Vier Wochen nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine ist die Hilfsbereitschaft für die Not leidenden Menschen ungebrochen, doch die Hilfe hat sich verändert: Im Fokus stehen nun gezielte Hilfstransporte mit speziellen Sachgütern, die in der Ukraine tatsächlich gebraucht werden. Eine, die solche Profi-Hilfe organisiert, ist Marie-Luise Thüne, Vizepräsidentin von „Luftfahrt ohne Grenzen“ – sie hat bereits acht Sattelzüge mit Hilfsgütern in Richtung Ukraine geschickt. In Mainz konzentrieren sich viele Aktionen zudem immer mehr auf die Hilfe für die hier ankommenden Geflüchteten – wie eine Aktion der IGS Mainz-Bretzenheim: Hier packen Schüler Willkommensbeutel. Und am Donnerstag gibt’s eine „Eckschrank für den Frieden“.
Vier Wochen tobt der Krieg in der Ukraine nun schon, und die russische Armee geht mit immer größerer Härte gegen die Städte in der Ukraine vor: Mariupol, Kyiv, Charkiw, russische Bomben legen immer mehr Städte in der Ukraine in Schutt und Asche. Das Leid der dort eingeschlossenen Menschen ist unermesslich, umso größer ist die Hilfsbereitschaft im Westen Europas. Auch in Mainz packten gleich nach Ausbruch des Kriegs Helfer mit an, sammelten Sachspenden und brachten sie oft sogar persönlich zur polnisch-ukrainischen Grenze. Doch schnell warnten Experten und Ukraine-Kenner: Gefragt seien jetzt besondere Bedarfe von Schlafsäcken über medizinische Mittel bis hin zu Konserven.
„Helfen ist schwer“, sagt auch ein, die es wissen muss: Marie-Luise Thüne gründete im Jahr 2003 die Organisation „Luftfahrt ohne Grenzen“ mit. „Ich bin da reingerutscht, eigentlich bin ich nämlich gelernte Hotelfachfrau“, erzählte Thüne nun im Gespräch mit Mainz& schmunzelnd. Die gebürtige Mainzerin ist in Oppenheim aufgewachsen, im Volkstheater Mainz absolvierte sie eine Schauspiel-Ausbildung bei Magda Bransdörfer, spielte anschließend auf Bühnen in Bern, Zürich und Darmstadt.
Sattelzug mit 32 Paletten auf dem Weg an die ukrainische Grenze
Das Helfen im großen Stil einer Organisation aber wurde ihre zweite Berufung. „Wir haben viel lernen müssen in 19 Jahren, und viel Lehrgeld gezahlt“, sagt Thüne, und eine der wichtigsten Lektionen sei gewesen, Spenden zu organisieren, die wirklich gebraucht würden. „Es ist schön, das Auto vollzupacken und zur Grenze zu fahren, aber ich bitte sie alle, das nicht zu tun“, appellierte Thüne vergangenen Freitag bei einem kleinen Ukraine-Abend des Rotary Clubs Mainz und der Initiative Römisches Mainz (IRM) im Römischen Bühnentheater. „Hören Sie nicht auf zu helfen, aber überlegen sie es sich genau, was sie tun“, betonte Thüne.
Thüne ist auch Mitglied der Mainzer Ranzengarde und seit vergangenen Herbst Mitglied im Kommando, als der Krieg an Weiberfastnacht ausbrach, nutzte sie das Feldlager der Ranzengarde als Auftaktveranstaltung für die Ukraine-Hilfe. „Am 2. März war bereits der erste Sattelzug mit 32 Paletten auf dem Weg an die ukrainisch-rumänische Grenze“, erzählt Thüne. Acht Lkws mit 180 Tonnen Hilfsgütern sind inzwischen aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Rumänien gerollt – dort ist „Luftfahrt ohne Grenzen“ seit 2008 bereits mit der Hilfsorganisation „Deutsches Forum“ tätig.
„Wir haben dort ein Lagerhaus“, berichtet Thüne, jeden Tag könnten zwei Lkw die Grenze in die Ukraine überqueren, und Hilfsgüter direkt ins Land bringen. Darauf sei, was vorher gezielt von den Ukrainern angefragt wurde: Mineralwasser, Zwieback, Windeln, Kindernahrung oder Hygienematerial, in großen Mengen und verpackt auf Paletten. „Beim Deutsche Forum wissen die, was fehlt, wenn die sagen, wir brauchen Windeln, besorgen wir die“, berichtet Thüne. Finanziert werde das aus Spenden, aber auch mit der Hilfe vieler Firmen: Die Firma Wepa aus Mainz habe Toilettenpapier für die Toilettenhäuschen an der Grenze gespendet, Werner & Merz Hygieneartikel wie Seife. „Danone hat uns sieben Trucks mit Wasser gespendet, zwei sind bereits unterwegs“, zählt Thüne weiter auf.
„Die Menschen aus der Ukraine rennen buchstäblich um ihr Leben“
Die Flüchtenden aus der Ukraine kämen meist mit einem Koffer und einer Tasche und hätten das nötigste dabei, berichtet Thüne weiter: „Diese Menschen rennen buchstäblich um ihr Leben, die wollen nur weg.“ Zeit, sich groß mit Dingen einzudecken, hätten die meisten nicht, die Flüchtenden wollten weiter, irgendwohin, wo sie in Sicherheit seien. „Und wir müssen auch im Kopf behalten: die wollen wieder zurück, denn sie haben ihre Heimat dort, vielleicht Familie, ihr Haus“, betont Thüne. Sinnvoll sei deshalb derzeit vielmehr, den Menschen zu helfen, die hierher kämen – und das sind immer mehr.
