Kundenschwund, Umsatzeinbußen, Zeitverlust und abwandernde Mitarbeiter – die Folgen des aktuellen Baustellen-Chaoses durch die zeitgleiche Sperrung der Binger Straße und der Windmühlenstraße in Mainz sind dramatisch. Das belegt nun eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rheinhessen mit Zahlen: Danach hat sich die Erreichbarkeit für Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten für 86 Prozent der Unternehmen verschlechtert – und drei Viertel beklagen negative wirtschaftliche Folgen durch die Verkehrslage. 17 Prozent sehen sich gar in ihrer Existenz gefährdet. Mainz& liegt die gesamte Umfrage vor.
Ende Juni 2024 sperrte die Stadt Mainz wegen Bauarbeiten für eine Straßenbahn-Spange die Binger Straße stadtauswärts für den Verkehr – die Sperrung soll bis Ende 2025 bleiben. Seither ächzt Mainz unter einem Verkehrs-Infarkt, bildet sich regelmäßig ein kilometerlanger Rückstau für den stadteinwärts fahrenden Verkehr, der zeitweise die gesamte Saarstraße bis zur Johannes-Gutenberg-Universität hinaufreicht. Denn: zeitgleich mit der Binger Straße ist auch die Windmühlenstraße für den Verkehr gesperrt, damit sind gleich zwei wichtige Tangenten für den Verkehr in Richtung Stadt lahmgelegt.
Schon Anfang Juli hatten Vertreter von Handel und Gastronomie eindringlich gewarnt, die Erreichbarkeit der Innenstadt sei stark eingeschränkt, es drohten massive Umsatzrückgänge, weil Kunden fernblieben, die Attraktivität der Stadt als Einkaufszentrum werde erheblich leiden. Nun belegen erstmals Zahlen genau diese Einschätzung: Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Rheinhessen hat sich die Erreichbarkeit für Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten für 86 Prozent der Unternehmen verschlechtert – und drei Viertel berichten von negativen wirtschaftlichen Folgen durch die Verkehrslage.
Umfrage: 81 Prozent Kundenrückgang, 83 Prozent Umsatzeinbußen
Die IHK hatte im September 2024 ihre Mitgliedsbetriebe aus den unterschiedlichen Branchen zur Betroffenheit der Wirtschaft von den Baumaßnahmen in Mainz befragt. Die Ergebnisse sind dramatisch: 81 Prozent der Betriebe, die einen negativen Einfluss sehen, stellen einen Rückgang der Kundenfrequenz fest, 83 Prozent geben an, von Umsatzeinbußen betroffen zu sein. Schlimmer noch: Für 17 Prozent sind die negativen Auswirkungen sogar existenzbedrohend.
Die Umfrage erfolgte zwischen dem 28. August und dem 25. September 2024 unter 683 Unternehmen aus der Mainzer Innenstadt, und zwar aus den Branchen Handel, Dienstleistung, Hotel und Gastgewerbe sowie der Industrie. 11,4 Prozent der Befragten lieferten Antworten, damit seien die Ergebnisse repräsentativ, betont man bei der IHK. Gefragt wurden nur Betriebe aus dem Postleitzahlenbereich 55116, also dem innersten Altstadtkern mit Fußgängerzonen und Einkaufszentren, weitere Auswirkungen von Staus und schlechter Erreichbarkeit sind dabei also nicht mit berücksichtigt.
Wenig überraschend gaben dabei 72,3 Prozent an, eine gute Erreichbarkeit sei wichtig für ihre Kunden, knapp 60 Prozent nannten aber auch Warenanlieferungen und Transporte als wichtigen Aspekt – und sogar 76,6 Prozent betonten den Aspekt der guten Erreichbarkeit für Mitarbeiter als sehr wichtig. 46 Prozent berichten denn auch, sie hätten durch die schlechte Erreichbarkeit Kostensteigerungen wegen größerem Zeit- und Energieaufwand – und 17 Prozent nennen sogar die Abwanderung von Mitarbeitern als eine Folge.
Schwierige Verkehrslage in der Innenstadt durch Baustellen verschärft
Die Ergebnisse machten noch einmal “deutlich, wie stark die insgesamt schwierige Verkehrssituation in der Innenstadt durch die Baustellen verschärft wird”, sagte Jan Sebastian, Mainzer Einzelhändler und Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses. Die Stadt müsse nun “alle Hebel in Bewegung setzen, damit Kundinnen und Kunden – vor allem aus dem Umland von Mainz – nicht auf andere Städte oder Einkaufszentren ausweichen”, forderte Sebastian. Auch für die Mitarbeitenden sei die Situation “aufgrund deutlich längerer Fahrtzeiten eine Herausforderung – und in Zeiten des Fachkräftemangels ein besonderes Problem.”
