Zwei Tage nach der überraschenden Anordnung zum Abkochen des Leitungswasser im Stadtgebiet Wiesbaden hat die Stadtverwaltung weitere Details veröffentlicht. Demnach wurde die verunreinigte Wasserprobe bereits vergangenen Mittwoch genommen, die Bevölkerung wurde aber erst am Freitagabend informiert. Die Stadt verteidigt das mit der langen Laboruntersuchung. Gefunden wurden im Wasser Enterokokken, das Trinkwasser muss noch bis mindestens kommenden Dienstag abgekocht werden.

Es war Freitagabend um 17.35 Uhr, als die Redaktionen eine Email aus der Stadtverwaltung Wiesbaden erreichte, der Inhalt: Das Trinkwasser im gesamten Wiesbadener Stadtgebiet müsse ab sofort vorsorglich vor dem Gebrauch abgekocht werden – bei einer routinemäßigen Trinkwasseruntersuchung sei an einer Netzmessstelle in der Wiesbadener Innenstadt „eine bakteriologische Verunreinigung festgestellt“ worden. Obwohl die Medien sofort informierten, dürfte eine Vielzahl von Menschen die Nachricht erst später erreicht haben – bei vielen wahrscheinlich auch erst nach dem Abendessen.
Dabei lautete die Meldung, man möge bitte vorsorglich unbedingt das Wasser abkochen, wenn es zum Trinken, Zähneputzen oder zur Zubereitung von Speisen gebraucht werde – das gilt übrigens auch für die Zubereitung von Eiswürfeln. Leser in den sozialen Netzwerken wunderten sich, warum die Bevölkerung nicht über die Katastrophenwarnapps informiert wurde – eine Nachricht über die Warnapp Nina wurde aber erst gegen 22.30 Uhr ausgespielt.
Die Warnung galt indes für das gesamte Wiesbadener Stadtgebiet mit Ausnahme der Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim.
Wasserprobe mit Enterokokken bereits am 29. Oktober genommen
Nun stellte sich heraus: Die verunreinigte Wasserprobe war bereits am Mittwoch, den 29. Oktober 2025 genommen worden – die Bevölkerung erfuhr davon zwei Tage lang nichts. Das Ergebnis habe erst am Freitag, den 31. Oktober, vorgelegen, verteidigte sich die Stadt Wiesbaden nun – das entspreche „der üblichen Zeit, die das Labor benötigt.“ Man habe direkt nach dem Vorliegen des Ergebnisses über die Ergebnisse informiert. Leser in den sozialen Netzwerken berichteten aber bereits am Freitag, sie hätten in den Tagen zuvor Magen- und Darmprobleme gehabt.

Am Sonntag informierte die Stadt auch darüber, welche Bakterien denn in der Probe gefunden wurden. Es handelte sich um Enterokokken, ein Bakterium, das natürlicherweise im menschlichen Darm vorkommt und eigentlich harmlos ist. Doch Enterokokken können auch Krankheiten wie gefährliche Blutvergiftungen, Herzbeutelentzündungen und Harnwegsinfektionen auslösen. Gefährlich werden können die Bakterien vor allem für Ältere, Babys oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem werden, gerade, wenn sie über das Trinkwasser unbedacht und vermehrt aufgenommen werden.
Enterokokken seien „ein Standardparameter bei Trinkwasseruntersuchungen, der auf fäkale Verunreinigungen des Wassers hinweisen kann“, informierte die Stadt Wiesbaden weiter. Das Brisante: „Werden Enterokokken nachgewiesen, muss auch mit anderen Erregern fäkaler Herkunft im Wasser gerechnet werden.“ Das sei auch der Grund für das Abkochgebot des Wassers, das Trinken von nicht abgekochtem Wasser „bedeutet in dieser Situation ein gering erhöhtes Risiko zu erkranken, unter anderem an Durchfall und Erbrechen, sowie ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen bei immungeschwächten Personen, Senioren und Kleinkindern.“
Waschmaschinen, Geschirrspüler und Kaffeemaschinen nutzen?
Das Leitungswasser in Wiesbaden sollte dabei auch nicht unabgekocht für das Waschen von Obst, Gemüse, Salat oder anderen Lebensmitteln genutzt werden, natürlich erst Recht nicht für medizinische Zwecke wie etwa Wundreinigung oder Nasenspülen. Aber auch der Geschirrabwasch von Hand ist tabu, Vorsicht ist auch beim Trinkwasser für empfindliche Haustiere geboten. Für Händewaschen, Duschen und Toilettenspülung könne das Wasser aber weiter ohne Einschränkung genutzt werden, heißt es bei der Stadt – Vorsicht aber bei offenen Wunden: Sie sollten vor Wasserkontakt wasserdicht abgedeckt werden.

