Vier Mal Politik, fünfmal Kokolores – so sieht das Setup für die diesjährige Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ aus. Und das verspricht viel: Zum zweiten Mal ist nämlich Johannes Bersch mit seiner „Moguntia“ dabei – und etabliert sich damit als politischer Redner in der Fernsehsitzung. Florian Sitte kommt als „Greta“, Lars Reichow mit seinem „Fastnachtsjournal“ – und Friedrich Hofmann steigt im Jubiläumsjahr des MCC noch einmal als Till dem Reichstag auf die Kuppel – zum allerletzen Mal. Auf einen schwungvollen Auftritt dürfen sich die Zuschauer mit den „Eisbären“ vom KCK freuen, dafür hat das ZDF Detlev Schönauer aus der Sendung gekippt. Und: Endlich ist auch mal wieder eine Frau dabei.
In diesem Jahr ist turnusgemäß wieder das ZDF an der Reihe, und das wagt den Spagat zwischen frischen Newcomern und traditionsreichen Elementen der Mainzer Fastnacht. Zu den Letzteren gehören natürlich Thomas Neger und die Humbas, die – wer ahnt es nicht – wieder einmal ihren Megahit „Im Schatten des Doms“ performen werden, dieses Mal mit Unterstützung des Mainzer Domchors. So großartig die Mainz-Hymne ist – die Zuschauer müssen ja denken, es gäb in Mainz überhaupt keine Entwicklung in Sachen Fastnachts-Musik, das ist schon enttäuschend. Denn wieder einmal haben es junge Gruppen wie die Bockius Brothers „Dobbelbock“ oder die Rot Rock Rapper nicht auf die Fernsehbühne geschafft – da wären sie gewesen, die jungen, frischen Töne aus Mainz, die in der Kampagne die Säle rocken.
Immerhin: Mit den Kasteler „Eisbären“ schafft endlich eine junge Gesangsgruppe den Sprung auf die Fernsehbühne, die schon seit einigen Jahren die Sälen zum Kochen bringen, In diesem Jahr präsentiert sich die Gesangsgruppe auch besonders stark mit einem fetzigen Gesangsmedley, in dem sie als Gartenzwerge Klimawandel und Konsumgepflogenheiten aufs Korn nehmen. Das ist bildstark und gesanglich gut umgesetzt, der Sprung auf die Bühne völlig verdient. So gibt es denn auch gleich drei närrische Chorformationen, denn natürlich sind auch die Gonsenheimer Schnorreswackler wieder mit dabei.
Die Gonsenheimer Jungs sind mit ihrer Öko-Schlurfi-Nummer der absolute Hit und liefern wieder einmal mit kreativen Rhythmusideen und ihrer „When I ruled the world“- Persiflage zur Klima-Rettung einen unglaublichen neuen Ohrwurm ab – wer mag, kann sich ihn hier im Mainz&-Youtube-Kanal schon mal anhören. Das ZDF übrigens nennt die Schnorreswackler in seiner Mitteilung vom Sonntag in einem Atemzug mit den Mainzer Hofsängern „das Maß aller Dinge“ – wow. Die Hofsänger wiederum werden wieder einmal „mit Stimmungsliedern und ihrem legendären Finale für den krönenden Abschluss des fast vierstündigen Programms“ sorgen, heißt es beim ZDF. Ebenfalls inzwischen wieder zum Stammgast der Fernsehsitzung avanciert ist Margit Sponheimer. Inzwischen taucht die Fastnachtslegende jedes Jahr als „Überraschung“ im Programm auf – in diesem Jahr feiert das Margittche seinen 7×11. Geburtstag.
Die Eisbären wiederum sollen die Sitzung mit einer gesungenen Hommage an den jüngst verstorbenen legendären „Onkel Hermann“ eröffnen, und präsentieren dazu ein tolle, schmissige Version von „Meenzer Bube, Meenzer Mädcher“. Die Sparte Tanz hat das ZDF dafür auf ein ganzes Ballett reduziert – in den vergangenen Jahren klagten die Fernsehmacher immer wieder, dass sich die Ballettnummern als Abschaltpunkte bei den Zuschauern erwiesen. Also ist in diesem Jahr nur die TSV Schott-Truppe „Fantasy“ dabei, die laut ZDF Auszüge ihrer großen Show auf die Bühne zaubern wird.
So bleibt in der Fernsehsitzung mehr Zeit für die Redner, und da feuert das ZDF aus allen Rohren. Den Reigen eröffnet natürlich einer, der von vorneherein gesetzt war: Friedrich Hofmann vom Mainzer Carnevals Club steigt zum letzten Mal in das Till-Kostüm und der hohen Politik auf die Reichstagskuppel, nach 25 Jahren sagt der Mann mit den geschliffenen, feinsinnigen Versen der Fastnachtsbühne adé. So gut die anderen Protokoller in dieser Kampagne auch waren – allen voran wieder einmal ein fantastischer Erhard Grom vom Gonsenheimer Carnevals Verein (GCV) – da hatte einfach kein anderer eine Chance. So verbeugt sich die Fernsehsitzung noch einmal völlig zu Recht vor einer der großen traditionellen Symbolfiguren der Mainzer Fastnacht – ob ein Jüngerer in die Rolle schlüpfen wird, wird man sehen.
