Bund und Länder haben sich am Montag nicht auf weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einigen können. Nach fünf Stunden Beratungen reichte es am Ende nur für einen Appell: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte, auf alle verzichtbaren Kontakte zu verzichten, den Öffentlichen Nahverkehr zu meiden und private Feiern gänzlich zu streichen. Die gute Nachricht: Die Dynamik des exponentiellen Anstiegs ist vorerst gestoppt. Die schlechte: die Zahlen sind noch sehr weit von der Grenze entfernt, ab der die Kontaktnachverfolgung wieder durchgängig möglich ist. Bund und Länder wollen deshalb am 25. November wieder zusammentreten – und dann Beschlüsse für Dezember und Januar fassen.

November-Lockdown in der Mainzer Innenstadt: Leere Tische am Samstagabend. - Foto: gik
November-Lockdown in der Mainzer Innenstadt: Leere Tische am Samstagabend. – Foto: gik

Am heutigen Montag wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Chefs der Bundesländer eine Zwischenbilanz des November-Lockdowns ziehen. Seit dem 2. November sind sämtliche Freizeit-, Kultur und die meisten Sporteinrichtungen wieder geschlossen, mit dem „Wellenbrecher-Lockdown“ soll der exponentielle Anstieg der Corona-Neuinfektionen gebrochen werden. Der Lockdown gilt bis Ende November, nach zwei Wochen wolle man aber Bilanz ziehen, kündigte Merkel Ende Oktober an – das war am heutigen Montag.

Doch statt weitere Maßnahmen auf den Weg zu bringen oder selbige zu lockern, wurde gestritten: Verschiedene Medien berichteten über den Nachmittag hinweg, hinter den Türen der digitalen Konferenz herrsche dicke Luft, Bund und Länder stritten heftig. Der Grund: Das Bundeskanzleramt hatte über das Wochenende ein neues Entscheidungspapier vorgelegt – und das sah offenbar neue scharfe Einschnitte für die Bevölkerung vor. Doch die Länder wollten das nicht mittragen, ein Streichkonzert im Text folgte – und am Ende die Vertagung.

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Konnte sich mit schärferen Corona-Maßnahmen am Montag nicht durchsetzen: Bundeskanzlerin Angela Merkel. - Screenshot: gik
Konnte sich mit schärferen Corona-Maßnahmen am Montag nicht durchsetzen: Bundeskanzlerin Angela Merkel. – Screenshot: gik

„Wir treffen heute keine Entscheidungen“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unmittelbar nach Ende der Konferenz vor der Presse – Bouffier trat als erster zum Statement vor die Kameras. Die Kanzlerin selbst sprach kurz danach von „guten Entscheidungen“ und einem wichtigen Zwischenfazit – nur Minuten später berichtetet die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), man habe sich auf einen Appell geeinigt. „Der Appell ist echt ernst gemeint“, betonte Dreyer, die nächsten zwei Wochen seien für die Entwicklung des Pandemiegeschehens entscheidend.

Wie der Appell nun aussieht, sagte Merkel in ihrem Statement: „Auf alle verzichtbaren Kontakte ist zu verzichten“, betonte die Kanzlerin im Amtsdeutsch, nur noch absolut notwendige Kontakte solle man wahrnehmen. Am besten sollten Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts nur noch auf einen festen weiteren Kontakt beschränkt werden, das gelte auch für Kinder. „Auf private Feiern ist gänzlich zu verzichten“, betonte die Kanzlerin weiter, und auch auf nicht-notwendige Fahrten im Öffentlichen Nahverkehr solle verzichtet werden. Das dürfte in den kommenden Tagen erhebliche Verkehrsprobleme geben: Viele Firmen sind längst wieder zur Präsenzarbeit zurückgekehrt, das Homeoffice wurde vielerorts wieder gestrichen – einen allgemeinen Lockdown gibt es ja nicht.

Stand des Corona-Infektionsgeschehens in Deutschland nach 7.-Tages.Inzidenz am 16. November 2020 laut RKI-Dahsboard. - Foto: gik
Stand des Corona-Infektionsgeschehens in Deutschland nach 7.-Tages.Inzidenz am 16. November 2020 laut RKI-Dahsboard. – Foto: gik

Zudem sollten sich Menschen mit Erkältungssymptomen umgehend zum Arzt begeben und anschließend nachhause gehen, und sich dort bis zum Abklingen bleiben, sagte Merkel weiter. Ganz wichtig sei auch, Besuche bei vulnerablen Personen nur zu absolvieren, wenn man absolut symptomfrei sei und sich in den Tagen vor dem Besuch keinem Risiko ausgesetzt habe.

