Ein Tweet des Mainzer CDU-Chefs Thomas Gerster hat am Dienstag für erhebliche Empörung im politischen Mainz gesorgt. Gerster hatte auf Twitter das Hissen einer Regenbogenflagge vor dem Bundesfamilienministerium in Berlin mit den Worten kommentiert: „Man hat schon einmal Schwarz-Rot-Gold durch andere Farben ersetzt (…) Es ging nicht gut.“ Die Empörung folgte prompt auf dem Fuße: SPD, Grüne und Linke warfen Gerster einen „unsäglichen“ Nazi-Vergleich und homophobe Äußerungen vor.  Hintergrund ist allerdings ein juristischer Streit zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesfamilienministerium: Die Innenministerin hatte das Hissen von „Logo-Flaggen“ nämlich explizit untersagt.

Die Regenbogenflagge ist das Zeichen für den Kampf von Schulen und Lesben um Gleichberechtigung. - Foto: gik
Die Regenbogenflagge ist das Zeichen für den Kampf von Schulen und Lesben um Gleichberechtigung. – Foto: gik

Am 28. Juni hatte das Bundesfamilienministerium in Berlin anlässlich des Christopher Street Days eine Regenbogenflagge gehisst – allerdings keine der üblichen Regenbogenflaggen: Das Bundesfamilienministerium hisste eine sogenannte „Progress-Regenbogenflagge“, die neben den Farben des Regenbogens auch weitere Streifen in einem Dreieck enthält. Diese Farben sollen dem Regenbogen, der für die Gleichberechtigung der LGBT-Community steht, also für die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben steht, die Solidarität für Trans- und Inter-Personen hinzufügen.

Das Problem mit der „Progress-Regebogenfahne“: Ihr Hissen war rechtswidrig. Welche Flaggen vor öffentlichen Gebäuden in Deutschland gehisst werden dürfen, regelt ein Beflaggungserlass, und danach sind ausschließlich Bundesflaggen, Landesflaggen, Gemeindeflaggen sowie die Flaggen ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen zugelassen.

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Zum diesjährigen Christopher Street Day in Berlin, dem Tag, an dem traditionell für die Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben und eben auch Bi-, Inter-. und Transsexuellen eingetreten wird, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun erstmals in einem Erlass erlaubt, dass Ministerien auch die Regenbogenflagge hissen dürfen. Der Erlass erfasste aber nicht die sogenannte „Progress-Regenbogenflagge“ – und darauf hatte das Innenministerium das Bundesfamilienministerium sogar ausdrücklich hingewiesen, wie die Nachrichtenagentur dpa am 26. Juli berichtete.

Tweet Julian Reichelt zur Progress-Regenbogenflagge vor dem Bundesfamilienministerium in Berlin. - Screenshot: gik
Tweet Julian Reichelt zur Progress-Regenbogenflagge vor dem Bundesfamilienministerium in Berlin. – Screenshot: gik

Das von den Grünen geführte Bundesfamilienministerium betonte, als Gleichstellungsministerium sei man „stolz“, die Progress-Flagge zu hissen, um „ein Zeichen besonderer Solidarität“ mit allen Trans- und Inter-Personen zu setzen. Gleichzeitig berichtet dpa, Faesers Ministerium habe aber in einem Schreiben am 13. Juni das Bundesfamilienministerium ausdrücklich darauf hingewiesen, „dass das Hissen weiterer Logo-Flaggen“ nicht vom Erlass gedeckt sei. „und auch nicht genehmigt werden kann.“ Beflaggungen, die nicht im Einklang mit dem Beflaggungserlass der Bundesregierung stünden, „seien rechtswidrig“, betonte das Innenministerium der dpa-Meldung zufolge weiter.

