„Mainz braucht mehr Grün“, schallt es auf allen Wahlkampf-Kanälen durch Mainz, egal von welcher Richtung. Schon im Kommunalwahlkampf war es allen kämpfenden Parteien ausgesprochen wichtig zu betonten: Man habe verstanden, Lehren aus dem Bibelturm-Desaster gezogen – Mainz brauche mehr Grüne, ein schöneres Rheinufer gar. Und was geschah vergangenen Freitag? Da gaben Oberbürgermeister und Bauderzenentin voller Stolz ein neues, frisch fertig gestelltes Rheinufer im Zollhafen frei – und die Mainzer tauften es prompt: Steinwüste. Im Jahr 2019, mitten im Klimawandel, weiht Mainz eine Steinwüste ein – und viele fragten sich: Wo sind eigentlich die Mainzer Grünen? Wie kann man in Zeiten von Klimakollaps, Fridays for Future und sich aufheizenden Innenstädten eigentlich so eine Wüstenei aus Beton und Stein schaffen?
Im ewigen Sommer 2018 war es deutlich zu spüren: In der Mainzer Innenstadt stand die Luft, von den Betonflächen und gerade auf den großen Plätzen stieg Hitze auf wie aus einem Backofen. Die massive Nachverdichtung der vergangenen Jahre machte sich in deutlich spürbar größerer Hitze bemerkbar – Mainz briet in der Hitze wie in einem Glutofen. Auch in diesem Sommer wieder sorgten Hitzewellen für ein Klima, in dem sich gefühlt kaum noch Luft holen ließ. Abhilfe versprachen Schwimmbäder, das Rheinufer und Grünanlagen – und alles davon war denn auch schnell überfüllt.
Nur: Grünanlagen hat Mainz viel zu wenige, das stellen Stadtplaner schon seit Jahren immer wieder fest. Schon 2014 bei der Aufstellung des neuen „Integrierten Entwicklungskonzeptes“ (IEK) hatte der Städtebauexperte, Professor Kunibert Wachten, die Stadt Mainz eindringlich in seiner Analyse gemahnt, Mainz habe viel zu wenig Grün in der Stadt. Vor allem das Rheinufer brauche dringend eine Aufwertung, mehr Aufenthaltsqualität, bessere Zugangsmöglichkeiten für die Mainzer. „Mehr Grün für Mainz“ forderten denn auch brav alle Parteien im Kommunalwahlkampf – allen voran die Grünen. „Klar! für mehr Grünflächen“ titelte die Partei stadtweit im Wahlkampf – und wurde prompt mit 27,6 Prozent zur stärksten Kraft im neuen Mainzer Stadtrat gewählt.
Vergangenen Freitag gab die Mainzer Stadtspitze dann mit viel Stolz das neu gestaltetet Rheinufer auf der Südmole im Mainzer Zollhafen frei. Von einem Stück Lebensraum am Rhein schwärmte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) sprach von „dem schönsten Reinufer“ weit und breit. Es sei ein Raum für Begegnungen entstanden, freute sich Ebling – und tatsächlich: Viel Platz ist hier jetzt in der Tat. 15.000 Quadratmeter große ist die Fläche – dun sie ist weitgehend leer. Einige wenige Bänke stehen lediglich vor dem Alten Weinlager, die riesige Fläche auf der nördlichen Südmole gähnt in weiter Leere.
Die Mainzer reagierten entsetzt: „Das ist eine Steinwüste“, schrieb eine Leserin, „erschreckend“, nannte es ein weiterer Leser. „Noch karger geht’s ja kaum, sehr einladend…“, reagierte ein Kommentator auf der Mainz&-Facebookseite. „Öde“, „entsetzlich“, „gräulich“ lauteten weitere Kommentare. „So langsam müsste man doch erkannt haben, wie die Versiegelung zur Aufheizung der Stadt beiträgt“, kommentierte ein Leser: „Garen auf dem heißen Stein“ sei am Zollhafen jetzt ganz ohne Grill kein Problem mehr.
„Hier werden unschöne Un-Orte kreiert, ein ums andere Mal. Traurig. Die Chance für Grünflächen auf beiden Seiten war da. Und wurde vergeben“, kritisierte ein weiterer Leser. Das sahen viele so: „Die Chance CO2-freundlich, insektenfreundlich und letztendlich menschenfreundlich zu gestalten/begrünen wurde leider vertan! ;(„, kommentierte eine weitere Leserin. Und manch Kommentator fragte sich, wofür eigentlich Grüne im Mainzer Stadtrat säßen.