Der Grund für den strengen Appell der Kanzlerin: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt noch immer, und sie steigt in hohem Maße. Am Montag meldete das Robert-Koch-Institut 10.824 Neuinfektionen, allerdings werden an Montagen immer weniger Fälle gemeldet, da viele Gesundheitsämter am Sonntag Zahlen nicht weitergeben. „Eine Trendumkehr ist noch nicht erreicht“, warnte Merkel deshalb, doch es gebe auch eine gute Nachricht: „Die Dynamik ist gebrochen, wir haben erst mal das exponentielle Wachstum gestoppt.“

Damit hätte Deutschland im Gegensatz zu den meisten seiner Nachbarländer mit nur zwei Wochen teil-Lockdown bereits einen weiteren exponentiellen Anstieg der Coronainfektionen stoppen können – das wäre ein großer Erfolg. Österreich etwa verhängte am Sonntag einen scharfen Voll-Lockdown, weil dort die Coronazahlen exponentiell explodierten und das Gesundheitssystem bereits an sein Limit kommt. Doch die Kurve in Deutschland bewegt sich derzeit maximal seitwärts, wie Virologen kritisch anmerken – für einen echten Erfolg müsste sie wieder absinken.  Das mahnte auch Merkel am Montag an: Das Ziel sei weiter, eine Infektionsmenge von 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern zu erreichen, betonte die Kanzlerin, erst bei diesem Wert können die Gesundheitsämter die Kette der Neuinfektionen sicher nachverfolgen.

Die Bundeswehr hilft inzwischen in Mainz bei der Nachverfolgung der Corona-Infektionsketten, trotzdem kommt das Gesundheitsamt nicht mehr hinterher. - Foto: gik
Die Bundeswehr hilft inzwischen in Mainz bei der Nachverfolgung der Corona-Infektionsketten, trotzdem kommt das Gesundheitsamt nicht mehr hinterher. – Foto: gik

In Mainz betrug die 7-Tages-Inzidenz am Montag 216 Fälle pro 100.000 Einwohner, landesweit gab es am Montag 896 neu gemeldete Fälle. Merkel sagte weiter, die Konferenz habe die gemeinsame Hotspot-Strategie noch einmal bekräftigt, Entscheidungen zu Schulen und Kitas traf die Runde aber nicht. Auch sind die Kontakteinschränkungen vorerst nur Empfehlungen, Bouffier betonte deshalb ausdrücklich, es werde vorerst keine Veränderungen der in Hessen geltenden Regelungen geben. Zwar sei „vieles aus virologischer Sicht erwähnenswert und möglich“, die Politik müsse aber auch abwägen, wie das soziale Leben und das Wirtschaftsleben gleichzeitig gut stattfinden könnten. Schulen und Kitas sollen in jedem Fall offen bleiben, so die Politik – auch wenn Virologen zunehmend deutlich anderes empfehlen.

Dreyer räumte aber auch ein, das Papier des Kanzleramtes, das scharfe Beschränkungen verbindlich vorschreiben wollte, sei „suboptimal“ gewesen und habe „zu großem Unmut“ unter den Länderschefs geführt. Offenbar waren Länder wie Schleswig-Holstein oder Brandenburg, in denen die Fallzahlen bereits deutlich zurückgegangen sind, strikt gegen weitere Verschärfungen, doch damit kippten sie eben auch weitere Maßnahmen für echte Corona-Hotspots. Man habe „lange darüber geredet, ob es Maßnahmen gibt, Risiken in Hotspots weiter zu reduzieren“, sagte Dreyer – eine Einigung gab es indes nicht.

SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach mahnt klarere Maßnahmen gegen die zweite Coronawelle an. - Screenshot: gik
SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach mahnt klarere Maßnahmen gegen die zweite Coronawelle an. – Screenshot: gik

Dabei betonte die Ministerpräsidentin gleichzeitig auch, die nächsten zwei Wochen seien entscheidend – in ihnen entscheidet sich, ob Deutschland den Teil-Lockdown verlängern oder sogar verschärfen muss. Sogar die Weihnachtsfeiertage könnten dann für breitere Familientreffen auf dem Spiel stehen. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte schon mal, es sei in jedem Fall besser, den Teil-Lockdown zu verlängern statt vorzeitig abzubrechen.

SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach kritisierte denn am Abend auch die Untätigkeit: „Die Beschlüsse von heute sind klar enttäuschend“, schrieb Lauterbach auf seinem Facebook-Profil: „Wir verlieren Zeit.“ Lauterbach kritisierte, dass es in den Schulen weiter keine Klassenteilung und keine flächendeckende Maskenpflicht geben werde, auch wirksame Quarantäneregeln habe man nicht beschlossen. „Bei privaten Kontakten nur Appelle“, sagte Lauterbach Kopfschüttelnd, damit sei im Prinzip klar, was folgen werde: „In zehn Tagen werden die Maßnahmen umso härter ausfallen müssen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Wellenbrecher-Lockdown und was er bewirken soll, lest Ihr hier auf Mainz&. Mit dem Lockdown ist auch das Prinzip des #flattenthecurve zurück – wir haben das im Frühjahr mal ausführlich hier erklärt. Der Lockdown im Frühjahr war übrigens ausgesprochen erfolgreich: Deutschland kam damit so gut durch die Corona-Pandemie wie kaum ein anderes europäisches Land.

 

 

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