In der Flutnacht des 14. Juli 2021 blieben Warnungen der Bevölkerung im Landkreis Ahrweiler zum großen Teil aus oder kamen viel zu spät, die Landesregierung muss nun einräumen: Einen Alarm- und Einsatzplan Hochwasser gab es im Kreis Ahrweiler nicht – obwohl er gesetzlich vorgeschrieben gewesen wäre. Kontrolliert wird das offenbar nicht: Rund die Hälfte der Kreise in Rheinland-Pfalz verfügt über keine Einsatz- und Alarmpläne für Hochwasser, erfuhr nun die AfD auf eine Kleine Anfrage im Landtag. Damit rückt nun das Innenministerium wieder mehr in den Fokus der Frage: Was wurde in der Vorsorge versäumt? Der Untersuchungsausschuss im Landtag geht heute zudem der Frage nach: Warum warnte die Integrierte Leitstelle Koblenz in der Flutnacht nicht?
Seit Ende 2021 spürt der Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag der Frage nach, wie es zur Katastrophe im Ahrtal am 14. Juli 2021 mit 134 Toten kommen konnte, am heutigen Freitag geht es erneut um die Frage: Wie gut ist der Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz aufgestellt? Die AfD im Mainzer Landtag erfuhr nun auf eine Kleine Anfrage: Offenbar ist es um die Vorsorge in den Landkreisen ausgesprochen schlecht bestellt – und um die Kontrolle wichtiger Vorsorgepläne noch mehr.
Rund die Hälfte der Kreise in Rheinland-Pfalz verfüge nämlich über keine Einsatz- und Alarmpläne für Hochwasser, teilte die AfD nun unter Bezug auf die Antwort der Landesregierung mit – und das galt auch für den Kreis Ahrweiler. Dabei seien solche Alarm- und Einsatzpläne vom Katastrophenschutzgesetz des Landes vorgeschrieben, betonte der AfD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Michael Frisch. Die Zahlen seien “erschreckend”, zumal die Einhaltung der Pläne offenbar nicht kontrolliert werde.
“Dass das Land als Rechtsaufsicht nicht einmal den Versuch unternommen hat, die Einhaltung der diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften zu überprüfen, kann man nur als fahrlässig bewerten”, kritisierte Frisch. Zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe habe auch im Kreis Ahrweiler der vorgeschriebene Alarm- und Einsatzplan Hochwasser nicht existiert. “Das ist ein unfassbares Versäumnis, dem möglicherweise zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen sind”, sagte Frisch weiter, und schimpfte: “Es ist schlichtweg zu wenig, sich in einer so sensiblen Frage einfach darauf zu verlassen, dass schon alles in Ordnung ist.”
Wozu brauche man “ein für den Katastrophenschutz verantwortliches Innenministerium, wenn es über Jahre hinweg bestehende erhebliche Verstöße gegen das Katastrophenschutzgesetz in 11 von 24 Landkreisen weder bemerkt noch abstellt?”, fragte Frisch weiter. Es sei doch “weltfremd und wenig plausibel, dass das Innenministerium von diesen gravierenden Lücken im Katastrophenschutz wirklich nichts wusste.” Tatsächlich rückt inzwischen immer mehr die Rolle des Innenministeriums in der Flutnacht in den Fokus: Die Frage, was das für das Katastrophenmanagement zuständige Haus in der Flutnacht genau tat, ist bislang weitgehend unbeantwortet.
Auch die Frage der Vorsorge und des Zustandes des Katastrophenschutzes im Land rücken zunehmend in den Fokus – spannend dürfte dazu die Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe im Ahrtal am heutigen Freitag sein: Geladen ist am Vormittag als Zeuge Bernd Grzeszick, Professor für Staatsrecht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie von der Universität Heidelberg. Grzeszick soll ein Rechtsgutachten zum Brand- und Katastrophenschutzgesetz des Landes vorstellen, das Gesetz definiert die Aufgaben von Feuerwehren, aber auch von anderen Hilfsorganisationen, sowie die Befugnisse von Einsatzleitungen und die Aufgaben der Kreise und Städte.
