26Von wegen Wahlmüdigkeit: In Mainz boomt die Briefwahl im Vorfeld der Kommunal- und Europawahl in einem Ausmaß, wie nie zuvor. Am Dienstag bildeten sich schon am Vormittag beispielsweise lange Schlangen vor dem Briefwahlbüro im Mainzer Rathaus – mehr als 42.500 Mainzer hatten dort zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Briefwahlunterlagen beantragt – das waren rund 26 Prozent aller Wahlberechtigten. Die Wahl erlebt einen wahren Ansturm: Schon jetzt haben mehr Mainzer Briefwahl beantragt, als vor fünf Jahren überhaupt am Ende Briefwahl abgaben. Wer noch Briefwahl machen will, muss sich sputen: bis Freitag um 18.00 Uhr sowie am Samstag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr ist das Briefwahlbüro noch geöffnet – dort kann man die Unterlagen direkt einwerfen. Auch die Wahlbüros heute nehmen Briefwahlunterlagen entgegen – ansonsten gilt: Wählen gehen!
Der Trend ist keine Mainzer Besonderheit: In ganz Rheinland-Pfalz ist der Briefwähleranteil bereits deutlich höher als vor fünf Jahren. „Von den rund 3,2 Millionen rheinland-pfälzischen Wahlberechtigten haben vier Tage vor dem Wahltag landesweit schon rund 29,3 Prozent“ gewählt, teilte der Landeswahlleiter am Mittwoch mit. 2014 habe der Anteil zum gleichen Zeitpunkt bei 23 Prozent gelegen.
Der Boom deutet zum einen auf ein hohes Interesse an den Wahlen hin, schließlich sind am Sonntag auch Europawahlen – und die sind in Zeiten von Brexit und erstarkenden rechten Populisten besonders wichtig. Gerade die Abstimmung in Großbritannien über den Brexit, aber Wahlen wie die von Donald Trump in den USA haben eindeutig belegt: jede, wirklich jede Stimme des Wählers zählt und kann am Ende den Ausschlag geben. Also: Geht wählen – Eure Stimme bewirkt tatsächlich etwas! Entscheiden zu können über Weiter so oder Wechsel, über Wandel, Ideen und Personen ist das vornehmste Recht in einer Demokratie. Wer dieses recht nicht nutzt, könnte schneller in einer Autokratie aufwachen, als er glaubt – Staaten wie Ungarn machen es gerade vor.
149.702 Mainzer sind am Sonntag zur Europawahl aufgerufen, bei der Kommunalwahl sind es sogar 162.498 – das sind satte 6.200 Bürger mehr als vor fünf Jahren. Mainz boomt, die Stadt gewinnt derzeit pro Jahr rund 2.000 Einwohner hinzu. Das hohe Interesse an der Briefwahl dürfte aber auch an dem komplizierten Wahlverfahren bei der Kommunalwahl mit Kumulieren und Panaschieren liegen: Viele Wähler nehmen den Wahlbogen mit seinen enormen Ausmaßen lieber mit nach Hause, um ihn dort in Ruhe auszufüllen.
Bei der Stadtratswahl nämlich kann jeder die 60 Sitze des Rates einzeln vergeben – 60 Kreuze darf man auf dem Wahlbogen machen, wenn man denn will. Dabei kann man bis zu drei Stimmen pro Bewerber vergeben, und das quer durch alle Parteien – Ihr könnt also jedem Bewerber, der Euch zusagt, Stimmen zuteilen, egal in welcher Partei er ist. Umgekehrt könnt Ihr auch Bewerber durchstreichen – ja, das ist erlaubt! Seid Ihr der Meinung, ein Kandidat gehört nun wirklich nicht in den Stadtrat, streicht ihn einfach durch. Da sage noch einer, Ihr hättet keinen Einfluss.
