Der jetzige Mainzer Stadtschreiber Clemens Mayer ist noch gar nicht richtig in der Stadt angekommen, da steht schon sein Nachfolger fest: Abbas Khider wird der 33. Mainzer Stadtschreiber und im Frühjahr 2017 sein Amt antreten. Khider erzähle „in einer musikalischen und schlanken Sprache tragikomische, erschütternde und anrührende Geschichten von Menschen, die unter Verfolgung und Vertreibung leiden müssen“, urteilte die Jury des Mainzer Stadtschreiberpreises am Montag. Khider verleihe „mit Sensibilität, Humor und Sympathie den Heimatlosen eine authentische, unüberhörbare Stimme“ – wenn das nicht der passende Autor für diese Zeit ist…

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Wird der 33. Mainzer Stadtschreiber im Jahr 2017: Abbas Khider, gebürtiger Iraker – Foto: Hassiepen, hf

Damit setzt die Jury des Stadtschreiberpreises ihre Linie fort, junge Schriftsteller mit modernen Themen nach Mainz zu holen – eine gute Linie, wie wir bei Mainz& finden. Khider wurde 1973 in Bagdad geboren und wuchs dort im Viertel „Saddam-City“ als Sohn eines Dattelhändlers auf. Als Abiturient wurde er wegen politischer Aktivitäten gegen das Regime Saddam Husseins verhaftet und von 1993 bis 1995 inhaftiert und gefoltert. Nach seiner Flucht aus dem Irak suchte er im Jahr 2000 Asyl in Deutschland. Von 2005 bis 2010 studierte er in München und Potsdam Literatur und Philosophie, seit 2007 in Khider deutscher Staatsbürger – und auch seine Literatur schrieb er von Anfang an auf Deutsch.

2008 erschien sein erster Roman, in „Der falsche Inder“ verarbeitete Khider seine jahrelange Odyssee als Flüchtling – und das war vor knapp zehn Jahren. 2011 folgte „der Roman „Die Orangen des Präsidenten“, in dem Khider ein erschütterndes Bild des Irak zwischen Gefängnishölle und behüteter Kindheitsidylle zeichnete“, heißt es in der Mitteilung der Stadt weiter, die wir hier umfangreich zitiert haben. Mit „Brief in die Auberginenrepublik“ entwarf Khider dann 2013 „ein vielstimmiges Panorama arabischer Zustände und Stimmen, während er eine stationenreiche Briefbeförderung aus dem Exil in die irakische Heimat verfolgt.“ 2014 leitete Khider eine Schreibwerkstatt in Kairo, nachdem er schon 2011 in der ägyptischen Kapitale recherchiert hatte und sich an den Protesten gegen das Mubarak-Regime beteiligt hatte.

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Sein neuester Roman ist hochaktuell und erschien 2016, schildert Khider „mit Sinn für Melancholie und Groteske, wie eine Gruppe von Asylbewerbern Anfang der 2000er Jahre in das Räderwerk einer absurden deutschen Bürokratie gerät“ – der passende Titel des Romans: „Ohrfeige“.

Khider gebe dem Leser „einen tiefen Blick in das Labyrinth der deutschen Asylbehörden und schildert die dortigen Fallstricke und Hürden mit Witz und einem gewollt rauen Tonfall“, sagte denn auch Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) nach der Wahl. Der Autor liefere damit „einen wichtigen, literarisch sehr aufreibenden Beitrag zur aktuellen Situation aus einer gänzlich anderen Warte und erweitert das vorherrschende Blickfeld.“ Die Flüchtlingsbewegung also aus dem Blickwinkel dessen, der selbst einst geflüchtet war, Reflexionen auf Ankommen und Ausgrenzung – uns erinnert das auf gewisse Weise an den großartigen Rafik Schami.

Open Ohr - Theaterstück Flucht im Container 1
Flucht, Enge, Verfolgtsein – ein Theaterstück auf dem Open Ohr brachte das den Zuschauern intensiv nahe – Foto: gik

Irgendwie passend, dass es die Schriftsteller aus dem Osten sind, aus Syrien, dem Irak und der Türkei, die die relevanten Werke unserer Zeit schreiben – so wie es Zaimoglu als Mainzer Stadtschreiber 2015 ja auch tat. Mal sehen, ob Khider ebenso offen auf die Mainzer zugeht, wie es Feridun Zaimoglu tat – und wie es der Ostdeutsche Clemens Meyer bisher jedenfalls noch nicht getan hat. Meyer hingegen bekannte jüngst in der Zeit, er sei ja noch nicht wirklich viel in Mainz gewesen und fremdele noch mit der Stadt. Was sagt es uns, dass Autoren aus dem „fernen“ Osten offener und konstruktiver mit unserer Gesellschaft umgehen als jemand aus Leipzig?

Abbas Khider hat übrigens bereits jetzt schon zahlreiche Auszeichnungen verliehen bekommen, so etwa den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (2010), den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil (2013), den Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund (2013) sowie den Spycher Literaturpreis Leuk 2016. Khider wird wie seine Vorgänger gemeinsam mit dem ZDF eine Dokumentation nach freier Themenwahl produzieren und die – komplett sanierte, wie die Stadt betont – Stadtschreiberwohnung im Mainzer Gutenberg-Museum beziehen. Die Verleihung des mit 12.500 Euro dotierten Preises findet voraussichtlich im März 2017 statt.

Info& auf Mainz&: Mehr über Abbas Khider findet Ihr auf seiner Homepage im Internet, genau hier. Mehr über den 32. Mainzer Stadtschreiber Clemens Meyer lest Ihr hier bei Mainz&.

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