Der Krieg in der Ukraine hat deutlich gemacht: Ein Krieg ist auch in Europa wieder möglich. Die ÖDP wollte nun im Mainzer Stadtrat wissen: Wie viele Zivilschutzbunker stehen den Mainzern eigentlich in einem Krisenfall überhaupt noch zur Verfügung? Die erschreckende Antwort der Stadtverwaltung: kein einziger. Mehr noch: Die Stadt hat auch keinerlei Evakuierungspläne für Katastrophenfälle vorbereitet. Dies sei „nicht zielführend“, da auf unterschiedliche Gefahrenlagen unterschiedlich reagiert werden müsse, teilte die Stadt nun mit.

Mainz wurde im Zweiten Weltkrieg massiv bombardiert, hier der Blick vom Dom über die zerstörten Häuser des Brandgebiets hinweg Richtung Rhein. - Foto: Stadtarchiv Mainz
Mainz wurde im Zweiten Weltkrieg massiv bombardiert, hier der Blick vom Dom über die zerstörten Häuser des Brandgebiets hinweg Richtung Rhein. – Foto: Stadtarchiv Mainz

Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 hat die Republik aufgeschreckt: Eine Flutwelle gigantischen Ausmaßes wälzte sich das Ahrtal hinab und riss alles in Tod und Verderben, was im Weg stand – Brücken, Häuser, Straßen und Menschenleben. Deutschland, stellten die Bürger danach nicht wenig entsetzt fest, ist auf solche Katastrophe nur sehr unzulänglich vorbereitet. Im Katastrophenschutz fehlt es an Ausrüstung, an Übung und an gut ausgebildeten Fachkräften, jahrzehntelang wurde gespart anstatt investiert, Sirenen abgebaut, notwendige Fahrzeuge für die R4ettung etwa im Hochwasserfall nicht angeschafft.

Dann brach am 24. Februar 2022 der Krieg in der Ukraine aus, und angesichts der Bombenangriffe mitten in Europa, fragte sich Deutschland nun: Wie wären wir eigentlich für so einen Fall geschützt? Die Antwort lautet: ausgesprochen schlecht. „Nicht nur der russische Angriffskrieg in der Ukraine zeigt, dass auch wir in Deutschland uns wieder stärker auf Katastrophenfälle vorbereiten sollten“, betonte nun die ÖDP in Mainz – und fragte bei der Stadt Mainz nach: Wie viele Zivilschutzbunker stünden eigentlich mit wie vielen Plätzen in Mainz den Einwohnern im Krisenfall zur Verfügung?

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Die Antwort der Stadt Mainz fiel kurz aus: keine. Nach dem „Kalten Krieg“ in den 1990ger und Anfang der 2000er Jahre seien in Mainz und auch in anderen Kommunen die Schutzräume zurückgebaut worden, teilte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) schriftlich auf die Anfrage mit: „In Mainz ist kein Schutzraum mehr als solcher nutzbar.“

Die Keller der Kupferbergterrasse dienten im zweiten Weltkrieg als Zufluchtsort. - Foto: gik
Die Keller der Kupferbergterrasse dienten im zweiten Weltkrieg als Zufluchtsort. – Foto: gik

Tatsächlich standen schon im Zweiten Weltkrieg nur an wenigen Stellen in Mainz überhaupt Bunker zur Verfügung, einer soll sich im Volkspark in Mainz-Weisenau befunden haben. Der sei nach dem Krieg „einfach zugemauert“ worden, berichtete ein Teilnehmer eines Militärforums im Internet, andere berichten dort von Bunkeranlagen im Selztal oder im Ober Olmer Wald. In Mainz seien im Krieg keine eigenen Bunker für die Zivilbevölkerung gebaut worden, heißt es auf der Seite der „Mainzer Unterwelten“ – tatsächlich suchten die Mainzer meist in ihren Kellern vor den Bomben der Alliierten Schutz.

Keller auf dem Kupferbergt, Tunnel unter der Zitadelle

Als Schutzräume dienten aber auch die uralten und tiefen Keller der Kupferbergterrasse , mehrere tausend Menschen fanden zudem in den Gängen unter der Mainzer Zitadelle Zuflucht: Das 300 Jahre alte Tunnelsystem erstreckt sich von der Zitadelle oberhalb des Mainzer Südbahnhofs bis zu den Gleisen hinunter, die „Mainzer Unterwelten“ geben Führungen durch das Tunnelsystem (derzeit allerdings nur eingeschränkt), ebenso die Initiative Zitadelle Mainz – Infos und Termine hier im Internet.

