Seit vier Jahren ist er Parteivorsitzender der Mainzer CDU, im November 2021 setzte er sich in einer Kampfkandidatur nur hauchdünn durch: Der langjährige Mainzer CDU-Kommunalpolitiker Thomas Gerster. Am morgigen Samstag will er auf dem Parteitag der Mainzer CDU nicht zur Wiederwahl antreten, seither wurde viel spekuliert: Hat Gerster keine Lust mehr, will er seine „Freiheit“ oder ist er gar „gescheitert“? Im Interview mit Mainz& verrät Gerster, dass seine Motivation eine ganz andere ist. Dass er die CDU deutlich besser aufgestellt sieht als vor vier Jahren – und was sie in Zukunft durchsetzen will.

Der 55 Jahre alte Thomas Gerster ist seit Jahrzehnten für die Mainzer CDU in der Kommunalpolitik aktiv, sein Vater war der langjährige CDU-Spitzenpolitiker Johannes Gerster, der 1996 auch für das Amt des Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz kandidierte. Sohn Thomas konzentrierte sich hingegen auf die Kommunalpolitik in Mainz, saß lange im Ortsbeirat Altstadt und vertritt die CDU im Mainzer Stadtrat seit Jahren als verkehrs- und baupolitischer Sprecher. Im November 2021 übernahm er auf einem turbulenten Parteitag den Kreisvorsitz der CDU Mainz, Gerster setzte sich dabei nur mit einer Stimme Vorsprung gegen den heutigen Fördermitteldezernenten Karsten Lange (CDU) durch.
Die Mainzer CDU hat harte Zeiten hinter sich: Unter Gersters Vorgängerin Sabine Flegel fuhr die Mainzer CDU einen Wahlverlust nach dem anderen ein und stürzte auf 21 Prozent Zustimmung bei den Wählern ab. In der zunehmend rot-grün geprägten Landeshauptstadt tut sich die Partei bis heute schwer, die Zustimmung des jungen Großstadtpublikums zu erringen. Dabei wirbt speziell Thomas Gerster seit Jahren für mehr Grün und mehr Radwege in Mainz, 2021 warb er mit dem Slogan „Bäume, Brunnen, Bächle“ für seine Kandidatur als Umwelt- und Verkehrsdezernent – die Ampel-Koalition hatte aber längst die Frankfurterin Janina Steinkrüger zur Nachfolgerin bestimmt.
CDU Mainz bei Kommunalwahl 2024 auf Augenhöhe mit Grünen
Bei der Kommunalwahl im Juni 2024 konnte die Mainzer CDU nun mit 23,6 Prozent wieder zulegen, und ihr Ergebnis im Vergleich zur Kommunalwahl 2019 weitgehend halten – und gerade zog sie durch den Wechsel eines Stadtrats in ihre Fraktion in Stärke mit den Grünen gleich, mit denen sie zugleich in der neuen Kenia-Koalition regiert. Neuer „starker Mann“ ist der frisch gewählte Baudezernent Ludwig Holle, der auch den Parteivorsitz übernehmen soll. Im Interview mit Mainz& hat Gerster nun erklärt, warum er sich vom Parteivorsitz zurückzieht – und warum er alles andere als „gescheitert“ sei.
Mainz&: Herr Gerster, nach vier Jahren als Parteivorsitzender der CDU in Mainz haben Sie angekündigt, nicht wieder antreten zu wollen – warum nicht?

