Seit fast 30 Jahren laufen die Planungen für eine „Kulturbäckerei“ in der Mainzer Neustadt, nun sollte das Kulturzentrum endlich Realität werden – da gibt es massiven Ärger bei der Finanzierung. Kurz vor der Kommunalwahl weigern sich nun die Mainzer Grünen, einen Stadtratsbeschluss über die jährliche Förderung des Zentrums in Höhe von 350.000 Euro mitzutragen. „Damit wäre das Projekt geplatzt“, sagte Jürgen Waldmann, Geschäftsführer der Kulturbäckerei am Samstag bei einer Podiumsdiskussion im Ollohof. Die Grünen wehren sich: Hier werde versucht, „Stimmung gegen Grüne zu machen“, sagte HaMü-Ortsvorsteherin Christin Sauer.

Die Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt 2015 als Flüchtlingsunterkunft. - Foto: gik
Die Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt 2015 als Flüchtlingsunterkunft. – Foto: gik

„Das Soziokulturelle Zentrum KULTURBÄCKEREI im Kulturhaus HUNDERTELF (111) an der Rheinallee 111 wird Anfang 2026 eröffnet“, so heißt es bislang optimistisch auf der Homepage der Kulturbäckerei – es sollte die Erfüllung eines fast 25 Jahre alten Traums sein: Seit 2001 kursierten Ideen und schließlich Pläne, in dem Gebäude der alten Kommissbrotbäckerei ein sozio-kulturelles Zentrum für die Mainzer Neustadt entstehen zu lassen – der zu den größten Mainzer Stadtteile zählende Bereich hat bis heute kein eigenes Stadtteilzentrum.

Die Kommissbrotbäckerei wurde 1902 als Neubau der Garnisonsbäckerei für die Truppen in der Mainzer Festung errichtet und beherbergte unter anderem eine Brotfabrik sowie Lager für Mehl und Hafer, dazu Magazine und Büros. Seit dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Gebäude der Bundeswehr, die sie 2015 dem Land Rheinland-Pfalz als Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung stellte. 2016 wurde die Flüchtlingsunterbringung an dem Standort wieder geschlossen, die Stadt Mainz nahm Verhandlungen mit dem Bund zum Kauf des Gebäudes auf, das schließlich 2019 durch die Wohnbau Mainz erworben wurde.

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Kulturbäckerei als sozio-kulturelles Zentrum für die Neustadt

Es waren ausgerechnet die Grünen, die im Kommunalwahlkampf 2009 die Umbenennung der Kommissbrotbäckerei in „Kulturbäckerei“ propagierten, fortan liefen die Pläne für ein Neustadtzentrum unter diesem Namen. 2013 gründet sich die „Initiative Kulturbäckerei“, eine Gruppe von Kulturschaffenden, Architekten und Stadtplanern, Aktiven der Sozialen Stadt und interessierten Neustädtern, wie es auf der Homepage heißt, seit 2017 ist man ein Verein.

Das Gebäude der alten Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt von der Rückseite. - Foto: gik
Das Gebäude der alten Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt von der Rückseite. – Foto: gik

Dessen Idee wurde in den Folgejahren zu einem ausgereiften Konzept für ein Zentrum, das Kultur und Programmkino sowie Werkstätten und Räume für junge Start-ups und natürlich für die Bewohner der Neustadt selbst zur Verfügung stellen soll. „Im Wesentlichen geht es darum, Raum zu schaffen für freie Kunst und Kulturschaffende, aber auch für Menschen vor Ort“, sagte nun Jürgen Waldmann, Geschäftsführer des Vereins „Kulturbäckerei“ im Mainz&-Gespräch.

Auf rund 1.400 Quadratmetern in zwei Stockwerken seien nun in der alten Kommissbrotbäckerei Arbeits- und  Präsentationsräume, sowie temporär nutzbare Räume für Menschen aus Quartier und Stadtteil geplant. Für die Finanzierung hatten die politischen Parteien in der Stadt dem Verein einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 350.000 Euro zugesagt, damit sollte die Miete für das Zentrum sowie Tageskontingente für die Nutzung der großen Halle im Erdgeschoss sowie einer kleinen Bühne im Keller enthalten sein.

