der Kommunalpolitik sowie tiefe und umfangreiche Kenntnisse über bzw in die Wirtschaft“, schrieb Rosner weiter: „Diese beiden Standbeine passten aus meiner Sicht ideal zu dem Verantwortungsbereich des Wirtschaftsdezernenten.“ Als wichtige Eckpfeiler einer solchen Tätigkeit nannte er die Bereiche Smart City, künstliche Intelligenz und autonome Mobilität, Mainz sei „eine spannende Herausforderung“. Derzeit sei er als Berater für Gemeinden, Städte und Landkreise bei den Themen Auswahlverfahren Personal und Change Management tätig.
Von Februar 2009 bis Januar 2017 war Rosner hauptberuflich Bürgermeister der Stadt Steinheim nördlich von Stuttgart, einer Partei gehört er nicht an. Doch am Ende seiner Amtszeit wurde Rosner mit 75,2 Prozent gegen sich aus dem Amt gefegt, die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb von einem zutiefst zerrütteten Verhältnis zwischen Rosner und dem Gemeinderat, und das bereits sei Jahren. Von mangelnder Teamfähigkeit ist in mehreren Zeitungsartikeln die Rede, „fraktionsübergreifend“ freue man sich über die Abwahl Rosners, so die Zeitung. Gerne hätten wir mit Rosner selbst über die Vorwürfe gesprochen, auf eine Telefonanfrage reagierte er indes nicht.
Damit dürfte Rosner der Ampel-Koalition im Mainzer Rathaus als Dezernent nicht zu vermitteln sein: Einen durch Dreiviertel seiner Bürger abgewählten Bürgermeister werde man nicht ernsthaft in Erwägung ziehen können, lautete am Dienstagabend nach Mainz&-Informationen die Haltung. Doch ausgesprochen fraglich ist, ob die Ampel nun CDU-Kandidatin Matz mitwählt: Man sehe zur CDU „gerade auch auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik keine ausreichende inhaltliche Schnittmenge“, sagte der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher auf Mainz&-Anfrage. Die CDU habe sich der neuen Entwicklung an der Ludwigsstraße verweigert, und sie sei daran interessiert gewesen, das Taubertsbergbad-Grundstück zu verkaufen, anstatt das Bad für die Mainzer zu erhalten.
Eine eigene Option hat die Ampel indes auch nicht, die Wut richtet sich daher weiter gegen Sitte: „Was sich Christopher Sitte herausgenommen hat, zerstört jedes Vertrauen in sein politisches Verhalten“, schimpfte Bleicher: „Ein gewählter und zur Wiederwahl anstehender Dezernent könnte kaum einen größeren Flurschaden anrichten.“ Das sei verantwortungslos und richte nicht nur Schaden in der FDP und der seit zehn Jahren erfolgreich zusammenarbeitenden Ampelkoalition an. „Der Schaden erstreckt sich auf die Stadt insgesamt, und das ist der eigentliche Grund meiner Verärgerung“, fügte Bleicher hinzu. Die Ampel wolle nun „ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen, das ist die Pflicht der drei Partner.“
Die morgige Wahl indes dürfte der Ampel eine vierte Partnerin bescheren: Manuela Matz muss im dritten Wahlgang lediglich mehr Stimmen erhalten als ihr Mitbewerber – dann wäre sie zur Mainzer Wirtschaftsdezernentin gewählt. „Es kommt sehr unerwartet, aber ich freue mich sehr darauf“, sagte Matz am Dienstagabend gegenüber Mainz&: „Mein Anspruch ist zu versuchen, parteiübergreifend Zustimmung zu finden, es geht in meinen Augen darum, die Vakanz im Wirtschaftsdezernat zu vermeiden.“ Sie habe Ideen für Mainz und sei überzeugt, die Aufgabe ausfüllen zu können.
Die 54 Jahre alte Volljuristin kam vor 18 Jahren mit ihrem Mann Dirk Loomans aus Karlsruhe nach Mainz. Matz ist Rechtsanwältin und machte eine Zusatzausbildung zur Wirtschaftsjuristin, mit ihrem Mann machte sie sich 2002 mit einer Firma für Datenschutz selbstständig. Während der Erziehungsphase ihrer Kinder schmiss sie das Büro, während ihr Mann Kunden besuchte. 2005 wandelten sie die Firma in eine Aktiengesellschaft um, 2006 kam der Umzug in den Unternehmenssitz in Hechtsheim.
25 Berater arbeiteten zuletzt für „Loomans & Matz“, die die Inhaber gerade erst Ende Oktober an die Wirtschaftsgesellschaft KPMG verkauften. „Das gibt mir den Spielraum auch direkt auszusteigen“, sagte Matz. Als Beraterin habe sie so lange „in viele Unternehmen unterschiedlichster Größe hineingehorcht, da lernt man viel, wie sich Unternehmen aufstellen und wo der Schuh drückt.“ In Kombination mit ihrer Ausbildung als Juristin sehe sie eine gute Grundlage für das Amt als Wirtschaftsdezernentin.
„Mein Credo ist: Ich habe Ideen, wie sich die Stadt Mainz positiv weiterentwickeln könnte“, sagte Matz, „ich möchte frischen Schwung in das Dezernat bringen und mit neuen Ideen gemeinsam voran kommen.“ Dabei wolle sie das Fachliche, nicht die Parteipolitik in den Vordergrund stellen und versuchen, ein Miteinander im Stadtvorstand zu finden. „Nur so funktioniert es ja“, sagte Matz. Einfach wird das nicht, doch die Kommunalwahl im Mai 2019 könnte die Gewichte im Mainzer Stadtrat verschieben – die CDU hofft auf Veränderungen zu ihren Gunsten.
Fakt ist aber auch: Die Dezernenten der Ampel-Koalition wurde gerade erst gewählt (Eckart Lensch) oder frisch wiedergewählt wie Marianne Grosse (beide SPD), am morgigen Mittwoch soll auch noch Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) folgen. Damit sind die Ämter auf die nächsten sechs bis acht Jahre hinaus vergeben – eine Folge des rheinland-pfälzischen Kommunalwahlrechts. Für die Abwahl eines Dezernenten gelten hohe Hürden – passiert heute nicht noch etwas Unvorhergesehenes, wird man sich im Stadtvorstand arrangieren müssen: Acht Jahre Stillstand, Blockade und Kleinkrieg untereinander dürften keine Option sein.
Info& auf Mainz&: Mehr zum plötzlichen Abgang von Christopher Sitte lest Ihr hier bei Mainz&, unsere Analyse zu den Folgen sowie zum Wahlprozedere heute im Stadtrat lest Ihr hier. Wie die Freien Wähler ihre Wahl für Rosner als Kandidaten begründen, könnt Ihr hier nachlesen.