Öffentlich wurde der Streit um die Rechtmäßigkeit nun durch eine Anfrage des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt. Der twitterte am Montag das Ergebnis seiner Anfrage, und garnierte das mit der Bemerkung, das Familienministerium habe „eine politisch deutlich radikalere Flagge“ gehisst. Diesen Tweet kommentierte dann der Mainzer CDU-Chef Thomas Gerster mit den Worten: „Man hat schon einmal schwarz-rot-gold durch andere Farben ersetzt. Auch damals war das Ziel die Durchsetzung einer eigenen Weltanschauung. Spoiler: Es ging nicht gut.“

 

Gersters Tweet löste umgehend erheblich Empörung aus: Die Mainzer SPD sprach von einem „unsäglichen, nicht hinnehmbaren Vergleich“ und einer „klaren Grenzüberschreitung“ Gersters. Die Regenbogenflagge stehe für Vielfalt und Toleranz, für Offenheit und Mitmenschlichkeit, sie „mit dem schwarz-weiß-rot der Nationalsozialisten in Verbindung zu bringen, verbietet sich“, schimpfte die Mainzer SPD-Vorsitzende Mareike von Jungenfeld.

Der Tweet von CDU-Chef Thomas Gerster in Sachen Regebogenflagge. - Screenshot: gik
Der Tweet von CDU-Chef Thomas Gerster in Sachen Regebogenflagge. – Screenshot: gik

Die Mainzer Grünen warfen Gerster gar vor, „den Holocaust zu verharmlosen“, und Menschen der LGBTQIA-Community „mit den Nazis und dem nationalsozialistischem Regime auf eine Stufe“ zu stellen. „Es ist sehr bedauerlich, dass Thomas Gerster sich von der ‚Intersex Inclusive Pride Flag‘ so bedroht fühlt, dass er denkt, das Dritte Reich kommt wieder“, sagte Stefanie Gorges, stellvertretende Kreischefin der Mainzer Grünen.

Die Linke warf Gerster sogar „homophobe Ausfälle“ vor und schimpfte, „diese brutale Täter-Opfer-Umkehr lässt uns wütend zurück.“ Gersters „geschichtsrevisionistischer Tweet“ zeuge „von einer tiefen Verachtung anderer Lebensentwürfe als dem Eigenem“, damit stehe Gerster „klar gegen das Mainzer Bekenntnis eine offene Stadt für ALLE zu sein.“

 

Gerster bestritt den Vergleich zum Nationalsozialismus auch gar nicht, betonte in einem weiteren Tweet jedoch: Seit dem Ende des Nationalsozialismus „haben wir eine Flagge, die unser Grundgesetz repräsentiert, und die Grundlage unserer Gesellschaft ist. Ich bin dagegen, auf öffentlichen Gebäuden weitere Flaggen zu hissen, die Teilaspekte des Grundgesetzes repräsentieren.“

Welche Fahnen auf oder vor öffentlichen Gebäuden der Demokratie wehen dürfen, bestimmen Fahnenerlasse der Bundesrepublik. - Foto: gik
Welche Fahnen auf oder vor öffentlichen Gebäuden der Demokratie wehen dürfen, bestimmen Fahnenerlasse der Bundesrepublik. – Foto: gik

Die Bedeutung der Fahnen, die vor öffentlichen Gebäuden gehisst werden dürften, sei „durch die jeweilige Verfassung definiert“, betonte der Jurist weiter: „In welchem Gesetz steht nochmal die Definition der Regenbogenflagge?“ Durch das Hissen dieser Flagge könnten sich nun wiederum weitere Minderheiten diskriminiert fühlen, fügte Gerster hinzu.

Das Thema ist durchaus umstritten, Hintergrund ist die durch die Verfassung garantierte Neutralität des Staates – eine Folge der Nationalsozialistischen Zeit in Deutschland. So kommentierte noch 2014 Alexander Kissler im Fokus: „Es war falsch, vor dem Familien- und dem Umweltministerium in Berlin die Regenbogenfahne zu hissen, das Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung. Denn der Staat darf keine Meinungen haben – sonst gefährdet er die Loyalität seiner Bürger.“ Dahinter steckt die verfassungsrechtlich brisante Frage, ob sich der Staat mit einer Meinung gemein machen darf – oder eben nicht.

Gerster betonte am Abend in einem Tweet dazu:Sollte ich mit meinem zugegeben überspitzten Kommentar zur #Beflaggung #Regenbogenflagge verletzt haben, tut es mir leid. Ich wollte nie LGBTQII mit Nazis gleichsetzen. Mir geht es darum, vor öffentlichen Gebäude nur Fahnen zu hissen, deren Definition dem Staat unterliegt.“

Info& auf Mainz&: Alle Tweets des Mainzer CDU-Chefs Johannes Gerster könnt Ihr hier im Original auf Twitter nachlesen.