Tatsächlich regieren in Mainz die Grünen seit zehn Jahren mit, seit acht Jahren stellen sie die Umweltdezernentin – und man fragte sich: Wieso hat das NEIN der Dezernentin zu diesen Planungen eigentlich nicht das Rathaus erbeben lassen? Wo waren die Grünen, als diese Planung realisiert wurde? Der Wettbewerb für die Freiflächen im Mainzer Zollhafen wurde 2014 entschieden, da regierten die Grünen längst mit.
Die Südmole sei „eben Hafengelände gewesen“, rechtfertigte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) die Gestaltung gegenüber Mainz& vergangenen Freitag. Das dürfte nichts anderes bedeuten, als dass Altlasten des Hafenbetriebs eine Gestaltung des Geländes als Wiese ungeeignet machten. Das aber bedeutet noch lange nicht, dass man hier eine Betonwüste schaffen muss: Bereits am Freitag verströmten gerade die Betonbereiche vor dem Alten Weinlager eine enorme Hitze – und da waren es lediglich rund 25 Grad. Die Anwohner werden sich noch wundern – und nicht wenig stöhnen: Die Hitzeentwicklung direkt vor ihren Fenstern dürfte bei 35, 40 Grad beträchtlich werden.
„Vielleicht soll sich da ja gar keiner aufhalten?“, argwöhnte ein Kommentator in den sozialen Netzwerken – man könnte auf die Idee kommen: Wer sich begegnen soll, muss sich aufhalten, dazu aber lädt derzeit auf der riesigen Fläche nur sehr wenig ein. Kaum Bänke, lediglich die weit auseinander gezogenen Treppenstufen, nicht einmal Erhebungen, um sich hinzusetzen findet man auf der Südmole. Grillplätze gibt es natürlich schon gar keine – undenkbar, wenn Grillgeruch in die Fenster der teuren Luxuswohnungen gezogen wären…. „Mainz lebt auf seinen Plätzen“, schwärmte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), die Steinwüste auf der Südmole lädt indes zum Leben so überhaupt nicht ein.
Was hätte denn gegen Hochbeete gesprochen? Blumenkübel? Irgendeine Gestaltung, die nicht aus Beton oder Steinen besteht? Holz etwa hat erheblich bessere klimatische Eigenschaften, warum fällt Architekten und Stadtplanern nichts mehr dazu ein? Zwischen den sogenannten „Schiffshäusern“ auf der Südmole wächst eine üppige grüne Vegetation, warum nicht auf der Promenade? Die 40 jungen Bäume werden das Klima auf der Wüstenei nicht retten können, die Stadtspitze aber muss sich fragen lassen: Habt Ihr den Weckruf nicht gehört? Man lässt sich mit Fridays for Future-Demonstranten fotografieren – und „gestaltet“ dann so etwas? Das Grün wird privatisiert, dem gemeinen Volk bleiben Beton und Steine?
Und um es klar zusagen: Die Gestaltung geht nicht allein aufs Konto der SPD – die Grünen haben die Entscheidung mitgetragen. Protest? Nicht zu hören. Die Grünen schweigen, die FDP sowieso. „Mainz braucht mehr Grün“? Mainz braucht vor allem eines: Eine moderne Stadtpolitik, die endlich, endlich die Zeichen der Zeit erkennt und eine Gestaltung für Klimaschutz, Umwelt und die Menschen macht. Wo solche Rheinufer empfunden werden, als das, was sie sind: Menschenfeindlich. Und eine Ohrfeige gegenüber den Bürgern.
P.S.: In Zukunft sollen hier übrigens vier Binnenschiffe nebeneinander ankern können, bis zu 16 Schiffe insgesamt – direkt vor dem neu gestalteten Rheinufer. Aber das ist noch einmal eine andere Geschichte…
P.P.S.: Gerade gefunden: In der Jury zum Gestaltungswettbewerb saßen Oberbürgermeister Michael Ebling sowie Baudezernentin Marianne Grosse (beide SPD) – und Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne). In Interview schwärmt der Planer von atmosphärischen Rohstoffen und einem „durchgängigen Belag aus fein geschliffenem Asphalt“, kontrastiert mit Großpflaster. Von Grünzonen ist keine Rede. Nachzulesen genau hier.
Info& auf Mainz&: Unseren ausführlichen Bericht zur Gestaltung des neuen Mainzer Rheinufers lest Ihr hier bei Mainz&. Alle zitierten Kommentare könnt Ihr hier auf unserer Mainz&-Facebookseite nachlesen.