Wem das alles zu kompliziert ist, kann auch einfach eine Stadtratsliste ankreuzen, dann werden seine 60 Stimmen der Reihe nach von Platz eins nach unten hin den Kandidaten zugeteilt. Wenn Ihr nicht alle 60 Stimmen einzeln vergeben wollt, empfiehlt es sich ohnehin, eine Liste oben anzukreuzen – dann geht keine Eurer kostbaren Stimmen verloren. Durch das Kumulieren und Panaschieren wurden bei den vergangenen Wahlen übrigens regelmäßig die Listen wild durcheinander gewirbelt, weil die Wähler bekannte Gesichter weit nach vorne voteten. Das ist zwar verständlich, andererseits muss man sich mal überlegen: Haben junge Nachwuchsleute und neue Gesichter so eine Chance?
Es gilt also, gut zu überlegen, wem man seine Stimme anvertraut – das Schöne an der Kommunalwahl: Euren Vertretern könnt Ihr jederzeit in der Stadt begegnen, und sie dann auf ihre Politik ansprechen – mit Lob oder Tadel, wie es Euch gefällt 😉
Insgesamt treten für die volle 40 Listen an, der Wahlzettel passt nicht einmal auf einen normalen Küchentisch… Ein bislang wichtiges Vergleichstool für die Wahlen wurde zwischendurch höchstrichterlich gestoppt: Die neue Partei Volt klagte gegen den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung – und bekam Recht. Volt hatte sich beschwert, dass bei der Endauswertung nur acht Parteien gleichzeitig verglichen werden können, das sei eine Benachteiligung kleiner Parteien. Das Verwaltungsgericht Köln gab der Klägerin Recht und stoppte den Wahl-O-Mat vorübergehend – inzwischen ist er wieder online.
Das lenkte den Blick auf26 Alternativen: Beim Wahl-Swiper muss man 33, teils sehr anspruchsvolle, Fragen beantworten und bekommt am Ende alle Parteien untereinander in einer Liste aufgelistet, entsprechend der Übereinstimmung zu den eigenen Antworten in Prozent. Das ergibt tatsächlich spannende neue Erkenntnisse im Vergleich zum alten Wahl-O-Mat, weil auf einmal Parteien ganz vorne auftauchen können, die man vorher nicht einmal kannte – und deshalb im Wahl-O-Mat nie ausgewählt hätte.
Entwickelt wurde der Swiper eigenen Angaben zufolge von einem Team aus Journalisten, Programmierern, Grafikern und Videoproduzenten, die Fragen entwickelte ein Team aus Politikwissenschaftlern der Universität Freiburg und – je nach Wahl – auch von den Universitäten Bremen, Frankfurt am Main, Salzburg, Marseille und der University of East Anglia. Eine weitere Alternative ist der EuroMat, der von der Bewegung Pulse of Europe zusammen mit dem Thinktank Polis180 e.V.entwickelt wurde – der EuroMat bildet eigenen Angaben zufolge die Positionen der europäischen Parteien insgesamt ab.
Für die Stadtratswahl treten in Mainz insgesamt zwölf Listen an, darunter erstmals die unter anderem von dem Satiriker Martin Sonneborn gegründete „Die Partei“. Zum zweiten Mal tritt das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) an, eine von Muslimen 2010 in Köln gegründete Partei – 2014 schaffte sie nicht den Einzug in den Stadtrat.
Erstmals dabei ist in Mainz auch die neue pro-europäische Bürgerbewegung Volt. Volt wurde im März 2017 von einem Italiener, einem Deutschen und einer Französin gegründet, zwei davon Studenten, darunter der Deutsche Damian Boeselager. Volt will die erste paneuropäische Partei sein und tritt zwar dezidiert pro-europäisch an, will die EU zugleich aber auch reformieren. In Mainz spricht sich Volt für eine Verkehrswende nach dem Vorbild von Oslo oder Gent aus, einen attraktiveren ÖPNV etwa durch Ruftaxis und Kleinbusse,und mehr Grün in der Stadt etwa durch Dächer- und Fassadenbegrünung. Ferner will man Bürgerbeteiligung durch Ideenwettbewerbe, und diese sollen dann auch durch ein Bürgerbudget umgesetzt werden können. Mehr zu den Ideen von Volt findet Ihr hier im Internet.