Grüne propagierten 2009 „Kulturbäckerei“, jetzt Nein zur Finanzierung?

Doch Anfang Mai dann der Paukenschlag: Die finanzielle Unterstützung der Kulturbäckerei stehe „vor dem Aus“, warnte die SPD Mainz-Neustadt: „Die Stadtratsfraktion der Grünen verweigert ihre Zustimmung für eine jährliche Förderung in Höhe von 350.000 Euro.“ Aus Sicht der SPD wäre das „ein kulturpolitisches Desaster“, kritisierte die SPD-Ortsvorsteher-Kandidatin Yvonne Wuttke.

Noch deutlicher wurde der frühere Mainzer Neustadt-Ortsvorsteher Johannes Klomann (SPD): „Es war schon ein langer Kampf, dass die Stadt über die Wohnbau die Kommissbrotbäckerei-Liegenschaft kaufen konnte“, sagte Klomann: „Jetzt auf den letzten Metern das Projekt an die Wand zu fahren, wäre fahrlässig und würde der Landeshauptstadt Mainz als Kulturstandort schaden.“ Es sei zudem auch „immer klar gewesen“, dass die Kulturbäckerei eine dauerhafte Finanzierung über die Stadt benötigen werde, der jetzige verweis auf die Finanzlage der Stadt „unglaubwürdig“, schimpfte Klomann.

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Nach Mainz&-Informationen soll Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) eine Vorlage der Stadtverwaltung für den kommenden Stadtrat am 15. Mai im Stadtvorstand abgelehnt haben, die Vorlage sah einen konkreten Beschluss des Stadtparlaments für den Zuschuss von 350.000 Euro vor. Beck soll das mit dem Argument abgelehnt haben, die städtischen  Einnahmen seien zuletzt eingebrochen, eine solche Zusage könne vor den nächsten Haushaltsberatungen im Herbst nicht getroffen werden. Daraufhin zog die Verwaltung die Vorlage zurück, weil es im Stadtrat keine Mehrheit mehr gegeben hätte – der Eklat war da.

Schmöller: „Ohne Stadtrats-Beschluss ist die Kulturbäckerei tot“

Das Thema beschäftigte auch eine Diskussionsrunde mit Stadtratskandidaten am vergangenen Samstag im Ollohof in der Mainzer Neustadt, bei der es um die künftige Kulturpolitik in Mainz ging. Die Ortsvorsteherin des Stadtteils Hartenberg-Münchfeld, Christin Sauer (Grüne) bestätigte dabei indirekt den Vorgang: Die Summe müsse „im Kontext von Haushalten gesehen werden“, sagte Sauer, „wir können nicht jetzt einen Beschluss fassen, von dem wir nicht wissen, ob er im Herbst noch das Papier Wert ist, auf dem er steht.“

Podiumsdiskussion zum Thema Kulturpolitik im Ollohof in Mainz vergangenen Samstag. - Foto: gik
Podiumsdiskussion zum Thema Kulturpolitik im Ollohof in Mainz vergangenen Samstag. – Foto: gik

Das sorgte für breites Entsetzen auf dem Podium und im Publikum: „Wenn wir das am 15. Mai nicht beschließen, ist die Kulturbäckerei tot“, kritisierte SPD-Fraktionschefin Jana Schmöller – immerhin Koalitionspartnerin der Grünen im Stadtrat. Tatsächlich hatte die Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP in ihrem Koalitionsvertrag nach der letzten Kommunalwahl 2019 eine institutionelle Förderung der Kulturbäckerei vereinbart, die Äußerungen der Grünen jetzt wurden als Rückzieher gewertet – und als Bedrohung für das Projekt.