Gerster: Bei uns wird ja alle zwei Jahre gewählt, und für mich war schon vor vier Jahren klar: ich mache das nicht mein Leben lang. Vor zwei Jahren habe ich meiner Frau tatsächlich versprochen, das nur noch zwei Jahre lang zu machen. Ich habe gesagt, ich will die CDU in einem ordentlichen Zustand übergeben, auch mit der Möglichkeit, bei der Kommunalwahl 2024 ein ordentliches Ergebnis zu erreichen. Deswegen habe ich gesagt: Die zwei Jahre mache ich noch, um dann hoffentlich mit einem guten Ergebnis gehen zu wollen. Und ich denke, das kann ich jetzt auch.
Mainz&: Nun ja, die CDU hat 2024 bei der Kommunalwahl ihr Ergebnis zwar gehalten – aber nicht verbessert.
Gerster: Wenn man sieht, wo wir herkamen, ich erinnere an die OB-Wahl, wo wir mit knapp 10 Prozent rauskamen, da war das doch schon gut, dass wir wieder zugelegt haben. Die CDU war nicht unbedingt in einem guten Zustand, wir waren auch relativ zerstritten. Ich habe es hinbekommen, die CDU wieder zu einen. Und ja, wir haben das Ergebnis gehalten – aber es hätte schlimmer kommen können. Uns sind eben auch einige wichtige Mandatsträger weggebrochen, die immer viele Stimmen gezogen haben, wie Klaus Hafner oder Thomas Neger. Die konnten wir nicht eins zu eins ersetzen. Insofern haben wir es mit einem jungen und motivierten Team geschafft, mit dem gleichen Ergebnis wieder herauszukommen.
Gerster: CDU ist wieder in der Lage mitzugestalten
Mainz&: Wo steht aus Ihrer Sicht die CDU Mainz heute?
Gerster: Die CDU Mainz steht auf jeden Fall besser da, als vorher. Wir sind wieder in der Stadtregierung dabei, und können mitentscheiden. Es ist nicht mehr so, dass unsere Anträge, die sehr gut waren, allesamt abgelehnt oder sanft beerdigt werden, um dann ein paar Wochen später von anderen gestellt werden. Wir sind wieder in der Lage mitzugestalten, und ich denke, das machen wir auch sehr tatkräftig.
Mainz&: Nun ja, das erste Jahr nach der Wahl drängte sich bei vielen eher der Eindruck auf: Seit die CDU mit in der regierenden Koalition sitzt, ist von ihr nicht mehr viel zu hören und zu sehen…

Gerster: Wir machen damit weniger Lärm und sind weniger öffentlichkeitswirksam, aber intern sind wir durchaus in der Lage, uns durchzusetzen.
Mainz&: Sie waren ja lange verkehrspolitischer Sprecher in der CDU – heute ist es Sabine Flegel – und genau da ist von der CDU kaum noch etwas zu hören. Müsste die CDU da nicht viel mehr gegenhalten, auch wenn man mit in der Koalition sitzt?
Gerster: Wir halten da intern durchaus dagegen, es gibt ein paar Sachen, wo wir schon größeren Unsinn verhindert haben – das ist immerhin etwas. So haben wir zum Beispiel vereinbart, dass wir eine Mitsprache haben bei jeder weiteren Einführung von Tempo 30 in Mainz, auch da, wo es die Verwaltung eigentlich alleine entscheiden könnte. Wir kämpfen da intern mit harten Bandagen, aber da gibt es sehr dicke Bretter, die zu bohren sind. Das wird sich irgendwann auch bemerkbar machen, es muss Verbesserungen geben – so, wie es jetzt läuft, kann es nicht weiterlaufen.

Gerster: Kritik an Baustellen-Management in der Schillerstraße
Mainz&: Welche Verbesserungen wollen Sie denn durchsetzen?
Gerster: Also zunächst einmal ein gescheiteres Baustellen-Management. Dass etwa Geschäftsleute in der Schillerstraße über mehrere Jahre hinweg unter Baustellen zu leiden haben, weil als erstes die Langgasse gemacht wird, dann die Schillerstraße und dann der Münsterplatz, mit dem Ergebnis, dass sie jahrelang von den Verkehrsströmen abgehängt waren, das geht einfach nicht. Das gleiche gilt für ein besseres Parkraum-Management. Durch die derzeitige Straßenbahnbaustelle sind viele Parkhäuser kaum noch erreichbar. Wo sollen die Käufer in den Geschäften denn herkommen, wenn nicht von außerhalb? Allein mit den Mainzern kann unser Einzelhandel nicht überleben.
Mainz&: Es gibt ja gerade ein sehr prominentes Beispiel: Dass ausgerechnet der Kinderladen Wirth jetzt schließt, müsste für die Politik in Mainz doch eigentlich ein Fanal sein…?

