Sind der Stadt Mainz beim Verkauf der Marina im Mainzer Zollhafen Millionen Euro an Steuergeldern entgangen? Diese brisante Frage stellen nun die Freien Wähler, und haben für die kommende Stadtratssitzung in Mainz einen ganzen Fragenkatalog eingereicht. Darin erheben sie Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Geldern der öffentlichen Hand in Millionenhöhe, und sie verweisen auf zwei Anzeigen zu dem Thema. Tatsächlich bestätigt die Staatsanwaltschaft in Koblenz nicht nur die Anzeigen, sondern auch, dass sie Vorermittlungen führt. Mainz& liegt zudem exklusiv der Text der Anzeigen vor – samt einer Verkehrswertberechnung: Die taxiert den Wert der Marina auf 6 bis 11 Millionen Euro.

Der Mainzer Zollhafen war bis zum Jahr 2013 ein großer Binnenhafen, in dem vor allem Container umgeschlagen wurden. Bereits im Juli 2005 präsentierte die Stadt Mainz unter dem damaligen Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) gemeinsam mit den Mainzer Stadtwerken die Idee eines „Kultur- und Wohnhafens“, bis zur Realisierung sollte es allerdings noch einige Jahre dauern. 2013 wurde der Zollhafen als Industriehafen offiziell entwidmet und danach durch einen 2014 verabschiedeten Bebauungsplan in ein allgemeines Wohngebiet bzw. ein Wohn-Misch-Gebiet umgewandelt.
Das Versprechen eines „Wohngebiets für die Mainzer Neustadt“ allerdings wurde so nie eingelöst: Schon mit dem ersten Bauvorhaben wurde deutlich, dass rund um das alte Hafenbecken vor allem hochpreisige und höchstpreisige Wohnungen entstehen würden. Ab 2017 entstand dann in dem alten Hafenbecken eine Marina: Eine Yachthafen mit insgesamt 140 Liegeplätzen, verbunden durch eine hochwertige Steganlage mit zwei Schwimmstegen. Als Hafenmeister fungierte: Detlev Höhne, der Ende September 2017 als Vorstandsvorsitzender der Mainzer Stadtwerke ausgeschieden war.
Anzeigen wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung
2021 wurde die Marina Zollhafen GmbH dann verkauft – und dazu stellen die Freien Wähler nun bohrende Fragen: Im Mainzer Stadtrat wollen sie kommenden Mittwoch von der Verwaltung wissen, was über diesen Verkauf bekannt ist – und ob es dabei mit rechten Dingen zuging. Der Vorwurf der Freien Wähler: Beim Verkauf der Geschäftsanteile der Marina Zollhafen GmbH entgingen den Stadtwerken – und damit letztlich der Stadt Mainz – Millionen Euro an Einnahmen. Von „Steuerhinterziehung und Veruntreuung in Millionenhöhe“ ist die Rede – und von zwei Anzeigen bei Behörden.

Tatsächlich wurden nach Recherchen der Internetzeitung Mainz& am 4. November 2024 zwei Anzeigen von „Mainzer Bürgern“ über eine Anwaltskanzlei in Frankfurt gestellt, eine an das Finanzamt Kusel und eine weitere an die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz. Die Anzeige lautet auf „Verdacht der Steuerhinterziehung und der Unterschlagung von Vermögen der öffentlichen Hand“, als Geschädigte werden „aller Voraussicht nach die Mainzer Stadtwerke AG bzw. die Stadt Mainz selbst“ angegeben.
Die Vorwürfe in den Anzeigen, die Mainz& vorliegen, haben es in sich: Der Verkauf der Geschäftsanteile der Marina Zollhafen GmbH sei nämlich im März 2021 ungewöhnlicherweise in zwei Schritten erfolgt. Im ersten Schritt wurden die Geschäftsanteile der Marina Zollhafen GmbH demnach zunächst vollständig an den Gesellschafter Jochen Hener übertragen, und zwar am 30. März 2021 vor einem Notar in Frankfurt.
Was wurde für den Verkauf des Yachthafens gezahlt?
Nur einen Tag später aber, am 31. März 2021, wurden 50 Prozent der Anteile von Hener an
Hanns-Detlev Höhne, Geschäftsführer der Marina Zollhafen GmbH und Ex-Vorstandschef der Stadtwerke übertragen – bei einem anderen Notar in Wiesbaden. Beide Übertragungen, so die Anzeigeschrift, seien „nur zum Buchwert des Eigenkapitals erfolgt“. Der Vorgang wirft eine ganze Reihe Fragen auf: Wieso wurden die Anteile an zwei Tagen nacheinander übertragen, und bei unterschiedlichen Notaren? Und vor allem: zu welchem Preis?

