Seit drei Wochen gibt es nun das 9-Euro-Ticket, die Bilanz bei den Verkehrsverbänden fällt ausgesprochen positiv aus: Fast zwei Millionen Kunden im Rhein-Main-Gebiet profitierten bereits von dem verbilligten Nahverkehrsticket, teilte nun der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) mit – davon wurden fast eine Million an Tickets neu verkauft. Eine Auswertung zeigt nun: Für mehr als 70 Prozent ist der günstige Preis das Kernargument für den Kauf – und mehr als 50 Prozent steigen vom Auto auf Bus und Bahn um. Das weckt Begehrlichkeiten auf ein dauerhaft günstiges Flatrate-Ticket für ganz Deutschland.

Der Nahverkehr in Rhein-Main ist attraktiv - zumindest wenn der Preis stimmt. - Foto: RMV
Der Nahverkehr in Rhein-Main ist attraktiv – zumindest wenn der Preis stimmt. – Foto: RMV

Zum 1. Juni startete Deutschland in ein Experiment: Mit dem 9-Euro-Ticket im Nahverkehr quer durch Deutschland auf allen Strecken – für drei Monate will die Politik die Bundesbürger so von Kosten für die Mobilität entlasten. Nun zeigen erste Auswertungen: Die Kunden nehmen das 9-Euro-Ticket begeistert an. Fast zwei Millionen Kunden profitierten im Rhein-Main-Gebiet ber4eits von dem verbilligten Nahverkehrsticket, jubelte am Montag der RMV, davon sind allerdings rund eine Million Kunden, die ohnehin schon Zeittickets in der Tasche haben.

Immerhin: Von dem 9-Euro-Ticket wurden mittlerweile allein im RMV-Gebiet bereits rund 900.000 Tickets verkauft, damit wurde die Zahl der Monatsticket mal kurz verdoppelt. Damit würden aktuell etwa 40 Prozent der Einwohner im Verbundgebiet das Aktionsangebot nutzen, heißt es vom RMV weiter. Bei der Mainzer Mobilität hat man derzeit keine Verkaufszahlen: Es gebe eine Steigerung der Fahrgastzahlen, die Auslastung von Busse und Bahnen halte sich aber wie erwartet im Rahmen, sagte ein Sprecher auf Mainz&-Anfrage.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

 

Beim RMV ist man da euphorischer: „Die eindrucksvollen Verkaufszahlen sprechen für sich“, sagte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat: „Wir freuen uns sehr über die positive Resonanz und die spürbare rege Nachfrage.“ Auch viele Neukunden seien offenbar zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bereit, vorausgesetzt, es gebe ein attraktives Angebot.

Straßenbahn statt Auto: Mehr als 50 Prozent steigen vom Auto um - Dank 9-Euro-Ticket. - Foto: gik
Straßenbahn statt Auto: Mehr als 50 Prozent steigen vom Auto um – Dank 9-Euro-Ticket. – Foto: gik

Tatsächlich ergab nun eine Umfrage im Auftrag von Deutscher Bahn und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), dass mehr als die Hälfte der Befragten als Hauptgrund für den Kauf des 9-Euro-Tickets den Verzicht auf Autofahrten nannten. Allerdings gaben dann weniger als die Hälfte „Umweltschutz“ als hauptsächlichen Kaufgrund an – für mehr als 70 Prozent der Befragten war der günstige Preis das Kernargument für den Kauf.

Das würde das alte Argument stützen, dass der Nahverkehr in Deutschland deutlich zu teuer ist, und dass viel mehr Menschen Busse und Bahnen nutzen würden, wenn es billigere Tickets gäben. Dass das Interesse durchaus da ist, zeigte die Umfrage ebenfalls: Für immerhin 12 Prozent sei das Kaufargument „einfach mal den ÖPNV auszuprobieren“, heißt es beim VDV weiter.

 

„Die Umfrage bestätigt das, was wir im täglichen Betrieb aktuell wahrnehmen; Neben den Abokunden gibt es zahlreiche Fahrgäste, die das Ticket nutzen, um den Nahverkehr erstmals auszuprobieren oder wieder mal mit Bus und Bahn zu fahren“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann. Vor allem diese Kunden wolle man gerne „auch über die drei Monate hinaus vom Nahverkehr überzeugen.“ Wenn mehr als 50 Prozent der Befragten angäben, „dass ihre Hauptmotivation für den Kauf des 9-Euro-Tickets der Verzicht auf Autofahrten ist, dann ist das für uns als Branche eine Chance, dass ein Teil dieser Fahrgäste auch nach Ende der Ticketaktion weiter bei uns bleibt“, fügte Wortmann hinzu.

Das 9-Euro-Ticket führt derzeit zu einem Run auf den Nahverkehr. - Foto: privat
Das 9-Euro-Ticket führt derzeit zu einem Run auf den Nahverkehr. – Foto: privat

Ob das allerdings gelingt, ist ausgesprochen fraglich – wenn ab September die hohen Ticketpreise zurückkehren. Die CDU im Hessischen Landtag warnte deshalb auch: Das große Interesse wecke gleichzeitig „aber auch Hoffnungen auf ein dauerhaft günstiges Flatrate-Ticket für ganz Deutschland und den damit verbundenen Ausbau des ÖPNV“, sagte CDU-Verkehrsexperte Markus Meysner.