Gerster: Das Schlimme ist ja: Es war absehbar. Ich habe damals gegen die Streichung der Ladezone vor seinem Geschäft gekämpft, und durfte mir von den Grünen im Ortsbeirat Altstadt anhören, die Ladezone sei nicht nötig, man könne auch sehr gut mit dem Fahrrad zum Kinderladen fahren. Die Schließung tut mir unheimlich Leid, gerade auch für die Angestellten dort. Es ist wirklich sehr traurig, dass der Laden dort wegfällt. Es ist aber auch ein Aufruf an den Einzelhandel, dass wenn etwas schief läuft, dass sie sich wirklich auch lauter zu Wort melden.
Mainz&: Hört die Politik im Stadthaus denn überhaupt zu…?
Gerster: Also wir hören beim Einzelhandel sehr genau hin und versuchen auch zu helfen, wo es geht. Bei anderen kann ich es nicht sagen, das müssen die selbst wissen.

Bäume, Brunnen, Bächle – Kommt jetzt ein Bach im Bleichenviertel?
Mainz&: Sie wollten ja selbst mal Dezernent für Umwelt und Verkehr werden und hatten die Devise ausgegeben: „Bäume, Brunnen, Bächle“ – da ist aber nicht viel draus geworden, oder?
Gerster: Wir arbeiten daran weiter, und das mit den „Bächle“ haben wir tatsächlich jetzt in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, und da werden wir auch insistieren. Zum Beispiel, wenn jetzt demnächst die Fahrradstraße in die Hintere Bleiche kommt, dass wir da etwas freilegen, damit da etwas frische Luft reinkommt ins Bleichenviertel. Auf dem Ernst-Ludwig-Platz kann man mehr Bäume pflanzen, und wir müssen uns vor allem in Zukunft etwas für den Münsterplatz und den Gutenbergplatz ausdenken, denn das sind die heißesten Orte in ganz Mainz.

Mainz&: Der Münsterplatz ist ja gerade erst neu gestaltet worden…
Gerster: Wir haben damals auch schon auf dem Münsterplatz eingefordert, dass da mehr Bäume hinkommen, aber das ist bei der damaligen Ampel-Koalition nicht ganz durchgedrungen.
Mainz&: Und würde das jetzt besser?
Gerster: Ja, ich denke schon. Ich glaube, da ist schon ein Verständnis da, dass wir da mehr machen müssen.
Mainz&: Höre ich da ein Stück weit Resignation? Ziehen Sie sich zurück, weil sie keine Lust mehr haben?
Gerster: Nein, um Gottes willen! Ich habe den Job angetreten mit zwei Zielen – die CDU zu einen, und sie wieder in die Stadtregierung zu führen -, und die habe ich erreicht. Insofern ist es jetzt wirklich Zeit, das Haus geordnet zu übergeben. Ich habe mit Ludwig Holle einen fähigen Nachfolger, mit dem ich auch sehr gut zusammengearbeitet habe, und ich denke auch, dass er das sehr gut machen wird.

Rückzug Gerster: „Die Familie steht jetzt mal an erster Stelle“
Mainz&: Nun wurde auch kolportiert, Sie hätten Geschäftsführer der Mainzer Wohnbau werden wollen, das war ja ein offenes Geheimnis…
Gerster: Ich äußere mich zu Bewerbungsverfahren nicht. Aber ich habe derzeit eine pflegebedürftige Mutter und pflegebedürftige Schwiegereltern, und eine kranke Tochter. Ich habe ein Vierteljahrhundert lang Kommunalpolitik gemacht, da muss ich jetzt mal sagen: Die Familie steht an erster Stelle. Aber ich bleibe ja auch im Stadtrat und bleibe baupolitischer Sprecher, bin auch gerade als stellvertretender Fraktionsvorsitzender wiedergewählt worden.
Mainz&: Als Blick in die Zukunft: Wie will die CDU in Mainz sichtbarer werden?
Gerster: Wir stehen vor einem Landtagswahlkampf, die CDU wird da wieder deutlich sichtbarer werden. Die Stadt muss bei der Wirtschaftsförderung aktiver werden, auch bei Verkehr und Begrünung werden wir sehr viel aktiver werden. Es kann nicht so weiter gehen, dass man sich feiert, wenn 100 Bäume gepflanzt werden, aber man gleichzeitig 1000 Bäume fällt. Und dann hat die Reparatur des letzten Haushalts schon stark unsere Handschrift getragen, und der nächste Haushalt wird noch viel mehr unsere Handschrift tragen.
Mainz&: Herr Gerster, wir danken für das Gespräch!
Info& auf Mainz&: Mehr zur Neuaufstellung der CDU Mainz lest Ihr auch hier bei Mainz&: