Es war eine der Meldungen des Jahres 2018: Die Vielfalt bei Insekten und Blühpflanzen ist rapide geschrumpft, besonders Wildbienen sind massiv bedroht – durch den erheblichen Einsatz von Pestiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft ist ihre Lebensgrundlage dahingeschwunden. 70 bis 80 Prozent weniger Insekten, 50 Prozent der Wildbienen bereits ausgestorben oder vom Aussterben bedroht, so schlugen Umweltverbände in diesem Jahr Alarm. Da postete doch just der Mainz-Ebersheimer Winzer Marco W. Becker diese Meldung auf Facebook: „Wir stellen geeignete Ackerflächen zur Verfügung und sähen dort für Euch Blühstreifen!“ Mit nur 5,- Euro pro Jahr „könnt auch ihr euren Teil zur Insekten-Rettung beitragen!“
Die Meldung schlug ein, wie eine Blumen-Bombe: Rund zwei Dutzend Begeisterte meldeten sich spontan allein auf den Post hin: „Coole Idee, wir machen mit“, oder „tolle Idee, sind dabei“ lauteten die Rückmeldungen. Winzer Becker war selbst von der Resonanz überrascht, er hatte eigentlich gar nicht mit so viel Wirbel gerechnet. Schon im vergangenen Jahr habe sein Betrieb für mehr als 5.000 Quadratmeter Insektenparadies Saatgut verteilt, schrieb er auf Facebook, in diesem Jahr wolle man etwas Neues versuchen: Auf geeigneten Ackerflächen Blühstreifen einsäen und diese von Paten Sponsoren lassen.
„Für 5 Euro pro Jahr präparieren wir drei Quadratmeter Blühstreifen und erstellen das Zertifikat „Insekten-Freund““, so die Ankündigung. Für 20,- Euro pro Jahr gebe es 15 Quadratmeter, jeder weiterer Quadratmeter koste nur je einen Euro. „Alle Insekten-Freunde, die an der Aktion teilnehmen, können namentlich auf einem Infoschild am Feldrand ausgezeichnet werden – natürlich geht das auch anonym“, schreibt Becker, und weiter: „Unser Versprechen : Pro 20 Likes (bis 200 Likes) auf diesen Beitrag legen wir selbst 15 Quadratmeter an.“
Becker – Das Weingut ist mit seiner Aktion nicht allein: Das „Netzwerk Blühende Landschaften“ fördert schon seit Jahren Projekte für blühende Flächen im Land, entwickelt Insektenfreundliche Bewirtschaftungskonzepte für die Landwirtschaft und ruft dazu auf, Blühpaten zu werden. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) schafft gemeinsam mit Winzern und Landwirten blütenreiche Flächen quer durch Rheinhessen, unter dem Motto „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen.“
Die Aktionen tun Not, denn die Vielfalt unserer Insekten und Blühpflanzen ist massiv gefährdet: „60 Prozent aller Wildbienenarten und 65 Prozent der Schmetterlinge sind gefährdet, selbst weit verbreitete Arten wie der Zitronenfalter und das Tagpfauenauge werden immer seltener“, sagte die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken im Sommer dieses Jahres, und warnte: „Die Situation für Insekten und Bestäuber ist ernst. Die Vielfalt unserer Arten ist zugleich unsere Lebensgrundlage. Wir müssen sie schützen und erhalten.“ Denn 80 Prozent unserer Pflanzen werden von Wildbienen bestäubt, schon jetzt warnen Obstbauern, es fehlten die Bienen zum bestäuben von Kirsch und Apfelbäumen – ohne Bestäubung aber keinen Apfel, keine Kirsche, keine Nuss… In Asien werden Bäume bereits von Hand bestäubt, eine gruselige Vorstellung.
Ende April forderte deshalb auch breites Bündnis von Umwelt-, Natur- und Tierschutzverbänden ein umfassendes Aktionsprogramm, das unter anderem die Förderung von Strukturvielfalt in Agrarlandschaften, mehr Maßnahmen gegen die Überdüngung landwirtschaftlich genutzter Flächen und eine deutliche Reduzierung von Pestizidanwendungen vorsieht. Überdüngung, Monokulturen und großflächiger Pestizideinsatz stellten „wesentliche Faktoren für den Insektenrückgang dar“, mahnten BUND, NABU, WWF, Deutscher Naturschutzring, Aurelia-Stiftung und Deutsche Umwelthilfe. Eine Reform des Pestizid-Zulassungssystems sei dringend nötig, die Prüfung von Pestiziden müsse Industriefern erfolgen.
Pestizide und Herbizide wie Glyphosat töteten nicht nur das „Unkraut“, sondern die Artenvielfalt vieler Blühpflanzen gleich mit, sagte Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) schon im Januar 2018 Mainz&. Das habe Auswirkungen auch auf Insekten – aktuelle Studien zeigten deutlich, dass die Zahl der Insekten in Deutschland in den vergangenen Jahren drastisch gesunken sei. Verantwortlich machen die Umweltschützer dafür den rapide gestiegenen Einsatz von Pestiziden und Herbiziden, die übrigens auch für den Menschen alles andere als gesund sind: „Pestizide sind oftmals krebserregend oder hormonell oder neurotoxisch wirksam“, warnte Hölzel.
Aber auch andere moderne Trends in den Städten sorgen für einen Rückgang der Artenvielfalt – allen voran Steingärten aus Schotter oder Kies. „Gärten des Grauens“, nannte Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) sie kürzlich bei ihrer Wiederwahl im Stadtrat, denn die Steinwüsten sind der Tod jedes Lebens. Gerade Vorgärten, Randstreifen oder auch Verkehrsinseln sind in Städten wichtige Ecken, auf denen Blumenvielfalt und damit auch Insektenleben gedeihen können. Vor vielen Jahren schon riefen deshalb selbst ernannte „Guerilla-Gärtner“ dazu auf, mit „Samenbomben“ aus Erde, Ton und eben Blumensamen heimlich Verkehrsinseln oder andere vernachlässigte Flecken in Städten zu bombardieren – um so ganz buchstäblich von unten eine andere, grünere Stadt wachsen zu lassen.
Info& auf Mainz&: Nun macht es Euch Becker – Das Weingut viel einfacher: Ganz legal könnt Ihr hier zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen und zum Insekten-Retter werden – wie es geht, steht in diesem Facebook-Post. Wer nicht auf Facebook ist, kann sich sicher auch direkt ans Weingut Becker wenden – hier findet Ihr sie im Internet. Mehr zum Netzwerk Blühende Landschaften findet Ihr hier im Internet, das Projekt Blühendes Rheinhessen des BUND steht hier.