Fluglärm schädigt Gefäße im menschlichen Körper und kann zu Problemen bei Herz und Kreislauf führen – das wies der Mainzer Kardiologe bereits vor gut zehn Jahren nach. Nun aber präsentiert Münzel eine neue Studie, und nach der sind die Auswirkungen einer hohen Fluglärmbelastung noch viel gravierender als gedacht: Laut einer aktuellen Studie haben Menschen, die in der Nähe von Flughäfen leben und regelmäßig höheren Lärmbelastungen ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko für ernsthafte Herzschäden. Für die Studie wurden erstmals in großem Maße Kernspinuntersuchungen eingesetzt, einen Vortrag Münzels samt Podiumsdiskussion dazu gibt es am Mittwochabend in der Mainzer Unimedizin.

Der Mainzer Kardiologe Thomas Münzel 2017 auf dem Dach der Mainzer Universitätsmedizin mit der Fluglärmmessstation. - Foto: gik
Der Mainzer Kardiologe Thomas Münzel 2017 auf dem Dach der Mainzer Universitätsmedizin mit der Fluglärmmessstation. – Foto: gik

Bereits 2013 hatte der Mainzer Kardiologe Thomas Münzel mit seiner Fluglärm-Wirkungsforschung naschgewiesen, dass nächtlicher Fluglärm auch bei gesunden Menschen erheblich erhöhte Pegel des Stresshormons Adrenalin auslöst, dass die Schlafqualität sinkt und sogar Gefäße geschädigt werden. 2017 folgten dann weitere Studien, bei denen Effekte von Fluglärm an Mäusen untersucht wurden, mit erschreckenden Ergebnissen: Die Forscher fanden schon nach einem Tag Beschallung mit Fluglärm Gefäßfunktionsstörungen und die Bildung von oxidativem Stress, wichtige Enzyme wurden zerstört, Tausende von Genen änderten ihre Steuerungsaktivitäten.

Münzel betonte damals, die molekularen Mechanismen seien fast identisch mit den Schäden durch Herzrisikofaktoren wie Rauchen, Diabetes und Bluthochdruck. In den Folgejahren erhärteten weitere Studien die Erkenntnis: Anhaltender und massiver Fluglärm kann schwere Folgen für Herz und Kreislauf haben und sogar Herzerkrankungen nach sich ziehen. Nun zeigt eine neue Studie sogar: Eine höhere Fluglärmbelastung verschlechtert die Herzstruktur und Herzfunktion – und das trifft Menschen in der Nähe von Flughäfen in großer Anzahl.

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Neue Studie: Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herzschäden

Die Studie „Higher aircraft noise exposure is linked to worse heart structure and function by cardiovascular MRI“ ist im Januar im renommierten „Journal of Cardiovascular Cardiology“ (JACC) erschienen, und die Forscher beziehen sich dabei auch auf die Forschungsergebnisse von Münzels Arbeit. „Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen, die in der Nähe von Flughäfen leben und regelmäßig höheren Lärmbelastungen ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko für ernsthafte Herzprobleme aufweisen“, betont Münzel nun in einer Pressemitteilung der Mainzer Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr e.V. (IKUL).

Seit dem Bau der Nordwestlandebahn führt eine Anflugroute für den Frankfurter Flughafen direkt über die Mainzer Unimedizin. - Foto/montage: gik
Seit dem Bau der Nordwestlandebahn führt eine Anflugroute für den Frankfurter Flughafen direkt über die Mainzer Unimedizin. – Foto/montage: gik

Für die Studie wurden erstmals in großem Maße Kernspinuntersuchungen zur Validierung der Herzkreislaufschäden eingesetzt. Die Analyse basierte auf Daten der „UK Biobank“, also einer britischen Datenbank für Gesundheitsdaten, diese stellte die Gesundheitsdaten von Teilnehmern zur Verfügung, die in der Nähe von vier großen britische Flughäfen leben – nämlich London Heathrow, London Gatwick, Manchester, and Birmingham. In die Studie flossen so die kardiovaskuläre Magnetresonanztomographie (MRT)-Daten von insgesamt 3.635 Teilnehmern ein.

Die Ergebnisse seien höchst besorgniserregend, schreibt Münzel weiter: Die Erkenntnisse lieferten neue Hinweise auf direkte strukturelle und funktionelle Veränderungen am Herzen durch Fluglärm. Danach zeigten sich bei Teilnehmern mit einer höheren nächtlichen Lärmbelastung eine erhöhte Verdickung in den Herzwänden – diese Veränderungen stehe „mit einem um 32 Prozent höheren Risiko für schwerwiegende Herzereignisse“ in Verbindung.