Denn bei der Umfrage gaben die Betriebe auch an, dass das Auto noch immer das wichtigste Verkehrsmittel für die Unternehmen ist, sei es für Kunden oder für Mitarbeiter: 82,7 Prozent gaben an, die Erreichbarkeit mit dem Pkw sei für ihr Unternehmen “sehr wichtig”, für weitere 13,3 Prozent war es immerhin noch “wichtig” – damit liegt das Auto mit 96 Prozent in der Wichtigkeit weit auf Platz 1. Die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV ist für 68,5 Prozent “sehr wichtig”, und für 19,2 Prozent “wichtig” – damit rangieren Busse und Bahnen mit insgesamt 87,7 Prozent wichtig bis sehr wichtig.
Auf Platz drei folgt dann die Erreichbarkeit zu Fuß, diese ist für 50 Prozent “sehr wichtig”, und für weitere 27,9 Prozent “wichtig”. Das Fahrrad folgt erst auf Platz vier, hier stufen 44,3 Prozent die Erreichbarkeit als “sehr wichtig” ein, weitere 31,4 Prozent als “wichtig” – für 24,1 Prozent der Betriebe ist das weniger wichtig oder sogar unwichtig. Eine Erreichbarkeit für Lieferverkehr oder Lkw ist schließlich für 61,6 Prozent der Unternehmen sehr wichtig, für weitere 12,3 Prozent wichtig, und damit nur für 26,1 Prozent unwichtig.
Hauptprobleme: Kundenverlust, Zeitverlust, schlechter ÖPNV
Als Hauptprobleme nannten die Betriebe explizit und an erster Stelle Kundenrückgang, insbesondere von Kunden aus dem Umland sowie die Abwanderung von Kunden in andere Städte oder Einkaufszentren. Auf Platz zwei liegt ein Zeitverlust durch Sperrungen und Staus, auf Platz drei wird Kritik am Öffentlichen Nahverkehr laut: Der ÖPNV sei “zu teuer, unzuverlässig und ausbaufähig.” Das Angebot des Null-Euro-Samstags mit kostenlosen Bussen und Bahnen am ersten Samstag im Monat wird deshalb mehrheitlich positiv bewertet. Erst auf Platz vier wird das Problem “mangelnde Kommunikation und Information zu Baustellen” genannt, auf Platz fünf liegt das Problem, dass Mitarbeiter längere Anfahrtszeiten benötigen.
Zur Frage einer Ausweitung von Tempo 30 in der Innenstadt äußern sich die Betriebe differenziert: Eine leichte Mehrheit von 44 Prozent sieht eine Ausweitung negativ, 32 Prozent aber positiv – und 23 Prozent differenzieren ihre Antwort oder sind neutral. Nach Angaben der IHK kritisieren die Betriebe vor allem, die Ampelphasen müssten besser angepasst werden, und Tempo 30 solle nicht auf Hauptverkehrsachsen gelten –
stattdessen wird Tempo 40 statt Tempo 30 vorgeschlagen.
Für eine bessere Verkehrsplanung sei vor allem eine bessere Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Pkw wichtig, aber auch die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer – und ein Gesamtkonzept. Gefragt nach Verbesserungswünschen gaben zudem 83 Prozent eine bessere Koordination von Baustellen an, 71 Prozent wünschen sich eine frühzeitige Information von Anliegern und Öffentlichkeit, 69 Prozent wollen eine Anpassung der Ampelphasen und 64 Prozent eine klarere Beschilderung von Umleitungen. 35 Prozent wünschen sich zudem mehr Park and Ride-Parkplätze.
“Die Ergebnisse machen deutlich, dass es dringend nötig ist, bei der Baustellenplanung auch die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Betriebe zu berücksichtigen – und diese so gut wie möglich abzufedern”, betonte IHK-Hauptgeschäftsführerin Karina Szwede, und warnte: “Die Mainzer Innenstadt ist ein Anziehungsmagnet – deshalb müssen wir es den Menschen so leicht wie möglich machen, sie zu erreichen.”
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Auswirkungen des Baustellenchaoses in Mainz lest Ihr noch einmal hier bei Mainz&.