Die Nachlese zur Bundestagswahl 2017 läuft, die Parteien beraten, wie sie den Wahlausgang einschätzen, warum die AfD so stark geworden ist – und warum die SPD auf gerade einmal 20,5 Prozent abstürzte. „Die SPD hat auch darunter gelitten, sich zu sehr an sich selbst zu berauschen“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister und Mainzer SPD-Chef Michael Ebling am Wahlabend im Gespräch mit Journalisten: Auf Parteitagen „war die Welt für die SPD in Ordnung“, man sei mit sich im Reinen gewesen. „Bestimmte gesellschaftliche Themen sind aber an der SPD vorbei gelaufen“, sagte Ebling weiter, das gelte vor allem für das Aufstiegsversprechen in der Gesellschaft. Auch in der Stadt Mainz reichte es für die SPD nur zu 21,4 Prozent.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) mit einem Plakat, das für den Tag der Deutschen Einheit in Mainz wirbt. – Foto: gik

Bundesweit war die CDU auf 33 Prozent gekommen, die SPD auf 20,5 Prozent, die FDP auf 10.7 Prozent, die Linke auf 9,2 Prozent und die Grünen auf 8,9 Prozent. Die rechtsextreme AfD kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 12,6 Prozent. In der Stadt Mainz erzielte die CDU 30,7 Prozent, die SPD 21,4 Prozent, die Grünen kamen auf 15,2 Prozent, die FDP auf 11,1 Prozent und die Linke auf 9,8 Prozent. Die AfD lag in der Stadt Mainz bei 7,3 Prozent. Bundesweit hatte die SPD damit 5,2 Prozentpunkte verloren, die CDU aber sogar 8,6 Prozentpunkte.

„Das war ein Abwählen der Großen Koalition und der Parteien, die die Große Koalition gebildet haben“, sagte Ebling. Die CDU habe stärker verloren als die SPD, aber die Sozialdemokraten hätten „in der Gesellschaft deutlich eins auf die Mütze bekommen.“ Das habe auch daran gelegen, dass Themen, die die AfD groß gemacht hätten, an der SPD vorbei gelaufen seien. Bei Themen wie Enttäuschung, Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit sei die SPD zwar „dicht dran“ gewesen, bei anderen Themen aber nicht, etwa dass das Aufstiegsversprechen in der Gesellschaft nicht mehr funktioniere. „Als Sozialdemokrat finde ich die Entscheidung in die Opposition zu gehen richtig“, betonte Ebling.

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Mit Plakaten wie diesen warb die AfD schon bei der Landtagswahl 2016 um Stimmen. – Foto: gik

Zum Abschneiden der AfD sagte Ebling: „Ich glaube, dass man die AfD auf der politischen Ebene noch nicht enträtselt hat, ich hoffe, das gelingt noch.“ Die Strategie der Partei und was genau die Menschen an der rechtsextremen Partei anziehe, müsse noch stärker analysiert werden. „Ich glaube schon, dass da mehr Enttäuschung mitschwingt als Nazitum, und dass da noch ein Großteil rückgewinnbar ist“, sagte Ebling. Nicht jeder in der AfD sei ein Nazi, „da sind viele Leute dabei, die mit dem politischen Koordinatensystem nicht zurecht kommen und mit vielen anderen Dingen auch nicht.“ Den großen Parteien sei es nicht gelungen, diese Menschen von sich zu überzeugen. Die Crux dabei sei aber auch: „Je mehr man über die AfD redet, desto stärker macht man sie auch.“ Und Ebling prophezeite schon am Wahlabend noch etwas anderes: „Die werden sich zerlegen“, sagte er.

Tatsächlich kündigte AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry bereits am Montagmorgen, wenige Stunden nach der Wahl, an, ihrer eigenen Fraktion im Bundestag nicht angehören zu wollen – weil diese zu stark von radikalen Kräften dominiert werde. Die AfD wandele sich „seit geraumer Zeit von einer zielstrebig ausgerichteten Partei (…) zu einem ‚gärigen Haufen‘, also einer ‚anarchischen‘ Partei“, schrieb Petry in einem persönlichen Statement, das Ihr unter anderem auf ihrer Facebook-Seite findet. Die mediale Präsenz der AfD werde von „radikalen Positionierungen“ beherrscht, „die notwendige Verankerung der Partei in der Mitte der Gesellschaft“ habe seit 2015 nicht zu-, sondern spürbar abgenommen. „In einer Partei, die seit fast einem Jahr die realpolitischen Vertreter zunehmend marginalisiert, in der gemäßigte Mitglieder auf allen Ebenen diskreditiert werden, wolle sie nicht mitarbeiten“, sagte Petry weiter. Stattdessen wolle sie als fraktionslose Einzelabgeordnete im Bundestag „einer vernünftigen konservativen Politik Gesicht und Stimme verleihen.“

Damit hält die AfD den Rekord in Sachen Spaltung und Zerstreiten. Ebling sagte, positiv sei zwar, dass die AfD in Mainz nicht so hoch liege wie im Bundesschnitt. Das gute Abschneiden der AfD vor allem im Osten der Republik – in Sachsen war die AfD noch vor der CDU stärkste Partei geworden – sei aber „auch ein Signal, dass die Einheit nicht widerspruchsfrei funktioniert.“ Und das, fügte Ebling noch hinzu, sei bitter für ein Land, „das in wenigen Tagen den Nationalfeiertag feiert.“

In der Stadt Mainz verteilten sich die Zweitstimmen für die AfD durchaus unterschiedlich: Während es in der Altstadt oder der Neustadt „nur“ 4,9 Prozent waren, stimmten in Mombach 10,1 Prozent der Wähler für die Rechtsextremen, in Ebersheim waren es 8,9 Prozent, in Finthen 9,1 Prozent, in Marienborn 9,2 Prozent und auf dem Lerchenberg sogar 9,9 Prozent – der zweithöchste Wert in Mainz.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Ergebnissen der Bundestagswahl in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&.

 

 

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