Geladen sind zudem vor den Ausschuss Experten der Katastrophen-Warn-App Katwarn vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Sie sollen Auskunft geben über eine weitere Panne in der Flutnacht: Der Landkreis Ahrweiler hatte um 23.09 Uhr dann doch noch eine Warnung an die Bevölkerung herausgegeben, allerdings nur über die Handy-App Katwarn. Die ist normalerweise aber mit der zweiten Warn-App Nina gekoppelt, damit Warnungen auf der einen App auch auf der zweiten App ausgespielt werden – doch genau das funktionierte in der Flutnacht nicht: Nina blieb stumm.
Die Integrierte Leitstelle Koblenz wiederum hatte gar keine Warnung an die Bevölkerung herausgegeben, und das, obwohl bei der Leitstelle in der Flutnacht Tausende an Notrufen aus dem Ahrtal eingingen. Der Grund kam im April auf Anfrage der Freien Wähler heraus: Eine breite Warnmeldung der Bevölkerung über das Modulare Warnsystem MoWas sei nicht ausgelöst worden, weil der Landkreis kein Fax schickte, mit dem er die Warnung hätte anfordern müssen, antwortete das Innenmininsterium.
Die Leitstelle sei zum Auslösen des Alarms schlicht nicht befugt gewesen, verteidigte daraufhin die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft das Vorgehen der Kollegen in der Flutnacht, den Freien Wählern reicht das nicht aus: Warum sei die Integrierte Leitstelle Koblenz nicht von sich aus, proaktiv auf die Technische Einsatzleitung in Ahrweiler zugegangen und habe die Aktivierung von MoWaS angefragt, sagte FW-Obmann Stephan Wefelscheid, diese Frage müsse amn Freitag im Untersuchungsausschuss beantwortet werden.
Vertreter des Landkreises Bernkastel -Wittlich hatten vor einer Woche vor dem Ausschuss nämlich von einer ganz anderen Form der Zusammenarbeit berichtet: Leitstelle und Krisenstab stünden im regelmäßigen Austausch, insbesondere über Telefon, E-Mail oder Funk, hatte der zuständige Leiter des technischen Katastrophenschutzes des Landkreises Bernkastel-Wittlich, Johannes Valerius, berichtet: Von welchen Seiten die Kontaktaufnahme erfolge, sei situationsabhängig – und die Leitstelle nehme durchaus auch von sich aus mit der Einsatzleitung Kontakt auf, wenn hierfür Bedarf bestehe.
“Diese doch recht klaren Schilderungen werfen bei mir einmal mehr Fragen auf”, sagte Wefelscheid nach der Sitzung – die Vertreter aus Koblenz werden sich gezielten Fragen stellen müssen. Geladen sind vor den Ausschuss der leitende Koblenzer Branddirektor Meik Maxeiner, Branddirektor Markus Obel, der Abteilungsleiter der Integrierten Leitstelle Oberbrandrat Christian Märkert sowie die zuständige Koblenzer Bürgermeisterin Ulrike Mohrs (CDU).
Die Fax-Regelung wiederum ist durch eine Richtlinie aus dem Mainzer Innenministerium vorgeschrieben, Wefelscheid hatte zuletzt kritisiert, es sei doch “absurd zu, dass am Ende des Tages das Wohl und Wehe eines solchen Warnsystems von einer Richtlinie abhängt, die offensichtlich so starr ist, dass sie keine Flexibilität zulässt oder auch nur eine Nachfrage verhindert.” Und was, wenn niemand mehr da sei, der eine solche Aufforderung abschicken könne? Mehr dazu lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel: “Fax aus dem Jenseits?”
Info& auf Mainz&: Die Freien Wählern hatten jüngst zudem festgestellt, dass im Land auch keine Katastrophenschutzpläne für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrücke existieren, warum das nicht banal ist, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen: