Nach Jahren der Debatte geht Mainz nun einen wichtigen Schritt in Sachen Stadtklima: Die Stadt will Schottergärten verbieten und nun auch die Begrünung von größeren Fassaden vorschreiben. Das sieht die neue Begrünungssatzung vor, die die Stadt Mainz am Dienstag vorstellte. Die alte Satzung stammte noch aus dem Jahr 1983, 2019 hatte Mainz den “Klimanotstand” ausgerufen – passiert war seither wenig. Stattdessen wurden immer neue versiegelte Flächen und Plätze eingeweiht. Nun also sollen Schottergärten offiziell verboten werden – Umweltschützer fordern das seit Langem.
“Gärten des Grauens” nannte der Naturschutzbund BUND einmal die als reine Steinwüsten gestalteten Vorgärten, die sich seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit bei Hausbesitzern erfreuen – weil sie angeblich pflegeleicht sind. Doch die Steinwüsten tragen aktiv zum Verschwinden von Insekten und vor allem von Bienen bei, findet in ihnen doch kein Insekt Nahrung oder Schutz. 42 Prozent der Insektenarten galten bereits 2019 als extrem selten oder ausgestorben, seit 1989 nahm die Zahl flugfähiger Insekten um etwa 75 Prozent ab.
Die frühere Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) hatte deshalb bereits vor Jahren schon einmal ein Verbot von Schottergärten geprüft – geworden war daraus nie etwas. 2019 erklärte Mainz dann offiziell den “Klimanotstand” und verpflichtete sich damit, Projekte für mehr Grün in der Stadt vorrangig umzusetzen – trotzdem lehnte der Stadtrat im September 2019 einen ÖDP-Antrag für ein Verbot von Schottergärten ab. Die Schotter- oder Kiesgärten verstärkten negative Effekte des Klimawandels, weil Hitze gespeichert werde und Biodiversität verloren gehe, argumentierte die ÖDP – vergeblich.
Nun kommt das Verbot doch noch: Die Stadt stellte am Dienstag eine neue Begrünungs- und Gestaltungssatzung vor, damit werde “ein wesentlicher Meilenstein für den Schutz des lokalen Klimas gesetzt”, sagte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD). Mainz wachse, das führe “zwangsläufig auch zu mehr Gebäuden, Verkehrsflächen und baulicher Infrastruktur”, so die Dezernentin. Diese Baumassen verstärkten aber auch die bereits bestehende Überwärmung und den auch in Mainz spürbaren und zu erwartenden Klimawandel.
Dem soll nun endlich entgegen gewirkt werden: Nach der neuen Satzung gilt nun, dass alle Flächen, die nicht mit Gebäuden überbaut sind, sowie auch Flächen über unterirdischen Bauten “vollständig zu begrünen sind, soweit sie nicht für eine zulässige Nutzung benötigt werden”, heißt es. 15 Prozent des Baugrundstücks müssen zudem mit Sträuchern bepflanzt werden, pro angefangener 200 Quadratmeter Freifläche ist mindestens ein Baum zu pflanzen.
Dazu müssen künftig aber auch Flachdächer ab einer Größe von 15 Quadratmetern Fläche “zumindest extensiv begrünt werden”, heißt es weiter. Und das gilt auch für Fassaden: “Wände ab einer zusammenhängenden Fläche von 20 Quadratmeter müssen begrünt werden”, schreibt die neue Satzung weiter vor. Für Gärten und Freiflächen gilt dabei: “Schüttungen aus Kies oder Schotter, die Verwendung von Folien und Textilgeweben sind nicht zulässig” – das bedeutet faktisch ein Verbot von Schottergärten und reinen Kiesflächen.
“Die Stärkung der grünen Infrastruktur und eine intensive Begrünung von Grundstücken wirkt der Überwärmung entgegen, reduziert ‘Hitzestress’ und dessen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit”, betonte Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne). Die Begrünung der Grundstücke biete auch gestalterische Vorteile und werte das Wohn- und Arbeitsumfeld auf, ergänzte Grosse. Gerade die Regelungen zur Begrünung und Gestaltung auf verschiedenen Ebenen – nämlich Dach, Fassade und Bäume/Sträucher in unterschiedlichen Kombinationen – ermögliche “eine abwechslungsreiche Gestaltung der Grünflächen und Gebäude.”
Die Umsetzung dürfte spannend werden, stehen in der nächsten Zeit doch diverse Großprojekte an – so etwa das Einkaufszentrum an der Ludwigsstraße, aber auch Großbauten im Mainzer Zollhafen. Die neuen Regeln gelten aber nur für Projekte, bei denen noch ein Bauantrag gestellt werden muss, dazu aber auch für “genehmigungsfreie Vorhaben” nach der Landesbauordnung. Bereits bestehende bebaute Grundstücke genießen Bestandschutz, Steinkrüger betonte jedoch, eine nachträgliche freiwillige Begrünung bereits bestehender Gebäude könne gefördert werden – etwa über das Förderprogramm ‘Dach- und Fassadenbegrünung” der Mainzer Stiftung für Klimaschutz und Energieeffizienz.
„Konsequente Klimaanpassung ist auch konsequenter Gesundheitsschutz für alle, insbesondere aber für Betagte, Vorerkrankte und Kleinkinder”, unterstrich Steinkrüger weiter. Begrünung vermeide darüber hinaus Niederschlagsabflussspitzen, reduziere Schall und Luftschadstoffe, dien zugleich der Biodiversität durch die Schaffung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen – “und ist nicht zuletzt auch schön anzuschauen.”
Die neue Satzung wird nun erst einmal den politische Gremien vorgelegt und muss danach im Stadtrat verabschiedet werden. Danach gilt sie im gesamten Stadtgebiet “für die nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke einschließlich der unterbauten Freiflächen der bebauten Grundstücke sowie die äußere Gestaltung baulicher Anlagen”, wie es von Seiten der Stadt heißt.
Schottergärten gelten übrigens zu Unrecht als pflegeleicht, wie der BUND betont: Pflegeleicht seien die Steinvorgärten meist nur kurze Zeit, da sie schon nach wenigen Jahren Moss ansetzten. Die Pflege bedürfe dann intensiver Handarbeit oder den Einsatz von Pestiziden wie zum Beispiel Glyphosat – besonders schädlich für die Umwelt, aber auch giftig für Mensch und Tiere. Auch heizen sich die Steine und insbesondere dunkler Schotter im Sommer stark auf und tragen so aktiv zu Hitzewellen bei. Naturschützer empfehlen stattdessen naturnahe Staudengärten – die bräuchten nur zwei Stunden Arbeit pro Jahr und erfreuten Menschen und Wildbienen.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Förderprogramm für Dachbegrünungen findet Ihr hier bei der Mainzer Stiftung. Einen ausführlichen Artikel zum Thema Schottergärten könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen:
“Gärten des Grauens” – BUND ruft zum Weltbienentag zum Kampf gegen Steingärten auf