Im Streit um die Schiffsanlegestellen für Binnenschiffe vor der Südmole des Wohngebiets „Mainzer Zollhafen“ sind die Fronten verhärtet, der Streit wird wohl vor Gericht enden – und das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) sieht keine Möglichkeiten für einen Alternativstandort im Mainzer Stadtgebiet. Da veröffentlichte das Land Rheinland-Pfalz vor gut einer Woche ein Gutachten zu den Binnenhäfen des Landes entlang des Rheins – und die Gutachter sehen ausgerechnet für den Industriehafen in Mombach ein hohes Potenzial für Binnenschiffsverkehr: Auf dem Gelände der früheren Ölmühle der Firma Cargill seien nun neue Anlegestellen für den Umschlag konventioneller Güter geplant, man sehe hier ein hohes Potenzial für neuen Schiffsverkehr im Mombacher Hafen.
Das WSA Bingen hatte gerade erst im September 2019 auf Anfrage von Mainz& das Ergebnis der im Mai vereinbarten erneuten Alternativenprüfung mitgeteilt – und dabei einen Schiffsanleger am Rheinufer in Höhe von Mainz-Mombach strikt abgelehnt. Der Mombacher Stromarm verfüge nicht über die notwendige Fahrrinne mit Breite und Tiefe, für eine Liegestelle müsste der Nebenarm des Rheins „umfangreich ausgebaut werden“, wehrte die WSA ab – eine Liegestelle in dem Rheinarm sei umständlich zu erreichen, das Wasser zu flach, das komme nicht in Frage.
Doch da ist ja noch der Mombacher Industriehafen: Das 15.000 Quadratmeter große Hafenbecken liegt seit der Schließung der Ölmühle Cargill weitgehend brach und wird hauptsächlich von Rudervereinen und Sportbooten benutzt. Trotzdem sieht die WSA in diesem für Binnenschiffe ausgesprochen geeigneten Hafen keine geeignete Stelle, um Landestellen für Binnenschiffer zu schaffen. Der Hafen liege „weit außerhalb der Fahrrinnen“, heißt es in der Beurteilung der WSA, die Steinböschungen seien hinderlich.
Ein Gutachten im Auftrag des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministeriums sieht nun hingegen genau hier viel Potenzial für Schiffsverkehr: Der Industriehafen mit seiner Wasserfläche von gut 150.000 Quadratmetern sei für Binnenschiffe von bis zu 110 Metern Größe gut geeignet, die angrenzenden Flächen böten gute Entwicklungspotenziale – insbesondere die ehemaligen Cargill- und Nestlé-Standorte. Nutzungskonflikte und Probleme mit Anwohnerbeschwerden gebe es hier keine, der Abstand zur Wohnbebauung und zur Stadtentwicklung im Zollhafen sei „ausreichend groß“, der Hafenbetrieb zudem „ohne Einschränkungen genehmigt.“ Dazu sei das Hafengelände sehr gut ans Straßennetz angebunden.
Das Gutachten vom Mai 2019 des Essener Büros Planco-Consulting sollte im Auftrag des Landes alle 12 landeseigenen Häfen entlang des Rheins unter die Lupe nehmen und ihre Stärken, Schwächen und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen. Elf der Landeshäfen werden von den Gutachtern als bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes eingestuft, darunter auch der Mainzer Industriehafen samt angrenzendem Containerhafen der Firma Frankenbach. „Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Zukunft der für Rheinland-Pfalz wichtigen Binnenhäfen zu sichern“, betonte Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) bei der Vorlage des Gutachtens: Häfen stärkten den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz, brächten Versorgungssicherheit und seien gerade mit Blick auf den Klimaschutz von besonderer Bedeutung.