 

Die ÖDP wollte ferner wissen, wie denn die Stadt Mainz auf Krisenfälle und Katastrophenfälle vorbereitet sei – ob es etwa Evakuierungspläne für bestimmte Krisenfälle gebe? Und ob es dazu auch mehrsprachige Informationsplattformen gebe? Die lapidare Antwort: „Für konkrete Krisenfälle gibt es keine Evakuierungspläne“, teilte Ebling mit: „Dies wäre auch nicht zielführend, da auf unterschiedliche Gefahrenlagen unterschiedlich reagiert werden muss.“ Mehrsprachige Informationsplattformen existierten ebenfalls nicht. Es gebe aber eine festgelegte Auswahl von Sporthallen in den Stadtteilen, die im Krisenfall flexibel als Notunterkünfte eingerichtet werden könnten.

Zufluchtsort im Zweiten Weltkrieg: Die unterirdischen Gänge unter der Mainzer Zitadelle. - Foto: gik
Zufluchtsort im Zweiten Weltkrieg: Die unterirdischen Gänge unter der Mainzer Zitadelle. – Foto: gik

Eine Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) – danach hatte die ÖDP ebenfalls gefragt – gebe es auch nicht, teilte der Oberbürgermeister weiter mit, das sei auch gar nicht vorgesehen: „Eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen BBK und Stadt Mainz findet nicht statt“, denn zuständiger Ansprechpartner für die Stadt sei das Land Rheinland-Pfalz, und dort die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) als Ansprechpartnerin. „Die Stadt Mainz bedient sich nur den Publikationen des BBK, die jedermann zum Download auf der Homepage des BBK zur Verfügung stehen“, heißt es weiter.

Experte fordert Übungen, Krisenstäbe und Vorbereitung der Bürger

Seit der Katastrophe im Ahrtal fordern Experten vehement, der Katastrophenschutz müsste dringend neu und deutlich professioneller aufgestellt werden. So schlug etwa gerade der langjähriger Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Albrecht Broemme, in einem Gutachten für das Land Rheinland-Pfalz professionelle Krisenstäbe für jede Kommune im Land vor. Danach müsse jeder Landkreis und jede Kommune einen jederzeit einsatzfähigen Krisenstab vorhalten, der „mit geeigneten, trainierten Personen aus den erforderlichen Sparten (einschließlich der Verwaltung) besetzt“ sei.

Das System der Gänge unter der Mainzer Zitadelle kann heute besichtigt werden. - Foto: gik
Das System der Gänge unter der Mainzer Zitadelle kann heute besichtigt werden. – Foto: gik

Zudem forderte Broemme mehr Vorbereitung und regelmäßige Katastrophenschutz-Großübungen, eine (selbst-)kritische Auswertung der Einsätze – denn Krisenmanagement müsse auch trainiert werden und von allen Akteuren „gut geübt sein“. Zudem müssten die Kommunen ihre Bewohnerschaft „konkret, frühzeitig und spezifisch informieren und warnen“, betonte der Experte weiter: „Ohne vorherige, präventive Information und Aufklärung der Bevölkerung wird keine Warnung je funktionieren.“

Derzeit gibt es in Mainz jedoch kaum Warnmeldungen von Seiten der Stadt bei Unwettern oder Gefahren: Die von der Stadt Mainz genutzte Warnapp Nina schlug bei den vergangenen Übungen meist gar nicht an – oder verschickte nur Entwarnungen. Bei Feuerwehreinsätzen wird vor giftigen Rauchentwicklungen meist gar nicht gewarnt, Informationen über Schutzmaßnahmen im Katastrophenfall, über Evakuierungswege oder Orte, wo man Hilfe findet, werden von Seiten der Stadt Mainz nicht kommuniziert.

Erfolgreiches Warnen setze vorab „die Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung (Kindergärten, Schulen, Altenheime, Handzettel für jeden Haushalt, …) voraus“, betont Broemme in seinem Papier, und schreibt weiter: Für den Katastrophenfall sollte es zudem in allen Kommunen vorab definierte „Katastrophen-Leuchttürme (Kat-Leuchttürme)“ geben. Dabei handele es sich um vorgeplante stationäre (ggf. auch mobile) Einrichtungen, die der Bevölkerung bekannt sein sollten, und an denen im Katastrophenfall Hilfe, Informationen und Unterstützung zu bekommen sie.

Info& auf Mainz&: Mehr zu Broemmes Analysepapier „Strategien für Rheinland-Pfalz zur Vorbeugung, Vorbereitung, Koordinierung, Nachbereitung und zur verbesserten Resilienz“ lest Ihr hier bei Mainz&:

Flutkatastrophe Ahrtal: Experte Broemme schlägt Landesamt für Katastrophenschutz vor – Krisenstäbe und Katastrophen-Leuchttürme