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Dauerhafter Fluglärm schädigt offenbar Herz schlimmer als gedacht

Mehr noch: Betroffene wiesen auch eine um 8 Prozent niedrigere globale Dehnung des Herzens auf, das erhöhe das Risiko für schwerwiegende Herzkreislaufereignisse um 27 Prozent. Je länger eine Person dem Fluglärm ausgesetzt warm, umso schlimmer offenbar die Folgen, so die Studie weiter: Denn „Personen, die kontinuierlich hohem Fluglärm ausgesetzt waren, und während des Beobachtungszeitraums nicht umgezogen sind, hatten die stärksten negativen Veränderungen des Herzens und der Herzfunktion“, bilanziert Münzel weiter.

Fluglärmspuren über dem Flughafen Frankfurt im Oktober 2019: Lärm im Osten und im Westen. - Quelle: DFDL, Foto: gik
Fluglärmspuren über dem Flughafen Frankfurt im Oktober 2019: Lärm im Osten und im Westen. – Quelle: DFDL, Foto: gik

Die Studie zeige damit, dass der Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herzschäden „teilweise durch einen erhöhten Body-Mass-Index und Bluthochdruck vermittelt wird – Faktoren, die mit chronischem Stress und Schlafstörungen durch Lärm in Verbindung gebracht werden können.“ Das zeige erneut, wie wichtig es sei, Fluglärmbelastungen zu reduzieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.

„Diese Studie zeigt klar und eindeutig, dass Fluglärm nicht nur ein Störfaktor, sondern ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko ist“, betont Münzel – und forderte erneut: Vor allem die deutlich ausgeprägteren Nebenwirkungen aufgrund von Nachtfluglärm müssten konsequent bekämpft werden – „durch eine lärmfreien Nacht von 22.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens!“

Resolution für schärfere Lärmgrenzwerte im Juni 2024: Ohne Wirkung

Der Kampf gegen Fluglärm war zuletzt allerdings in Mainz nahezu zum Erliegen gekommen. Im Sommer 2024 fand noch einmal eine große Veranstaltung in Mainz-Hechtsheim statt, bei der auch ein Forderungspapier vorgestellt wurde. Die Hauptforderung darin: Schärfere Lärmschutzwerte und die Forderung, dass die Lärmwirkungsforschung deutlich mehr Eingang in die Gesetzgebung des Bundes findet. „Das Thema ist weiter aktuell“, hatte der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) dabei betont: „Wir müssen weiter gemeinsam dafür kämpfen, dass die Region insgesamt als Lärmschutzzone anerkennt wird – und nicht am Rhein endet.“

2014 präsentierten sie sich als Streiter gegen den Fluglärm: Der heutige Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD, Mitte), damals Gesundheitsminister und Professor Thomas Münzel auf dem Hubschrauberlandeplatz der Mainzer Uniklinik. - Foto: gik
2014 präsentierten sie sich als Streiter gegen den Fluglärm: Der heutige Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD, Mitte), damals Gesundheitsminister und Professor Thomas Münzel auf dem Hubschrauberlandeplatz der Mainzer Uniklinik. – Foto: gik

Das Forderungspapier sollte danach an Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium gehen, den Fraktionen des Deutschen Bundestages und dem Bundesumweltamt zugeleitet werden und insgesamt eine breitere gesellschaftliche Debatte anstrengen – wahrnehmbar war davon: nichts. „Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, Lärm-reduzierende Maßnahmen zu ergreifen“, hatte zwar die Mainzer Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) betont – doch die Grünen in der Bundesregierung brachten dabei auch keinen Fortschritt.

Und auch in Rheinland-Pfalz tut sich in Sachen Kampf gegen den Fluglärm auf Landeseben weiter nichts. „Die rheinland-pfälzische Landesregierung ist zuständig dafür, Lärmschutzgebiete auszuweisen“, betonte der Fluglärm-Experte Joachim Alt vergangenen Juni, und klagte: „Ich kenne keine Aktivitäten, die darauf hindeuten, dass sie das auch tut.“ Dabei hatte sich der heutige Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) als Gesundheitsminister einst selbst für das Thema eingesetzt – so etwa im Februar 20ß14 bei einem Termin mit Münzel auf dem Hubschrauberlandeplatz der Mainzer Uniklinik.

Die Ergebnisse der Studie wird Professor Münzel am Mittwoch, den 15. Januar 2025 in einem Vortrag an der Mainzer Unimedizin vorstellen, die Veranstaltung findet um 19.00 Uhr im Gebäude 708 statt. Im Anschluss gibt es eine Podiumsdiskussion mit der Mainzer Umweltdezernentin Steinkrüger, dem Vorsitzenden der Fluglärmkommission des Frankfurter Flughafens, Paul Gerhard Weiss sowie dem IKUL-Vorstandsmitglied Erwin Stufler (Freie Wähler). Auch der Mainzer OB haase wird dazu erwartet.

Info& auf Mainz&: Der Vortrag „Verkehrslärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ ist eine Veranstaltung der Stiftung Mainzer Herz, und findet am Mittwoch, den 15. Januar 2025 um 19.00 Uhr im Gebäude 708 an der Mainzer Universitätsmedizin statt. Infos dazu auch hier im Internet. Die neue Studie zum Thema Fluglärm und Herzschädigungen findet Ihr hier im Internet, auch zum Download.