Damit geht das „Sterben“ der großen alten Polit-Figuren wie dem „Boten vom Bundestag“, Guddi Gutenberg und eben dem Till bei „Mainz bleibt Mainz“ weiter – doch das schafft auch Raum für neue Figuren und neue Redner. Einer davon: Johannes Bersch. Der Jungstar vom KCK legte vergangenes Jahr eine so umjubelte Premiere bei „Mainz bleibt Mainz“ hin, dass sich Sitzungspräsident Andreas Schmitt glatt vor dem Newcomer mit den Worten verneigte: „Ein Rolf Braun und ein Jürgen Dietz, die gucken jetzt von oben zu und applaudieren Dir.“ Nun liegt die Latte hoch, es wird spannend werden, wie Bersch es schafft, sein Niveau vom vergangenen Jahr zu halten.
Das hat ein anderer schon beweisen, den man gar nicht mehr Jungstar nennen mag: Florian Sitte, Zahnarzt aus Mainz, hat sich in geradezu rasanter Zeit mit seinen Polit-Parodien in der ersten Reihe der Rednerriege etabliert. Nach einer umjubelten Angela Merkel-Parodie kommt Sitte in diesem Jahr als „Greta“ daher – wie könnte es auch anders sein. Das Topthema des Jahres 2019, das Erdbeben, das die junge schwedische Klimaaktivistin weltweit ausgelöst hat, ist natürlich eine Steilvorlage für alle Kabarettisten und so natürlich auch für die Narren in der Bütt. Bei drei farbenfrohen Politrednern mit echten Figuren fällt der Profi-Kabarettist Lars Reichow fast schon aus dem Rahmen.
Nach seiner Panne bei „Mainz bleibt Mainz“ im Jahr 2018, als die Stimmung während der Livesitzung beim Vortrag von Reichow hörbar kippte, stellten viele in Mainz das Engagement des Profi-Redners in der Fastnacht in Frage. Doch Reichow legte beim GCV in diesem Jahr einen ausgesprochen starken Vortrag hin, das sicherte ihm wohl das Ticket für die Fernsehsitzung. Nicht dabei ist hingegen ein anderer Profi: Detlev Schönauer hatte sich mit seinem Bio-Lehrer in den vergangenen Jahren doch sehr überholt, dass er nicht mehr dabei ist, ist konsequent. Zumal es der Mainzer Szene ja nun wirklich nicht an starken Figuren fehlt: Andreas Schmitt dröhnt als Obermessdiener wieder einmal wortgewaltig und charakterstark durch die Säle und heimst vor allem auch dann Ovationen ein, wenn er Klartext Richtung Rechts redet – Schmitt ist neben seiner Rolle als Sitzungspräsident auch wieder als Schlussredner gesetzt.
Schmitt ist ja quasi ein Zwitter zwischen Politredner und Kokolores, ein Bank in letzterer Abteilung ist Jürgen Wiesmann, der wieder als „Ernst Lustig“ dabei ist. Eine Rückkehr auf die Bühne schafft Adi Guckelsbberger mit seinem Nachtwächter, der in diesem Jahr etwas längere Geschichten erzählt, mal sehen, ob das Fernsehen da eingreift. Und das ZDF schafft es auch, wieder eine Frau auf die Bühne zu holen: Sabine Pelz laufe „zu Hochform auf und lädt als Chefhostess der Stadt Mainz zu einer närrischen Bustour ein“, finden die Verantwortlichen, ZDF-Showchef Oliver Heidemann und Redakteur Timo Rieth – es ist das zweite Mal nach 2018, dass Pelz mit ihrer Chefhostess auf die Fernsehbühne darf.
Das Maß aller Dinge in Sachen Kokolores aber heißt in Mainz Heininger & Schier, und natürlich darf das Gonsenheimer Nonsens-Duo Martin Heininger und Christian Schier mit seiner Schnut-Tube-Parodie als Fastnachts-Influencer nicht fehlen. Vier Stunden lang wird die Fernsehsitzung am Fastnachtsfreitag, den 21. Februar 2020, über die Bühne des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz toben – wie immer als einzige Fastnachtssitzung live. Man darf gespannt sein. Für den richtigen Ablauf und die Regie sorgt wieder einmal das Team des Gonsenheimer GCV – und wie das aussieht, könnt Ihr hier nachlesen. Wir von Mainz& haben nämlich in der Kampagne 2019 beim GCV hinter der Bühne zu Gast sein dürfen.
Info& auf Mainz&: Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ wird am Fastnachtsfreitag, den 21. Februar 2020, live ab 20.15 Uhr im ZDF übertragen. Mehr zu den Auftritten der Gonsenheimer Aktiven wie Schnorreswackler und Reichow könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Die Debatte um Profis in der Fastnacht haben wir 2018 hier aufgeschrieben. Wie die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ 2019 verlaufen ist, das könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.