Die Great Wine Capitals können einen wahrlich zu Entdeckungstouren verführen: 2017 haben wir ja immer wieder im Dienste des GWC Blogs Weingüter, Hotels und Restaurants besucht, die einen der Great Wine Capital Awards gewonnen haben – im Spätsommer waren wir so auch in Selzen. Der kleine Ort im idyllischen Tal der Selz ist reich an tollen Weingütern, doch der Wilmshof war für die GWC Jury in einer Hinsicht besonders preiswürdig: Das Weingut verbindet Wein und Kunst in ganz besonders intensiver Form. Kunststück, ist doch der Winzer selbst bildender Künstler. Und wenn dann auch noch die Ehefrau Innenarchitektin ist… kommt eine Vinothek der Extraklasse dabei heraus. Unser Blogbeitrag für die Great Wine Capitals nun auch für Euch.
Die weißen Gitterboxen waren einmal für Industriegüter gefertigt, jetzt dienen sie als Regal für Weinflaschen. „Wenn man die Frontgitter schließt, ist das eine tolle Ausstellungsfläche für Gemälde“, demonstriert Katrin Mohr. „Heimatdroge“ steht auf einem Poster daneben, das Weinflaschen mit einer leicht entnervten Fastnachtsprinzessin kombiniert – zwei rheinhessische Ikonen. Wir stehen in einem Weinladen, aber das Auge erblickt vor allem eines: Kunst. Kleine Objekte in Mini-Boxen hängen an der Wand, Poster und Postkarten feiern Rheinhessen, Flaschenzüge halten Schemel oder Dekorationsutensilien. Kein Zweifel: Wein und Kunst verschmelzen hier zu einem ganz eigenen Kunstwerk.
„Wein ist Kunst“ lautet das Motto des Wilmshof, eines kleinen Weinguts im rheinhessischen Selzen südlich von Mainz. Das Motto beschreibt exakt, wofür Katrin and Tobias Mohr den Great Wine Capital Award 2017 gewonnen haben: Eine einzigartige Fusion der Kunst des Weinmachens mit der Kunst höchstselbst, die eine „neue Ästhetik“ und einen ganzheitlichen Ansatz feiert, wie die Jury schwärmte. Das kommt wohl dabei heraus, wenn der Winzer selbst Künstler ist und seine Frau Innenarchitektin. „Das hier ist unser zweiter Berufsabschnitt“, sagt Katrin Mohr mit einem Lächeln.
Mohr war Studentin der Innenarchitektur in Mainz, als sie ihren künftigen Mann kennlernte – ausgerechnet am Rosenmontag. Tobias Mohr war Künstler, lehrte später als Dozent an der Universität, und nach ein paar Jahren Studentenleben zog das Paar nach Selzen, auf das Weingut von Katrins Eltern. „Am Wochenende haben wir mitgeholfen“, erinnert sich Katrin, „irgendwie hat sich das mit dem Wein so angeschlichen.“
Dagmar und Werner Binzel besaßen ein typisch rheinhessisches Weingut, acht Hektar klein und mit 38 Hektar Landwirtschaft nebenbei. Das Weingut war eigentlich ein auslaufender Betrieb, keine der beiden Töchter wollte es übernehmen. „Ich habe mich immer ein bisschen dagegen gewehrt“, sagt Katrin, aber irgendwann habe sie gemerkt, „man kann es ja auch anders machen als die Eltern…“ Und so wurden die Künstler, hineingezogen in die Kunst des Weinmachens, selbst zu Winzern: Tobias machte seinen Winzermeister und Wirtschafter, und Katrin goss ihr kreatives Talent in die Gestaltung von Postern, Dekoration und Wein-Events.
Einen klaren Riesling machen sie hier heute und einen wunderbaren floralen Gewürztraminer. Tobias und Katrin pflanzten St. Laurent und Chardonnay und begannen Weine zu machen, die das Terroir und ihren eigenen Geschmack reflektieren. Und doch – die Kunst, sie ließ sich nicht unterdrücken. Im Weinlager hängen große Bilder mit Fußballerbeinen, hängen geblieben nach einer Weinprobe. „Wir hatten ein After-Work-Event hier während der Fußball-EM 2016“, erklärt Katrin, Tobias las da Texte aus einem Katalog, den er einst für eine Ausstellung zu Fußball und Kunst machte. Die Fußballerbeine hängen bis heute neben Kisten und Gabelstapler, während nebenan im Weinladen eine kleine Serie namens „Fußballer im Weltall“ im Regal steht, gleich neben den Weinkühlern.
„Wir machen jedes Jahr einen anderen Weinuntersetzer“, sagt Katrin, und zeigt die verschiedenen Editionen der kleinen runden Deckel, jede natürlich ein kleines Kunstwerk. „Wir versuchen, überall Kunst mit einfließen zu lassen in unserem Alltag“, sagt die Hausherri, und zeigt auf die kleinen Streichholzschachteln, die Weihnachten als Geschenke dienen und natürlich mit Kunst gefüllt sind. Auch die Einkaufstüten sind mit Kunstportraits bedruckt, die „hässlichen Trinker“ hängen im Original in der „Kuhkappelle“, dem früheren Kuhstall, den Dagmar und Werner Binzel in ihre erste Weinstube umwandelten. Das Kreuzgewölbe der Decke und die dicken Steinpfeiler erinnern an eine Kapelle, so kamen die „Kuhkapellen“ in Rheinhessen zu ihrem Namen.
„Meine Eltern waren die ersten, die eine Straußwirtschaft hatten“, erinnert sich Katrin, „am Anfang haben sie oft abends allein hier gesessen und gewartet, dass jemand kommt.“ 1986 war das und Rheinhessen noch nicht das Touristeneldorado von heute. Die wenigen Gäste damals wurden ins heimische Wohnzimmer eingeladen und blieben nicht selten zum Essen. Heute läuten Radfahrer und Tagestouristen gerne zu allen Tageszeiten die Glocke des Weinladens, um ein, zwei Flaschen Wein zu erstehen.
Die Straußwirtschaft ist heute eine große Weinstube samt einverleibter Scheune, in der Katrin regionale Küche serviert. Vor drei Jahren dann wandelten Tobias und Katrin die Doppelgarage an der Straßenfront zum Kunst inspirierten Weinladen um. „Die Kunst war irgendwie immer da“, sagt Katrin, „aber es war der Laden, der uns das bewusst machte.“ Auf der Suche nach einem Namen kreierten sie das Motto „Wein ist Kunst“ – und das löste eine wahre Welle von Kunst im Weingut aus. „Weinmachen ist gar nicht so viel anders als Kunst machen“, sagt sie noch: „Beide sprechen einfach alle Sinne an.“
Info& auf Mainz&: Den Wilmshof in Selzen mit seinem Weinladen und allen Infos zu Öffnungszeiten findet Ihr hier im Internet, den original Blogbeitrag bei den Great Wine Capitals auf Englisch genau hier. Warum Mainz& für die GWC bloggt, steht genau hier.