Es war ein besonderer Abend im Gutenberg-Museum: Am Vorabend der großen Frankfurter Buchmesse eröffnete das Weltmuseum der Druckkunst eine Ausstellung über Bilder. Von einem der wichtigsten Schriftsteller unserer Zeit. Und von einem, der derzeit Mainzer Stadtschreiber ist: Feridun Zaimoglu ist nicht nur Romanautor und Dramaturg – er malt auch. Immer schon, wie er sagt. Seine Bilder sind kein Oder zu seinen Worten, sie sind Ergänzung, Erweiterung – eine weitere Dimension. Die Ausstellung „Ein Maler müsste diesen Augenblick festhalten…“ zeigt 71 seiner Gemälde.

Plakat Ausstellung Zaimoglu Bilder mit Motiv Beute
Plakat zur Zaimoglu-Ausstellung mit dem Motiv „Beute“

Es sind keine einfachen Gemälde, diese Bilder des Feridun Zaimoglu: Bunt in Farbe, aus Pinselstrichen entworfen, zeigen sie praktisch nur Frauengestalten, doch es sind vielschichtige Figuren oder ekstatische Körper, immer gebrochen durch das, was sich im Bild noch spiegelt: Verborgene Ängste, dunkle Seiten, Abgründe. „Grundsätzlich sind es Heldinnen“, sagte Zaimoglu am Montagabend selbst, „Frauen, in einer von Männern befreiten Welt.“

„Beute“ heißt eines der Bilder, es zeigt eine Frau, die ein erlegtes Reh über der Schulter trägt, einen Metzgerskittel als Schürze vor dem Bauch. Oder das „Kräuterweib“, das Bild einer Frau in voluminösen Schichten von Kleidung – und oben ragt ein schwarzer Vogelhals heraus. Ein Geier? „Man bezeichnet heute das als Märchen, was früher Volkes Gesänge und Gerüchte waren, die verschriftlicht wurden“, sagt Zaimoglu selbst zu dem Bild: „Von Wunder wirkenden Frauen hat man gesprochen, die auch über die Dunkle Macht verfügten.“

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Woher die Motive, die Bilder kommen? „Es war der Impuls, dieses Bild zu malen“, sagt Zaimoglu über „Den Erlöser“, das einen Christus als struppigen, ganz alltäglichen Mann zeigt. Woher dieser Impuls komme? „Ich verfehlte die Wirklichkeit, würde ich es sagen“, sagt Zaimoglu.

Der am 4. Dezember 1964 in der Türkei geborene Feridun Zaimoglu ist mit Sicherheit einer der ungewöhnlichsten Stadtschreiber, die Mainz je hatte. Der Multi-Produzent von Romanen, Theaterstücken und Beiträgen wurde schlagartig mit seinem ersten Werk „Kanak Sprak“ berühmt, einem Buch über die eigene Sprach-Subkultur junger türkischstämmiger Männer in Deutschland.

Feridun Zaimoglu vor seinem Bild Liebe im Gutenberg-Museum
Feridun Zaimoglu neben seinem Bild „Liebe“ – Foto: gik

Seither hat er sieben Romane veröffentlicht (wenn wir richtig gezählt haben), den jüngsten „Siebentürmeviertel“ gerade eben erst, während er in Mainz schon als Stadtschreiber amtierte. Es ist ein wortgewaltiges Gemälde über Istanbul in den 1930er Jahren, und über das Thema Deutschsein und Fremdsein in einem anderen Land – ein Buch, das besser nicht in unsere Zeit passen könnte.