Der Mindest-Buchwert einer GmbH liegt bei 25.000 Euro, dazu können noch weitere Vermögenswerte kommen. In Betracht kommt dabei im Fall der Marina die Steganlage, diese hatte die Hafen-GmbH nach ihrem Bau 2018 zunächst gepachtet, kaufte die Steganlage dann jedoch im Jahr 2021 – die Anzeigensteller nennen einen Betrag von rund 1,2 Millionen Euro. Das Interessante dabei: Der Verkauf der Steganlage taucht zwar ebenso wie der Verkauf der Gesellschafteranteile der Marina im Jahresbericht der Muttergesellschaft Zollhafen Mainz GmbH auf, Erlöse dafür werden jedoch nicht genannt.
Im Geschäftsbericht der Mainzer Stadtwerke für das Jahr 2021 wiederum tauchen weder der Verkauf der Steganlage noch der Geschäftsanteile der Marina Zollhafen GmbH auf – dabei ist die Zollhafen GmbH eine Tochter der Mainzer Stadtwerke mit 49,9 Prozent. Die Marina wiederum befindet sich seit der Veräußerung Ende März 2021 nun de facto in Privatbesitz der beiden ehemaligen Geschäftsführer, von zwei Personen also, die sowohl der Zollhafen GmbH als auch den Mainzer Stadtwerken zuvor eng verbunden waren. Trotzdem heißt es im Jahresbericht der Stadtwerke Mainz für das Jahr 2021: „Es wurden keine wesentlichen Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen zu nicht-marktüblichen Bedingungen durchgeführt.“

Echter Wert der Marina: zwischen 6 und 11 Millionen Euro?
Genau das Gegenteil sei doch der Fall, schimpfte nun FW-Stadtrat Erwin Stufler: Hier seien sehr wohl „mit dem Unternehmen verbundene Personen zu nicht marktüblichen Preisen begünstigt“ worden und dadurch der Stadt Mainz und den Mainzer Stadtwerken womöglich Millionen Euro an Einnahmen entgangen. „Wenn Eigentum der Stadt Mainz und der Stadtwerke AG verschleudert wurde, ist dies angesichts der Finanzlage der Stadt und drohenden Belastungen aller Bürger nicht hinnehmbar und strafbar“, kritisiert Stufler. Die Vorgänge seien darüber hinaus „geeignet, den Ruf der Stadtwerke und der Stadt Mainz nachhaltig zu beschädigen.“

Tatsächlich argumentiert die Strafanzeige, der echte Wert der Marina habe „deutlich höher gelegen, als bei den zuvor erwähnten Transaktionen zugrunde gelegt wurde.“ Nach dem Gesellschaftervertrag hätte der Verkehrswert des Unternehmens für den Verkauf zugrunde gelegt werden müssen – und den berechnen Gutachter auf zwischen 6 und 11 Millionen Euro. Berechnet wird dies auf der Grundlage der 140 Liegeplätze des Yachthafens, für die pro Platz Kosten von 2,- Euro pro Meter Bootslänge und pro Tag anfielen (Hauptsaison 210 Tage), rechnet die Anzeige vor. Dazu kämen noch 2,- Euro pro Tag für den Stromanschluss in der Nebensaison (November bis März) gebe es Preisnachlässe von 20 Prozent.
Daraus lasse sich ein Unternehmenswert der Marina Zollhafen GmbH errechnen, der bei einer Auslastung von nur 60 Prozent etwa 6,2 Millionen Euro ergebe, bei einer Auslastung von 80 Prozent aber schon von 8,9 Millionen Euro. Bei einer Vollauslastung
der Hafenanlage würde der Unternehmenswert sogar auf 11,6 Millionen Euro steigen. „Die Marina ist in einer exklusiven Lage im Herzen von Mainz gelegen“, heißt es dazu in der Anzeige: „Sie ist ein beliebter Treffpunkt für Wassersportler. Die Liegeplätze sind daher begehrt. Die Wartezeiten können lang sein.“
Zollhafen GmbH: „signifikanter Millionenbetrag“ nicht im Jahresbericht
„Der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG hätte daher im Jahr 2021 Zug um Zug für die Übertragung der Geschäftsanteile ein signifikanter Millionenbetrag zufließen müssen“, konstatiert die Anzeige weiter: „Ein solcher Mittelzufluss ist dem Jahresabschluss und dem Lagebericht der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG für das Jahr 2021 aber nicht zu entnehmen.“