Das Land will deshalb nun die Binnenhäfen entlang des Rheins stärker für Begehrlichkeiten der Kommunen gegen attraktive Ausweisungen von „Wohnen am Wasser“ schützen. Auslöser war offenbar ausgerechnet der Mainzer Zollhafen: Gerade dessen „Umwandlung von Hafenflächen und Verlagerung der Hafenaktivitäten“ habe zum Verlust wichtiger Flächen geführt, heißt es in der Einleitung des Gutachtens: „Aus Sicht der Landesregierung Rheinland-Pfalz stellt sich daher die Frage, wie Hafen- und Hafenentwicklungsflächen
gesichert werden können.“
Das Kabinett beschloss deshalb vergangene Woche, die landeseigenen Häfen in der Landesplanung zu stärken, um ihre Nutzung für die Binnenschifffahrt zu sichern und zu erhalten. Die Landesregierung wolle damit auch sicherstellen, „dass nicht weitere Flächen für Wohnen am Wasser verloren gehen“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage von Mainz&. Die Kommunen müssten den Vorrang künftig in ihrer Planung für neue Baugebiete stärker beachten – Ziel sei auch, etwas gegen wachsende Konflikte zwischen Binnenschifffahrt und Anwohnern zu unternehmen.
In Mainz wehren sich die Einwohner des neuen Wohngebiets „Mainzer Zollhafen“ gemeinsam mit den Anwohnern der Neustadt entlang der Taunusstraße gegen die geplanten sieben Schiffsanleger für bis zu 16 Binnenschiffe vor ihrer Haustür. Die Anwohner befürchten eine erhebliche Belastung durch Lärm und Dieselabgase durch die an- und ablegenden Schiffe, im Oktober verabschiedete der Mainzer Stadtrat eine Resolution, die sich gegen die Schiffsanleger an der Südmole und für die Suche nach einem Alternativstandort im Mainzer Stadtgebiet ausspricht.
Das Gutachten des Landes zeigt nun durchaus Potenzial für den Industriehafen Mombach auf: Der Mainzer Hafen gehöre zu den wichtigen Hafenstandorten am Rhein, der Containerhafen von Frankenbach sogar zu den aufstrebenden wichtigen Umschlagplätzen für Container, heißt es in dem Gutachten. Der Industriehafen mit seiner Wasserfläche von 15.000 Quadratmetern sei „durch die Lage am Rhein gut per Binnenschiff erreichbar“, heißt es im Gutachten weiter – von einer Lage „weit außerhalb der Fahrrinne“ weiß man hier nichts. „Hinsichtlich der Schiffsgrößen bestehen im Stromhafen keine Beschränkungen, den Industriehafen können Schiffe bis zu einer Länge von 110 Metern erreichen“, bilanziert das Gutachten hingegen.
Hafenbetreiber ist die Mainzer Stadtwerke GmbH, die Muttergesellschaft der Zollhafen GmbH, die das neue Wohngebiet Mainzer Zollhafen entwickelt. Die Stadtwerke selbst sind aber nur Eigentümer der Wasserfläche, die angrenzenden Landflächen gehörten „in der Regel dem jeweiligen Nutzer“, heißt es weiter. Allerdings ist die Umgebung des Mombacher Industriehafens derzeit stark im Umbruch: Seit die Ölmühle Cargill ihre Tore schloss, sei der Umschlag mit konventionellen Gütern stark eingebrochen, verblieben sei nur der Umschlag mit Baustoffen und flüssigen Massengütern, heißt es im Gutachten weiter.
Baustoffe werden hier durch die Firma Beyer umgeschlagen, flüssige Güter für das örtliche Tanklager und den Chemiestandort der Ineos Paraform. „Das örtliche Tanklager mit einer
Kapazität von 20.000 Kubikmeter dient zur regionalen Versorgung mit Mineralölerzeugnissen, Ineos Paraform produziert am Standort mit etwa 150 Beschäftigten Formaldehyd“, so die Gutachter weiter. Leer stehend sind hingegen die Gelände westlich des hafenbeckens, hier wurden in den vergangenen Monaten die Gebäude der alten Ölmühle ebenso abgerissen wie das Werk von Nestlé.
