Von ihm stammt einer der legendästen Sätze der Mainzer Fastnacht: „Sie krien uns nit kaputt“, sagte Seppel Glückert einst, und das war kein leichter Satz. Glückert lebte während der NS-Zeit in Mainz, der Schreibwarenhändler war einer der berühmtesten Mainzer Fastnachtsredner seiner Zeit – und ließ sich das nicht einmal von den Nationalsozialisten nehmen. Nun erinnert eine Gedenktafel im Mainzer Kirschgarten an ihn.

Seppel Glückert bei einer Rede in der Bütt. - Foto: Stadtarchiv Mainz via Regionalgeschichte.net
Seppel Glückert bei einer Rede in der Bütt. – Foto: Stadtarchiv Mainz via Regionalgeschichte.net

„Er war ein Sohn unserer Stadt und ein mutiger Fastnachter in der NS-Zeit: Seppel Glückert“, würdigte der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) am Dienstag den Mann, den einst ganz Mainz kannte: Geboren am 1. Juni 1891, wurde der Sohn eines Schreibwarenhändlers 1928 Protokoller des großen Mainzer Carnevals Vereins, mit nur 37 Jahren. Kein Wunder: Glückert zeichnete sich durch hohe Redekunst und parodistisches Talent aus, das machte ihn schnell zu einem der populärsten Mainzer Fastnachter.

Glückert war überzeugter Katholik und sang in seiner Jugend im Mainzer Domchor, er war Mitglied im Katholischen Kaufmännischen Verein, bevor er das Geschäft seines Vaters übernahm, wie man bei Regionalgeschichte.net weiß. In Sachen Katholische Kirche verstand Glückert offenbar weniger Spaß, umso mehr aber, wenn es gegen die Obrigkeit ging: Gegen die Mächtigen im Reich teilte Glückert munter aus, und stellte das auch nicht ein, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen.

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„Zu reden hier heut braucht man Mut,
Weil, eh mer sich vergucke dut,
Als Opfer seiner närrischen Kunst
kann einquartert wer’n ganz umsunst“

Mutiger Redner in NS-Zeit, „Poète“ in der Nachkriegszeit

Das reimte Glückert im Jahr 1933 nur wenige Wochen nach der Machtergreifung – ungefährlich war das nicht. Doch der Mann in der Bütt ließ sich den Mund nicht verbieten, und blieb der Narrentradition in Mainz treu, nach der die Freiheit des Narren genauso hoch steht, wie die Meinungs- und Pressefreiheit. „In der Kampagne 1938 kam es zum Eklat“, weiß das Internetlexikon Wikipedia: „Weil Glückert das Konzentrationslager Dachau erwähnte, wurde die Direktübertragung im Radio abgebrochen.“

Sylvia Planitzer vom MCV und Wolfgang Knauer vom KKV im Januar 2023 mit einer Gedenkplakette für Seppel Glückert im Kirschgarten, vor dem Elternhaus des Fastnachters. - Foto: giik
Sylvia Planitzer vom MCV und Wolfgang Knauer vom KKV im Januar 2023 mit einer Gedenkplakette für Seppel Glückert im Kirschgarten, vor dem Elternhaus des Fastnachters. – Foto: giik

In der Nachkriegszeit habe Glückert dann hohes Ansehen bei den französischen Behörden gehabt, die dem „poète“ sogar eine Generallizenz für weitere Auftritte erteilten. 1946 gehörte er zu den Mitveranstaltern der „Mainzer Abende“, die auf Initiative des französischen Stadtkommandanten Louis Théodore Kleinmann im kriegszerstörten Mainz als Fastnachtsersatz begangen wurden. Von 1947 bis zu seinem Tod 1955 war Glückert Präsident des MCV, sein Grab findet sich auf dem Mainzer Hauptfriedhof. Seine Heimatstadt ehrte ihn mit der Benennung der „Seppe-Glückert-Passage“ in de5r Innenstadt.

Glückerts Büttenreden seien fast lückenlos dokumentiert, heißt es beim MCV, der dem legendären Redner und Präsidenten 2017 in seiner Zeitschrift „Narrhalla“ ein großes Portrait widmete. Dort sind weitere legendäre Verse von Glückert dokumentiert, wie dieser: „Heil, ruft man hier, Heil ruft man dort,/ Ein Silbchen nur fehlt diesem Wort,/ In allen unsern deutschen Landen,/ Ist Unheil nur daraus entstanden!“ 1931 waren das bereits mutige Worte, 1935 wurde gar das gesamte MCV-Komitee von den Nationalsozialisten verhaftet.

Gedenktafel für Seppel Glückert im Kirschgarten angebracht

Ende Januar 2023 stellte dann der heute noch existierende Katholische Kaufmännische Verein (KKV) gemeinsam mit dem MCV eine Gedenktafel für Glückert vor, die an seinem Geburtshaus in der Augustinerstraße, Ecke Kirschgarten angebracht werden sollte – erst jetzt passierte genau das: Am Dienstag übergaben der KKV und die CDU Mainz-Altstadt als Spender eine Gedenktafel an OB Haase. Wo heute ein Optiker ist, hängt an der hinteren Ecke im Kirschgarten nun der Historische Stadthinweis auf Seppel Glückert – dort, wo heute die Ranzengarde ihr Kirschgartenfest feiert.

Feierliche Einweihung der Gedenktafel für Seppel Glückert im Mainzer Kirschgarten (von Links): Lothar Both, Präsident der Mainzer Ranzengarde und CDU Mainz-Altstadt, OB Nino Haase (parteilos), Elke Höllein, Stadt Mainz, und Wolfgang Knauer (KKV). - Foto: Ulrich H. Drechsler
Feierliche Einweihung der Gedenktafel für Seppel Glückert im Mainzer Kirschgarten (von Links): Lothar Both, Präsident der Mainzer Ranzengarde und CDU Mainz-Altstadt, OB Nino Haase (parteilos), Elke Höllein, Stadt Mainz, und Wolfgang Knauer (KKV). – Foto: Ulrich H. Drechsler

Nur eines haben wir bei der Recherche nicht gefunden: In welchem Zusammenhang Glückert seinen berühmtesten Satz sagte: „Sie krien uns nit, sie krien uns nit, sie krien uns nit kaputt, mer feiern unser Fassenacht und rollen unsern Dutt.“ Letzteres heißt übrigens sinngemäß so viel wie „wir machen trotzdem unser Ding.“ Der Satz feierte erst vor wenigen Jahren noch einmal eine Renaissance – in der Corona-Pandemie, als die Fastnacht wegen der Ansteckungsgefahren durch das Virus abgesagt werden musste.

Info& auf Mainz&: Mehr zu Seppel Glückert findet Ihr hier bei Wikipedia, dort seht Ihr auch ein Foto von seinem Grab auf dem Mainzer Hauptfriedhof. Das Portrait in der „Narrhalla“ haben wir oben verlinkt. Wir danken ganz herzlich Ulrich H. Drechsler für die Fotos! Und hier noch die Gedenktafel in groß:

Foto: Ulrich H. Drechsler
Foto: Ulrich H. Drechsler