Die Reihenfolge der Wahlvorschläge auf dem Stimmzettel richtet sich übrigens nach dem Abschneiden der Parteien bei der letzten Landtagswahl, und dann nach den Stimmen der letzten Kommunalwahl, so lautet die Reihenfolge: SPD, CDU, AfD, FDP, Grüne, Die Linke, ÖDP, Piraten, Freie Wähler, BIG, Die Partei, Volt. Also, ran an den Wahlzettel – Ihr habt die Wahl! Gewählt werden übrigens auch die 15 Ortsbeiräte und 15 Ortsvorsteherin den Mainzer Stadtteilen, das sind Eure direkten Vertreter vor Ort – also: Wählen gehen!
Mainz& erreichten am Mittwochabend noch Berichte, dass wahlberechtigte Mainzer vielfach keine Wahlbenachrichtigung bekommen hätten – ein Bericht dazu einer Betroffenen liegt uns persönlich vor. Das Problem soll kein Einzelfall sein, wir gehen dem noch mal nach. Wer keine Wahlbenachrichtigung bekommen hat, kann aber auch so wählen: Einfach mit dem Personalausweis ins Briefwahlbüro oder ins Wahllokal gehen. Achtung: einige Wahllokale haben sich bei dieser Wahl geändert! Bei Fragen einfach das Wahlbüro der Stadt Mainz kontaktieren, die Nummern seht Ihr unten.
Das Warten auf die Ergebnisse am Sonntag wird übrigens zu einer Geduldsprobe werden. Zuerst wird nämlich die Europawahl ausgezählt, mit dem vorläufigen Ergebnissen wird in Mainz gegen 19.30 Uhr gerechnet. Danach folgen die Ortsvorsteherwahlen, vorläufiges Endergebnis:; gegenm 20.00 Uhr. Von den Stadtratswahlen gibt es hingegen nur einen ersten Trend – hier werden am Sonntag zunächst nur die Stimmzettel ausgezählt, bei denen Wähler nur eine einzige Liste angekreuzt haben.
Alle Stimmzettel, auf denen kumuliert oder panaschiert wurde, werden erst am Montag ausgewertet. Einen ersten Trend in Sachen Stadtratswahl gibt es voraussichtlich so irgendwann zwischen 21.30 Uhr und 22.00 Uhr, das echte Ergebnis aber erst am Montag gegen 18.00 Uhr. Einen Trend zu den Ergebnissen der Ortsbeiratswahlen dürft Ihr gegen 22.00 Uhr am Sonntagabend erwarten. Die Ergebnisse könnt Ihr im Internet auf der interaktiven Internetseite wahl.mainz.de/wahlapp/ verfolgen – oder mobil mit der neuen Wahlapp, dem VoteManager. Die findet Ihr im Appstore Eures Handys, sie liefert die regionalen Wahlergebnisse.
Info& auf Mainz&: Europawahl und Kommunalwahl am Sonntag, den 26. Mai 2019, die Wahllokale sind von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr durchgehend geöffnet. Wählen kann man übrigens auch im Briefwahlbüro schon vor dem Sonntag – geöffnet ist das Büro im Rathaus noch am heutigen Donnerstag von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr sowie am Freitag von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und am Samstag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Der Nachtbriefkasten vor dem Rathaus, versichert die Stadt, werde ebenfalls noch mehrfach geleert. Das Wahlbüro erreicht Ihr für Fragen unter den Rufnummern +49 6131 12-2965 oder +49 6131 12-3838, das Briefwahlbüro hat die Rufnummer +49 6131 121500. Alle Informationen rund um die Kommunalwahl in Mainz findet Ihr auch noch mal hier im Internet bei der Stadt Mainz.
Update&: Am Wahlsonntag könnt Ihr zudem ganz bequem mit Bus und Bahn ins Wahllokal fahren: Die Einzelfahrkarte gilt dann nämlich als Tageskarte in der von den Fahrgästen gekauften Preisstufe – so kommt Ihr günstig zum Wahlbüro und zurück oder auch zu anderen Zielorten. Die Mainzer Mobilität beteiligt sich damit an der Aktion des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, das Angebot gilt im gesamten RMV-Gebiet oder auch nur in Mainz – je nach gewählter Preisstufe des Einzeltickets. Infos im Internet dazu gibt es hier.