Damit bestehe der Verdacht, „dass aufgrund einer Verabredung der handelnden Personen die Geschäftsanteile an der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG weit unter dem tatsächlichen Wert übertragen wurden“, so der Vorwurf. Wenn dem so sei, hätten die handelnden Personen allerdings zwei Schenkungen anzeigen müssen, „auf die Schenkungssteuer hätte entrichtet werden müssen“, so der Text weiter – deshalb die Anzeige an das Finanzamt Kusel. Dort mochte man den Eingang der Anzeige auf Mainz&-Anfrage nicht bestätigen, wohl aber bei der Staatsanwaltschaft Koblenz.
Dort hieß es auf Mainz&-Anfrage, der zuständige Staatsanwalt prüfe derzeit die Anzeige auf „Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten.“ Diese Prüfung sei noch nicht beendet, ein offizielles Ermittlungsverfahren somit bisher nicht eingeleitet worden. Allerdings stellte die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Vorprüfung diverse Nachfragen an die Anzeigeerstatter, auch ein Aktenzeichen wurde dem Vorgang zugewiesen. Darüber hinaus seien die der Anzeige beigefügten Unterlagen „einem Mitglied der Wirtschaftsprüfgruppe der Staatsanwaltschaft Koblenz zur fachkundigen betriebswirtschaftlichen Beurteilung vorgelegt“ worden, teilte Oberstaatsanwältin Martina Müller-Ehlen mit.

Freie Wähler: „Es geht um städtisches Eigentum“
Die Stadtratsfraktion der Freien Wähler Mainz fordert nun von Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und Finanzdezernent Günter Beck (Grüne), „die Stichhaltigkeit dieser Anzeigen so schnell wie möglich transparent und umfassend aufzuklären“ und reichte gleich zwei Anfragen mit einem ganzen Fragenkatalog für die Stadtratssitzung am 21. Mai ein. „Da es sich um genehmigungspflichtige Geschäfte handelt, können die wirtschaftlich und rechtlich Verantwortlichen eindeutig identifiziert werden“, betonte Stufler: „Die Mainzer Bürger haben ein Recht dies zu erfahren, weil es hier auch um städtisches Eigentum geht – und damit um das Eigentum von uns allen.“

Natürlich hat Mainz& auch die Mainzer Stadtwerke, Hafenmeister Detlev Höhne, Mit-Eigentümer Jochen Hener sowie die Zollhafen Mainz GmbH zu den Vorwürfen angefragt. Höhne ist derzeit schwer erkrankt und teilte mit, er sehe sich zu einer Stellungnahme nicht in der Lage – die Vorwürfe seien aber „frei erfunden.“ Hener antwortete nicht, auch die Mainzer Stadtwerke nahmen auf Mainz&-Anfrage keine Stellung.
Die Zollhafen Mainz GmbH wiederum antwortete: Bereits bei der Gründung der Marina Zollhafen GmbH im Jahr 2017 seien „die Gesellschafter übereingekommen, sich nur zeitlich begrenzt zu engagieren.“ In Umsetzung dieser Strategie sei 2021 der Verkauf der Geschäftsanteile beschlossen worden. „Einzelheiten der Beschlüsse der Gesellschafter unterliegen ebenso der Vertraulichkeit, wie Verkaufs- und Betriebsergebnisse“, teilte die Zollhafen Mainz GmbH mit – die Gesellschaften seien privatwirtschaftliche Organisationen.
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