„Sie sind eine außerordentlich wichtige Stimme im Literaturbetrieb“, befand denn auch die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bei der Vernissage. Und sie verriet, dass Zaimoglu unter den letzten 20 Kandidaten für den Deutschen Buchpreis war – zugesprochen wurde er just am Montagabend Frank Witzel für eine 800 Seiten starke Interpretation der 1970er Jahre in Deutschland zu Zeiten der Rote Armee Fraktion. Frank Witzel ist übrigens gebürtiger Biebricher aus Wiesbaden, sein Roman bestimmt faszinierend – aktueller hätten wir ja einen Preisträger Zaimoglu gefunden 😉

Frauen-Bilder von Feridun Zaimoglu
Frauen-Bilder von Feridun Zaimoglu – Foto: gik

Zumal der Deutsch-Türke wie kaum ein anderer Autor Menschen und Zustände reflektiert, als Stadtschreiber in Mainz auf Menschen zugeht, sich mit der Stadt und ihrer Kultur auseinander setzt – nur Hanns Josef Ortheil war ähnlich Mainz-verliebt. „Schön, dass Sie schon wieder da sind“, flachste denn auch Grosse, der 31. Mainzer Stadtschreiber sei ja schon wieder aus seiner Heimat Kiel nach Mainz gekommen und hier so präsent, wie lange keiner vor ihm.

Nicht nur geschrieben habe Zaimoglu in seiner Mainzer Zeit, sondern auch 12 Bilder gemalt, verriet Museumsdirektorin Anette Ludwig. Zaimoglu malt ausschließlich im Renaissance-Format – auf modern: in Din A 3 -, er malt in Acryl und japanischer Tusche, „das kann ich überallhin mitnehmen“, sagt er. „Tage, an denen ich schreibe, zeichne“, zitierte Ludwig den Künstler, „beides gehört für ihn zusammen, beides sind Teile seines Werkes.“

Das folge keiner Künstler-Inszenierung, keiner Strategie, „er charakterisiert sich als Mensch, dessen Blick Bilder und Gesichter speichert“, verriet Ludwig, seine Bilder, sie sind „Schnappschüsse in meinem Kopf.“ So halte der Maler Zaimoglu das im Bilde fest, wo die Sprache nicht mehr greife. Im Buch wiederum würden die Bilder in Schriftsprache übersetzt, „der Geschichtenerzähler übersetzt die Sprache wieder in Bilder.“

Feridun Zaimoglu in Ausstellung seiner Bilder Gutenberg-Museum
Ein Mann und seine Schgnappschüsse im Kopf: Feridun Zaimoglu in seiner Ausstellung im Gutenberg-Museum – Foto: gik

Und so wird aus Bild und Wort ein Gesamtkunstwerk, auch die Bilder spiegeln die Zerrissenheit des Wort-Künstlers, zeigen die Frauengestalten immer (erst) auf den zweiten Blick, was sie noch sind: „Verstümmelt, beschädigt, irritierend“, nannte es Ludwig. Aber in jedem Fall: sehenswert!

Und dann gab es da dieses kurzes Intermezzo vor dem Beginn der Vernissage, als wir Zaimoglu zu einem schnellen Bild vor seinen Bildern verführten. Endlich wieder ein Stadtschreiber, der in der Stadt präsent ist, bekannten wir spontan. „Und der sie liebt!“, entgegnete Zaimoglu. Was er denn liebe an Mainz?, fragten wir. „Die Menschen“, sagte er, wie aus der Pistole geschossen. Hat die Stadt ihn in seiner Arbeit bereichert? „Und ob!“, sagte Zaimoglu, während wir zum Saal zurück eilten. Wir werden Sie vermissen, bekannten wir… „Ich werde Mainz auch vermissen“, sprach der Dichter & Maler. Was für ein Kompliment!

Info& auf Mainz&: Noch ist es nicht so weit, der neue Stadtschreiber Clemens Meyer kommt erst 2016. Feridun Zaimoglu könnt Ihr noch mehrfach in Mainz erleben: Am 15. Oktober liest Zaimoglu auf der Frankfurter Buchmesse am Stand des Gutenberg-Museums aus seinem neuen Roman Siebentürmeviertel. Am 22. Oktober lädt dann gibt es im Gutenberg-Museum um 19.00 Uhr zur Vorpremiere des Stadtschreiber-Films „Istanbul von vorne. Eine Recherche.“ Die Ausstellung „Ein Maler müsste diesen Augenblick festhalten…“ ist noch bis zum 8. November im Gutenberg-Museum zu sehen, Infos hier.

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