„Das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, dass gezielte Rabattaktionen das Interesse der Menschen an Bus und Bahn wecken können“, sagte auch die Verkehrsexpertin der hessischen Grünen, Karin Müller. Fast eine Million verkaufte 9-Euro-Tickets belegt4en klar das Interesse der Menschen, trotzdem sei es nun „besonders wichtig, dass Menschen, die nur gelegentlich Bus und Bahn nutzen, von Komfort und Qualität überzeugt werden können, damit sie zu Stammgästen werden.“

 

In Hessen sieht man nun den Bund in der Pflicht: „Um auf dieses Niveau zu kommen, benötigt Hessen mehr Geld in Form von Regionalisierungsmitteln aus Berlin, damit das 9-Euro-Ticket kein Strohfeuer bleibt“, forderte Müller. Ähnliche Forderungen hatte zuvor auch schon Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in Richtung Berlin erhoben. Beim RMV drückt man sich diplomatischer aus: „Um Fahrgäste längerfristig überzeugen zu können, benötigt es allerdings eine nachhaltige Strategie zum Ausbau des Streckennetzes, die Bestellung neuer Fahrzeuge sowie die Einstellung und Schulung von Fachpersonal“, mahnte Ringat: „An dieser Stelle ist die Politik gefragt.“

Überraschungsei Nahverkehr: Wie geht es nach den drei Monaten 9-Euro-Ticket weiter? - Foto: RMV
Überraschungsei Nahverkehr: Wie geht es nach den drei Monaten 9-Euro-Ticket weiter? – Foto: RMV

Reaktionen Mainzer Parteien gibt es bislang keine, die Mainzer Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne) hatte bereits Anfang Juni betont: Der ÖPNV könne durch das 9-Euro-Ticket „mehr Fans gewinnen.“ Vergangene Woche betonte die Ministerin dann auf dem Deutschen Nahverkehrstag, das Ticket sei „ein tolles Angebot“ – aber das allein reiche nicht. „Neben attraktiven Preisen müssen wir alles daransetzen, das Leistungsangebot so gut wie möglich auszubauen und attraktiv zu halten, damit die Menschen den ÖPNV auch weiterhin nutzen.“, betonte Eder. Nur so seien die Klimaschutzziele zu erreichen.

Rheinland-Pfalz hat hier allerdings ein größeres Problem: „In vielen Regionen werden weniger als zehn Prozent aller Wegstrecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt“, räumte die Ministerin zugleich ein. Eders Vorgänger für den Bereich Öffentlicher Nahverkehr, der frühere Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte zwar kurz vor Ende seiner Amtszeit Anfang 2021 noch einen Nahverkehrsgesetz vorgelegt – doch das ließ so gut wie alle Fragen offen, was die künftige Gestaltung des Nahverkehrs im Land angeht.

 

Nun stellte Eder in Aussicht: Ein neuer Landesnahverkehrsplan solle bis Ende 2023 beschlussreif vorliegen und auf Basis des neuen Nahverkehrsgesetzes von 2021 „ein effizientes und ganzheitliches Nahverkehrssystem entwickeln und Mindeststandards für die öffentlichen Verkehrsangebote setzen.“ Gleichzeitig wird der Rheinland-Pfalz-Takt mit der Zielmarke 2030/35 fortentwickelt und damit die Taktung durch eine verbesserte Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln und der Nutzung digitaler Daten verbessert.

Klimaschutzministerin Katrin Eder (links) als Mainzer Verkehrsdezernentin mit einer der neuen Mainzelbahnen. - Foto: MVG
Klimaschutzministerin Katrin Eder (links) als Mainzer Verkehrsdezernentin mit einer der neuen Mainzelbahnen. – Foto: MVG

Wissing hatte auch die neue Dachmarke „ROLPH“ ins Leben gerufen, die das Angebot auf der Schiene verbessern, den Taktverkehr auf das Busnetz ausweiten, in digitale Technik investieren und multimodale Verkehrskonzepte auf den Weg bringen sollte – geschehen ist davon bislang so gut wie nichts. Auch ein Verkehrsverbund-übergreifendes Ticket lässt weiter auf sich warten – beim 9-Euro-Ticket genießen die Deutschen gerade erstmals den Luxus, mit einem Ticket einfach quer durch die Republik fahren zu können, ohne auf Grenzen von Ticketverbänden achten zu müssen.

Eder sagte nun auf dem Deutschen Nahverkehrstag, komplizierte Tarife seien dann kein Problem mehr, wenn ein Computer für den Kunden den attraktivsten Tarif errechne. Zudem kündigte die Ministerin an, Rheinland-Pfalz wolle „die vernetzte Mobilität stärken, indem wir landesweit Umsteigepunkte entwickeln, an denen ÖPNV, Radverleihsysteme, (E-)Carsharing, Bike&Rike und Park&Ride gebündelt werden.“ Die große Nachfrage nach den 9-Euro-Tickets zeige ja: „Das Interesse ist da, jetzt gilt es dieses zu verstetigen und dauerhaft in den ÖPNV zu investieren“, betonte sie.

Info& auf Mainz&: Die ganze Pressemitteilung zur Umfrage von VDV und Deutscher Bahn zum 9-Euro-Ticket findet ihr hier im Internet. Mehr zum Thema 9-Euro-Ticket lest Ihr auch hier bei Mainz&:

Al-Wazir zum Start 9-Euro-Ticket: “Nutzen Sie dieses Experiment!” – Mainz und Wiesbaden rüsten sich für Ansturm