Nach Angaben der Stadt kann das Leitungswasser in Wiesbaden auch nicht abgekocht zum Wäsche waschen und im Geschirrspüler genutzt werden – die Waschtemperatur der Wäsche sollte dabei aber mindestens 40 Grad betragen, der Geschirrspüler mindestens auf 60 Grad laufen. Ob man seine Wäsche mit einem Wasser waschen möchte, das möglicherweise mit Fäkalien verunreinigt ist, sei dahingestellt. Vorsicht ist in jedem Fall auch bei Kaffeemaschinen geboten: Wer sich nicht sicher ist, dass die Maschine das Wasser auf mindestens 82 Grad erhitzt, sollte unbedingt abgekochtes Wasser verwenden.
Im gewerblichen Bereich kann den Angaben zufolge Wasser zum Geschirr spülen nur in abgekochtem Zustand oder beim Einsatz von gewerblichen Geschirrspülmaschinen genutzt werden, die der DIN 10512 entsprechen und die gemäß Herstellerangaben gewartet sind . Der Grund: DIN 15012 fordert eine Temperatur von 80-85 Grad für die Frischwasser-Klarspülung. Eiswürfel sollten in jedem Fall nur mit abgekochtem oder abgepacktem Wasser hergestellt werden, Crush- und Würfeleismaschinen während der Dauer des Abkochgebotes gar nicht verwendet werden.

Ankochgebot noch bis mindestens Dienstag, 4. November 2025
Und das wird noch einige Tage dauern, so die Stadt: Das Abkochgebot gelte, bis dem Gesundheitsamt drei negative Befunde vorliegen, erst danach könne das Abkochgebot wieder aufgehoben werden. Damit sei frühestens ab Dienstag, dem 4. November, zu rechnen – sofern nicht noch neue, kontaminierte Proben auftauchen. Derzeit würden im Stadtgebiet Wiesbaden, insbesondere in der Innenstadt, „zusätzliche Proben in engeren zeitlichen Abständen entnommen“, teilte die Stadt weiter mit.

Bislang seien alle Nachuntersuchung an der betroffenen Netzmessstelle sowie an weiteren Stellen im Verteilnetz unauffällig gewesen und habe keinen weiteren Enterokokkenfunde ergeben. Zum Abtöten möglicher Bakterien sollte das Wasser einmal sprudelnd aufgekocht und anschließend mindestens 10 Minuten abgekühlt werden. Aus praktischen Gründen empfiehlt sich die Verwendung eines Wasserkochers.
Woher die Kontaminierung mit den Fäkalien-Bakterien kommt, sagte die Stadt bisher nicht. Die fäkalen Verunreinigungen kommen aber immer von außen ins Trinkwasser, Ursache können „örtliche hygienische Probleme wie technische Störungen bei der Abwasserreinigung führen, aber auch Havarien oder Erneuerungsarbeiten im Leitungsnetz“, weiß man bei den Kollegen vom Bayrischen Rundfunk. Das könne auch bei Reparaturen oder Neuanschlüssen von Leitungen im Haus passieren, aber auch alte Abwasserkanäle oder undichte Senkgruben könnten zu dieser fäkalen Verunreinigung führen.
Suche nach Ursache läuft, womöglich kommt Chlor zum Einsatz
Wie man die Bakterien wieder aus dem Wasser bekommt? Dazu ist es zunächst wichtig, die Ursache für die Verunreinigung zu finden, dafür sind in diesem Fall die kommunalen Wasserwerke verantwortlich. Wahrscheinlich ist, dass die Leitungen im Anschluss mit Chlor gespült werden, um Wasser und Leitungen zu desinfizieren – wenn Ihr also demnächst in Wiesbaden Chlor riecht, könnte das daran liegen.
Die ehemaligen Mainzer Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim sind übrigens genau deswegen nicht von dem Problem betroffen: Die AKK-Stadtteile, die bis 1945 zu Mainz gehörten, hängen am Mainzer Leitungsnetz und werden von der Mainzer Netze GmbH mit Wasser anderer Herkunft versorgt. Hier muss deshalb das Leitungswasser nicht abgekocht werden.
Info& auf Mainz&: Die Stadt Wiesbaden hat zwischenzeitlich eine Internetseite mit ausführlichen Informationen zu Fragen rund um die verunreinigung des Leitungswasser sin Wiesbaden und das Abkochen von Wasser eingerichtet, Ihr findet sie hier im Internet.





