Schock in Mainz: Der Kaffeeproduzent Nestlé will sein Werk in Mainz bis Ende 2017 schließen, rund 400 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Das 1958 gebaute Werk Mainz entspreche nicht mehr den heutigen Erfordernissen einer modernen, effizienten Kaffeeproduktion, teilte der Konzern am Donnerstag Öffentlichkeit und Belegschaft mit, und weiter. „Eine Modernisierung der Gebäude und Betriebsanlagen erscheint nach einem unabhängigen Gutachten unwirtschaftlich.“ Nun soll die Produktion offenbar in den Osten verlagert werden. Die Stadt Mainz ist sauer, Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach von einem „rabenschwarzen Tag für Mainz.“
Die Nachricht sei völlig überraschend und ohne jeden Vorlauf gekommen, sagte Ebling, er sei am Donnerstagfrüh von Werksleiter Edgar Jäckle über die Schließungspläne informiert worden. „Wir verlieren ein Traditionsunternehmen“, sagte Ebling geschockt und kritisierte: „Dass eine Modernisierung der Gebäude und Betriebsanlagen nach Aussage der Firmenleitung als unwirtschaftlich dargestellt wird, nehme ich dann doch verärgert zur Kenntnis.“
Denn das Nestlé-Werk in Mainz sei hochprofitabel und habe gerade 2015 sein bisher bestes Betriebsergebnis eingefahren, betonte der OB weiter. Dass das Traditionswerk in Mainz nun wegen vorherrschender baulicher Mängel aufgegeben werde, hätte „mit Reinvestitionen in die Bausubstanz vermieden werden können und erscheint mir wenig nachhaltig“, kritisierte Ebling.
Nestlé-Produktion soll nach Schwerin
Tatsächlich will Nestlé seine Kaffeeproduktion offenbar nach Schwerin verlagern, dort wurde vor Kurzem ein neues Kaffeewerk mit 300 Mitarbeitern eröffnet. „Es ist vorgesehen das Werk weiter auszubauen“, teilte der Konzern lapidar im Zuge der Schließungspläne für Mainz mit. Man habe übrigens in den vergangenen drei Jahren an verschiedenen Standorten in Deutschland über 1.000 Mitarbeiter neu eingestellt und wolle „weiter in wachstumsstarke Kategorien investieren“ – nur offenbar nicht in Mainz.
Hier wurden zuletzt rund 24.000 Tonnen Kaffee und Kakao produziert, nun sollen „Rahmenbedingungen für die Schließung des Werks in Mainz geprüft“ und mit den Planungen für die „voraussichtliche“ Schließung begonnen werden, heißt es in der Mitteilung. Damit darf man vermuten, dass die Wirtschaftsförderung in Schwerin dem Konzern offenbar einen roten Teppich ausrollt – üblicherweise fließen für solche Werksneuansiedlungen im Osten üppige Subventionen. In Mainz stehen damit die Arbeitsplätze von 380 Mitarbeiten und 25 Auszubildenden auf der Kippe.
Ebling enttäuscht, Mombach geschockt
„Ich verhehle meine Enttäuschung nicht und erwarte, dass ein Unternehmen dieser Größenordnung seine soziale Verantwortung hochhält“, sagte Ebling weiter. Nestlé dürfe die Belegschaft „nicht im Regen stehen lassen“, das sei „das Mindeste, was nun geboten erscheint.“ Auch die Mombacher Ortsvorsteherin Eleonore Lossen-Geißler (SPD) äußerte sich geschockt: „Ich bin heute aus allen Wolken gefallen“, sagte sie, es habe „keinerlei dezenten Hinweis“ gegeben, „dass ein solch martialischer Einschnitt bevorstehen könnte.“ Das sei eine bittere Nachricht für den Industriestandort Mainz und gerade für Mombach.
Der Kaffeeröster Nestlé wurde 1867 durch Heinrich Nestlé gegründet und entwickelte sich durch zahlreiche Fusionen und Zukäufe zu einem breit aufgestellten Nahrungsmittel-Konzern.Die Mainzer Niederlassung wurde 1958 gegründet und produzierte verschiedene Sorten des löslichen Nescafé sowie des Kakaogetränks Nesquik. Nestlé hatte 2013 in Deutschland einen Umsatz von 3,43 Milliarden Euro und beschäftigte rund 12.800 Mitarbeiter. Im Bereich der 30 Nescafé-Werke weltweit sollte die Mainzer Niederlassung nach Firmenangaben eigentlich zu den „technologisch führenden Werken“ gehören.
DGB kritisiert Nestlé, CDU wirft OB und Sitte Untätigkeit vor
Heftige Kritik an den Schließungsplänen kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): Die Betriebspolitik von Nestlé sei „unverantwortlich“, wetterte DGB-Landeschef Dietmar Muscheid: Erst werde bei Gebäuden und Anlagen „auf Substanz gefahren und dann, wenn alles runtergewirtschaftet ist, einfach das Werk geschlossen. Damit stößt der Nestlé-Konzern alle vor den Kopf!“
Die CDU-Opposition wiederum griff die Stadtspitze mit OB Ebling und Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) scharf an: „Nestlé macht zu. ECE kommt gar nicht erst. Was gelingt OB Ebling eigentlich?“, schrieb der Mainzer CDU-Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner auf Facebook. Eblings „Beitrag zum Standort Mainz ist Tempo 30 auf der Rheinallee“, fügte der CDU-Mann sarkastisch hinzu. Dass Nestlé lieber in Schwerin investiere, „wirft ein ganz schlechtes Licht auf Mainz und seine Standorts-/ und Wirtschaftspolitik“, findet Felix Leidecker von der Jungen Union Mainz.
Auch Rapsraffinerie Cargill schließt Standort
Leidecker verweist darauf, dass gerade erst auch die Firma Cargill ankündigte, ihre Produktion in Mainz einstellen zu wollen. Die Mainzer Ölraffinerie verarbeitet Raps für die Lebensmittelindustrie, am 9. März kündigte die Firma an, die Produktion in Mainz einstellen zu wollen. 50 Arbeitsplätze werden hier wegfallen. Das Mombacher Werk sei mit Blick auf die Größe und die Nähe zu den Rohstoffen gegenüber anderen Ölmühlen in Deutschland benachteiligt, berichtet die Internetplattform Topagrar.com. Zudem sei die lokale Nachfrage in der Region begrenzt und die Profitabilität des Standortes stark gesunken. Auch hier verkündete Ebling, der Schritt sei „überraschend.“
Damit könnten rund 1.500 Menschen in Mainz in der nächsten Zeit ihren Job verlieren, diesen Jobs stünden aber „keinerlei nennenswerte Neugründungen gegenüber“, kritisierte Leidecker. Deshalb „muss man schon einmal die Frage stellen: Was macht der zuständige (Wirtschafts-)Dezernent Sitte (FDP) eigentlich den ganzen Tag?“
Das Aus komme überraschend, Nestlé habe noch vor knapp zwei Jahren Neuerungen in der Technik und Verbesserungen vorgestellt, „als würde man sich am Standort längerfristig rüsten wollen“, verteidigte SPD-Wirtschaftsexperte Martin Kinzelbach die Überraschung. Nun müssten Politik und Verwaltung den von der Entlassung bedrohten Beschäftigten helfen und für den Standort Mainz gleichzeitig „weiterhin aktive Ansiedlungspolitik zu betreiben, um den Wegfall des Unternehmens Nestlé zu kompensieren“, fügte er hinzu.