665 Ukrainer registrierte die Stadt Mainz bereits zu Beginn dieser Woche in Notunterkünften in Mainz – angesichts von mehreren Millionen Geflüchteten werden in den kommenden Wochen weitere kommen. Der Verlust der Heimat, die damit verbundene plötzliche Unsicherheit, das sei zutiefst erschütternd für eine Gesellschaft, die solches lange nicht mehr gekannt habe, sagte Prälat Hans-Jürgen Eberhardt am Freitagabend im Römischen Theater – bei dem Abend kamen 650 Euro zugunsten ukrainischer Kriegsflüchtlinge zusammen.
„Heimat kommt aus dem Mittelalter, dem Sozialrecht“, erklärte Eberhardt, „Heimat“ sei auch gebunden an Aufenthaltsrechte, Grundrechte und Armenrechte. „Verbindlichkeit kommt aus einer Verhaftung an einem Ort, das spüren die Menschen in der Ukraine derzeit besonders stark“, sagte Eberhardt. Und der Prälat zitierte die Bibel: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt“, heißt es da im Buch der Hebräer. Und genau das, betonte Eberhardt, „ist nun unser Auftrag für die nächsten Monate oder sogar Jahre: Engel zu beherbergen.“
In der IGS Mainz-Bretzenheim nehmen sie das offenbar wörtlich: Dort werden nun Willkommensbeutel für Kinder gesammelt, die aus der Ukraine nach Mainz kommen. Dafür haben die Lehrerinnen Stéphanie Morize, Stefanie Klös und Anja Biroth eine Stellwand mit farbigen Herzen neben der Bibliothek aufgebaut. Auf den Herzen stehen Gegenstände wie Süßigkeiten, Füller, Mäppchen, Block, Buntstifte oder kleine Spiele, die gesucht werden. Wer mitmachen will, nimmt eines der Herzen von der Stellwand und besorgt die darauf genannten Gegenstände, die Sachspende werden bis zu den Osterferien in einer Kiste an der Stellwand angelegt und dann in bunt bemalte Beutel gepackt.
Bunt bemalte Willkommensbeutel für ukrainische Kinder
70 bemalte und bestückte Beutel hätten bereits an die Stiftung Juvente übergeben werden können, teilte die Stadt Mainz mit, die Stiftung übernehme die Verteilung an die Kinder aus der Ukraine. Weitere Beutel sollen für Kinder vorbereitet werden, die in naher Zukunft die IGS Mainz-Bretzenheim besuchen werden. „Innerhalb unserer beschränkten Handlungsmöglichkeiten wollen wir Kindern, die aus der Ukraine in Mainz und der Umgebung ankommen, eine kleine Freude machen und Willkommensbeutel packen“, betonten die Initiatorinnen.
Das Land Rheinland-Pfalz richtete inzwischen eine eigene Webseite ein, auf der Informationen rund um die Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtlinge zusammengestellt werden. Mit www.ukraine.rlp.de gebe es nun ein Informationsangebot, das rechtliche Informationen rund um den Aufenthalt zur Verfügung stelle, aber auch ganz lebensnahe Fragen zur Anmeldung in Kita und Schule, der Arbeitserlaubnis und vielen weiteren Anliegen beantworte, sagte Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne). Auch wer helfen wolle, finde hier Informationen, wie beispielsweise Wohnraum zur Verfügung gestellt oder auf andere Weise Unterstützung geleistet werden könne. Viele Inhalte seien auch in russischer oder ukrainischer Sprache erhältlich.
Eckschrank für den Frieden mit Tobias Meyer
Und die Hilfe geht weiter: Beim Netzwerk Ukrainehilfe Mainz werden weiter Spenden gesammelt, noch bis Freitag findet hier eine Kleiderbasar statt, bei dem sich nach Mainzer gekommene Geflüchtete mit Kleidung, Schuhen, Handtüchern und Bettwüsche eindecken können – alle Infos dazu hier im Internet. Einer der ersten, der mit Hilfsgütern an die polnisch-.ukrainische Grenze reiste, war der Mainzer Schauspieler Tobias Christian Mayer, nu lädt der als „Frederick van de Sonne“ bekannte Entertainer zu einer besonderen Ausgabe seines „Eckschranks“.
Am Donnerstagabend lädt Mayer zu einem „Eckschrank für den Frieden“, es wird natürlich ein Abend für die Ukraine. Zu Gast sind unter anderem Fastnachtslegende Adi Guckelsberger, die Vorsitzende des Ukrainischen Vereins Mainz Viktoria Jost – und Marie-Luise Thüne. Mit Texten über Leben, Krieg, Frieden, Mut und Optimismus soll es ein Abend werden, der Mut macht in dunklen Krisenzeiten – und der natürlich auch wieder Spenden sammelt, um den Menschen in der Ukraine zu helfen.
Info& auf Mainz&: Der Livestream des „Eckschranks für den Frieden“ startet am Donnerstag, den 24. März 20222 um 20.00 Uhr, sehen könnt Ihr ihn hier im Youtube-Kanal von Frederick. Weitere Infos zum Eckschrank sowie zum Spendenkonto für die Ukraine-Hilfe findet Ihr hier bei Frederick auf Facebook. Die Ukrainehilfe Mainz, ein Bündnis von rund einem Dutzend Hilfsorganisationen, findet ihr hier im Internet.