„Das Signal, das hier gesendet wird, ist nicht eines von Respekt und Wertschätzung“, kritisierte Waldmann öffentlich: „Uns wurde bisher lediglich die Entscheidung der Grünen über eine Ablehnung mitgeteilt – damit ist das Projekt geplatzt.“ Die Kulturbäckerei sei „ein grünes Herzensprojekt“, wehrte sich Sauer, „ich möchte, dass die Politik jetzt ein Versprechen gibt, dass sie auch halten kann.“ Die Gewerbesteuereinnahmen seien jüngst „blöderweise so weggebrochen, dass wir wieder keinen Spielraum haben“, sagte sie, und klagte: Eine Entscheidung „gegen die Kulturbäckerei gibt es so nicht, man versucht Stimmung gegen Grüne zu machen.“ Dabei sei die Entscheidung gar nicht „in Stein gemeißelt.“

Verein: Brauchen verlässliche Zusicherung der Stadt für Mietvertrag

Waldmann zeigtes sich im Anschluss im Gespräch mit Mainz& skeptisch: „Wir sind jetzt in einer entscheidenden Phase des Projektes, das Haus wird schon umgebaut – wir müssten jetzt Verträge unterschreiben für die Miete“, sagte Waldmann. Um das tun zu können, brauche der Verein aber verlässliche Zusicherungen der Stadt, schließlich gehe man ein hohes Risiko ein. „Es ist ja nur ein Stadtratsbeschluss erst einmal, aber wenn nicht mal der kommt, können wir natürlich gar nichts machen“, kritisierte Waldmann, „und dann wird die Kulturbäckerei da auch kein Player.“

Areal der alten Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt, im Hintergrund das neue Wohngebiet des Zollhafens. - Grafik: Verein Kulturbäckerei
Areal der alten Kommissbrotbäckerei in der Mainzer Neustadt, im Hintergrund das neue Wohngebiet des Zollhafens. – Grafik: Verein Kulturbäckerei

Dass die Grünen es jetzt „so hinstellen, als wäre es Grünen-Bashing“, entspreche nicht so ganz der Wahrheit, sagte Waldmann weiter, und kritisierte: Der Verein sei gerade noch bei der Fraktion der Grünen zu Gast gewesen, doch Bedenken seien da nicht zur Sprache gekommen. „Man hätte uns anrufen können, noch mal zum Gespräch bitten, die Entscheidung mitteilen oder begründen können – das alles ist nicht passiert“, betonte Waldmann. Er hoffe nun auf eine Wende, „es scheint ja jetzt wieder Bewegung zu geben.“

Die SPD Mainz-Neustadt kündigte am Sonntag an, sie habe eine Resolution für den Ortsbeirat der Neustadt am 8. Mai eingebracht: „Die Kulturbäckerei muss kommen“, forderte die SPD, der Stadtrat müsse die notwendigen finanziellen Mittel in der nächsten Sitzung am 15. Mai beschließen. „Die Initiative Kulturbäckerei e.V. benötigt jetzt Handlungssicherheit, damit die Mietverträge für die Räumlichkeiten abgeschlossen werden können“, betonte Alexander Klein, Sprecher der SPD-Fraktion im Ortsbeirat Mainz-Neustadt.

„Es ist alles ausgehandelt und vereinbart – nur die Zusicherung des Stadtrats fehlt, die institutionelle Förderung der Initiative anzuheben.“ Es gehe nicht an, den Beschluss auf die lange Bank zu schieben und die Aktiven der Kulturbäckerei im Unklaren zu lassen. Unterstützung signalisierten auf der Podiumsdiskusion derweil Linke und ÖDP: „Klar soll die Kulturbäckerei die Zusage bekommen“, bekräftigte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler,.

Und Linken-Stadtrat Martin Malcherek unterstrich: Die Linke wolle ohnehin, dass die Mainzer  Wohnbau ihre Gewinne behalten dürfe, anstatt sie an den „Konzern Stadt“ abzuführen. „Man könnte mit den Gewinnen unter anderem das soziokulturelle Zentrum finanzieren, das wäre ein Nullsummenspiel“, betonte Malcherek: „Uns muss alles daran liegen, kulturelle Angebote zu machen, damit diese Stadt lebenswert bleibt.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Projekt der Kulturbäckerei sowie seiner Historie und Hintergründe findet Ihr hier auf der Homepage des Vereins.