Vor allem auf diesen Grundstücken sehen die Gutachter hohes Potenzial für eine Entwicklung neuer Hafentätigkeiten: Die Fläche der Ölmühle habe die Firma Frankenbach erworben und plane dort eine neue Stelle für den Umschlag konventioneller Güter, eine Baugenehmigung für den Bau einer Umschlagfläche sei bereits gestellt worden. Dieser Umschlagplatz biete Potenzial, da der Mombacher Hafen zwischen Koblenz und Worms der einzige Hafen mit einer Umschlagmöglichkeit für konventionelle Güter wäre, vom Ingelheimer Hafen abgesehen. „Mit einem Mobilkran soll der konventionelle Umschlag einer breiten Palette von Trockengütern durchgeführt werden“, so die Gutachter weiter: „Die Anlage eines Schwerlastkais soll auch den Umschlag von Schwergut ermöglichen.“
Die Flächen des ehemaligen Nestlé-Werks wiederum würden derzeit von einem Immobilienvermarkter vermarktet – es handelt sich um den Logistikentwickler Four Parx. Auf dem 4,5 Hektar großen, Ende 2018 erworbenen Gelände plant Four Parx laut seiner Homepage einen modernen Gewerbe- und Logistikpark in nachhaltiger Bauweise mit 24.000 Quadratmeter Hallenflächen, aufgeteilt in drei Mietbereiche, 100 Pkw-Parkplätzen und 30 Lkw-Ladedocks. „Die trimodale Nutzung berücksichtigt die unmittelbare Autobahnanbindung über einen Kreisverkehr und eine 4-spurige Straße, eine eigene Hafenbahn sowie eine Schiffsanlegestelle inkl. Container-Umschlagslager“, heißt es auf der Internetseite des Projektes.
Der Haken für den Logistikspezialisten: Im Bebauungsplan ist mit dem Gelände das grundsätzliche Gebot zur Durchführung wasserseitigen Umschlags verbunden – ein neues Unternehmen müsste also den Schiffsanleger auch nutzen. Im Gutachten des Landes heißt es dazu, es sei aber „nicht klar, inwiefern eine hafenaffine Nutzung mit Wasserumschlag bei der Vergabe von Bedeutung ist und ob gegebenenfalls Zugeständnisse gemacht werden.“ Im Übrigen aber böten auch weitere Flächen entlang des Hafenbeckens, vor allem die Einzelhandelsfläche „Potenzial für eine hafenaffine Nutzung mit wasserseitigem Umschlag“, so das Gutachten weiter, so wie es der Bebauungsplan der Stadt vorsehe.
Insgesamt prognostiziert das Gutachten dem Mombacher Hafen eine durchaus ordentliche Wachstumskurve: Der Gesamtumschlag von Hafengütern könnte demnach von 1, 889 Millionen Tonnen im Jahr 2016 bis zum Jahr 2030 auf 2,299 Millionen Tonnen wachsen. Für die Binnenschifffahrt sicher eine attraktive Aussicht: Erst im September berichteten Binnenschiffer gegenüber Mainz& von vielen positiven Erinnerungen mit Blick auf den Mombach: „Der Mombacher Hafen war immer schön, da haben wir früher viel gelegen“, schwärmte Binnenschiffer Stephen Mnich, „wir haben da als Kinder viel Zeit drin verbracht, das war immer sehr, sehr schön.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Frage der Alternativenprüfung in Sachen Schiffsanleger und den Aussagen des WSA Bingen lest Ihr hier bei Mainz&, einen weiteren Text zu dem Thema lest Ihr hier bei Mainz&. Unseren Bericht vom Runden Tisch im September findet Ihr hier. Was genau die WSA am Mainzer Zollhafen plant, haben wir hier detailliert aufgeschrieben.