Hochwasser, Erdrutsche und Sturmschäden bedrohen nicht nur Häuser und Menschen – sie gefährden auch grundlegend die Straßeninfrastruktur des Landes. Zu diesem Ergebnis kommt nun ein Gutachten im Auftrag des Landes Hessen. Das hatte bei der TU Darmstadt und dem Landesbetrieb Hessen Mobil eine Gefährdungsanalyse zum Klimawandel in Auftrag gegeben, die Ergebnisse sind alarmierend: Die Empfehlung der Experten: Auch Straßen und Brücken müssen fit für die Folgen des Klimawandels gemacht werden.
„Klimawandel erfordert Gedankenwandel“ heißt es in einem Gutachten, das nun vom Land Hessen vorgestellt wurde. Untersucht wurde darin ein besonderes Thema: Die „Gefährdungen der Straßeninfrastrukturen in Hessen durch die Folgen des Klimawandels“. „Der Klimawandel ist da, und wir müssen alles tun, um ihn zu bremsen und zu stoppen.“, betonte der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) bei der Vorstellung des Berichts. Gleichzeitig gelte es aber eben auch, „uns und unsere Infrastruktur vor den bereits jetzt spürbaren Auswirkungen schützen.“
Denn Hochwasser, Erdrutsche und Sturmschäden bedrohen nicht nur Menschen und Häuser, sondern „auch unsere Straßen, die wir als Versorgungs- und Transportwege brauchen“, unterstrich Al-Wazir. Das zeigte sich überdeutlich bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, als die meterhohe Flutwelle im Juli 2021 ganze Straßen, Brücken und Bahnverbindungen wegriss – ganze Dörfer waren tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. Das Gutachten im Auftrag des Landes Hessen startete denn auch im Juli 2022 und untersuchte bis Januar 2022, mit welchen Folgen des Klimawandels auch beim Straßenbau gerechnet werden muss.
Gutachten: Klimawandel und seine Folgen für den Straßenbau
Die Experten der TU Darmstadt beschäftigten sich dabei in Zusammenarbeit mi dem Landesbetrieb Hessen Mobil mit den Folgen von Extremwetterereignissen auf Bauwerksplanung, Landespflege und Landschaftsbau, Entwässerung, Straßenkörper, Bauwerksprüfung sowie Betrieb und Verkehr. Ihr Fazit: auch die Resilienz von Verkehrsanlagen muss erhöht, und ihre Widerstandsfähigkeit gegen Extremwetterereignisse schon beim Bau mitgedacht werden.
„Besonderer Fokus muss hierbei auf die Topografie, die Böden und die Art der Flächennutzung gelegt werden“, heißt es denn auch. Gefährdungen für Straßenbauwerke entstünden durch Hochwasser, Erd- und Gesteinsbewegungen, aber ebenso durch Sturm, Dürre, Hitze und Kälte – all das könne die Funktionsfähigkeit sowie die Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur beeinträchtigen. Als Gefahr Nummer 1 gelten Starkregenereignisse, die zu Überschwemmungen, aber auch Unterspülungen und damit zu Erosion und Absenkung von Straßen führen – aber auch die Stabilität so mancher Brückenpfeiler und sogar von Tunneln gefährden können.
Durch die stärkeren Temperaturschwankungen nehmen zudem Hang- oder Erdrutsche zu, das führe etwa zur Destabilisierung und Zerstörung von Straßenabschnitten, betonen die Experten. Ein Lied davon kann auch die Deutsche Bahn singen: Gerade im Mittelrheintal war es zuletzt mehrfach zu Erdrutschen gekommen, die die Bahnlinien im Tal blockierten. „Veränderungen der jahreszeitlichen Niederschlagsmengen, bei denen mehr Niederschlag in Form von Regen als von Schnee fällt, können in bestimmten Gebieten zu Problemen führen“, heißt es weiter: Es drohten vermehrte Überschwemmungen und die daraus resultierenden Schäden an Straßen, vor allem im Winter und Frühjahr.
Straßenbauwerke durch Waldbrände, Dürren, Erdrutsche bedroht
Trockenperioden wiederum verstärkten die Waldbrandgefahr – und auch die Brände bedrohten die Straßeninfrastruktur dann direkt. Extremwinde wiederum könnten sogar Brückenbauwerke schädigen, Stürme vermehrt Straßenbeschilderungen und Ampeln fortreißen – umstürzende Bäume sind ohnehin eine wachsende Gefahr. Auch die Gefahren von aufgewirbeltem Staub in Dürreperioden sowie von Smog oder Rauch durch Brände für den Straßenverkehr berücksichtigen die Gutachter. Vermehrter Frost-Tau-Wechsel führe zudem zu einer Zunahme an Frostaufbrüchen und damit von Schlaglöchern auf Straßen und Brücken.
Gefährlich sei das vor allem für Brücken, betonte Hessen Mobil-Vizepräsidentin Kathrin Brückner: „Hier werden wir künftig zum Beispiel bei der Planung von Brücken über Gewässer die Abstände zwischen Stützen oder Widerlagern und deren Schutz vor Ausspülungen für außergewöhnliche Wasserpegel und Fließgeschwindigkeiten auslegen.“ Auch sollen Planungsprozesse angepasst sowie gesetzliche Vorgaben auf die neuen Bedürfnisse hin evaluiert werden.
Die Gutachter mahnten, es sei notwendig, jedes einzelne Bauwerk auf seine individuelle Gefährdung zu prüfen, und geeignete Maßnahmen zu deren Minimierung zu bestimmen. Bei der TU Darmstadt wurden deshalb neben den allgemeinen Gefahren durch den Klimawandel die für das Landesstraßennetz von Hessen Mobil relevanten Bauwerke auf ihre Gefährdung durch Extremwettereignisse hin analysiert.
Ferner definierten die Gutachter zehn Handlungsempfehlungen für Hessen Mobil, darunter etwa die Erstellung eines hessenweiten Baumkatasters: Hier soll in den Gebieten, die zukünftig von Stürmen besonders betroffen sein werden, künftig besser Maßnahmen wie vermehrte Baumkontrollen und auch die Entfernung von windbruchgefährdeten Bäumen erleichtert werden. Ziel ist es, grundsätzlich widerstandsfähigere Baumarten zu pflanzen. Auf den Straßenmeistereien werde es zudem künftig ein Regenwassermanagement geben, in dem nach und nach Regenwasserspeicher auf den Betriebshöfen gebaut werden.
Das Land Hessen will für die Umsetzung pro Jahr 50.000 Euro an Planungsmitteln für die Jahre 2023 bis 2025 sowie ab 2025 jährlich eine Million Euro zur Umsetzung der Maßnahmen investieren.
Info& auf Mainz&: Das ganze Gutachten „Gefährdungsanalyse von Verkehrsinfrastrukturen gegenüber Klimaauswirkungen“ findet Ihr hier bei der TU Darmstadt zum Download.