Als im Juni 2024 römische Mauerreste in der Mainzer Oberstadt entdeckt wurden, elektrisierte der Fund die Mainzer: Was genau hatten die Bauarbeiten zum neuen TRON-Forschungszentrum da zutage gefördert? Ende August 2024 stellte die GDKE erstmals die Funde aus dem Gelände vor, inzwischen sind die Grabungen abgeschlossen, und der Befund zumindest in einem eindeutig: Auf dem Gelände wurde erstmals umfassend ein Gebiet der antiken Lagervorstadt, der Cannabae, ausgegraben – mit Dutzenden Fundamenten von Gebäuden, Brunnen und Abwasserleitungen. Ein antikes Amphitheater oder eine Therme waren allerdings leider nicht dabei.

Römische Mauerreste am Rande der TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt. Foto: Unsichtbare Römergarde
Römische Mauerreste am Rande der TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt. Foto: Unsichtbare Römergarde

Am 9. Juni 2024 hatte die Unsichtbare Römergarde Fotos von Mauern veröffentlicht, die in einer Baugrube in der Mainzer Oberstadt zu sehen waren – die Mauern waren eindeutig römischer Herkunft, doch bekannt war über sie: nichts. Auf dem Baufeld an der Oberen Zahlbacher Straße, Ecke „Am Römerlager“, entsteht seit 2023 das neue Forschungszentrum TRON für hochmoderne Krebsforschung, dass dabei auch nach antiken Funden im Boden gegraben wurde, war für die Öffentlichkeit zunächst eine Überraschung.

Dabei war Experten schon lange klar: Das Gebiet ist historisches Kerngelände und ein Gründungsort von Mainz – denn hier stand vor 2000 Jahren die Lagervorstadt vor dem römischen Legionslager. Dessen Gründung im Jahr 13 vor Christus markiert nicht nur den Beginn der antiken Provinzhauptstadt Mogontiacum, sondern wohl auch den Anfang der Stadt Mainz, deren Identität bis heute untrennbar mit dem römischen Erbe verbunden ist: Handel, Reichtum, Kultur, Handwerk und nicht zuletzt der Wein – es war der Beginn des Goldenen Mainz.

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Römische Lagervorstadt erstmals mit modernen Methoden erforscht

Dass es rund um das Römische Legionslager auf dem Kästrich auch eine pulsierende Lagervorstadt mit Häusern für Angehörige der Soldaten, mit Tavernen, Handwerksbetrieben und Bädern gab, war zwar ebenfalls bekannt, doch diese „Cannabae“ war bisher nie durch systematische Ausgrabungen erfasst und untersucht worden. Als im August 2024 die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) deshalb die ersten Funde aus der TRON-Baugrube vorstellte, war von handfesten Sensationen die Rede: Gefunden wurden Fundamente von Lagerbauten, dazu ein rätselhaftes Grab vor der Mauer des Legionslagers sowie eine Genius-Statue neben Tausenden von Scherben.

Der amtierende leitende Landesarchäologe Himmelmann bei der Präsentation der Funde aus der antiken Lagervorstadt in Mainz. - Foto: gik
Der amtierende leitende Landesarchäologe Himmelmann bei der Präsentation der Funde aus der antiken Lagervorstadt in Mainz. – Foto: gik

Am 21. Januar 2025 beendeten die Archäologen ihre Arbeit in der Baugrube, nun berichtete die GDKE, welche Funde dort insgesamt gemacht wurden: Es seien Dutzende von Fundamenten von Gebäuden, Brunnen und Gräben der Festung sowie von Abwasserkanälen und Straßenzügen gemacht worden, berichtete die Leiterin der Mainzer Archäologie Stefanie Metz, im Gespräch mit der Internetzeitung Mainz&. Die Fundamente gehörten zu diversen Holzbauten und Steinbauten, darunter waren auch zwei Latrinen und ein langer Kanal, von dem man ausgehe, dass es ein Abwasserkanal gewesen sei.

„Es sind auf jeden Fall spektakuläre Befunde“, betonte der amtierende Landesarchäologe Ulrich Himmelmann in dem Gespräch auch noch einmal, und bestätigte damit seine Einschätzung vom August 2024. Damals hatte Himmelmann von 500 Jahre Bebauung gesprochen, und von einer anhaltenden Erforschung der Baugrube, die noch viele Rätsel aufgebe. Das Gelände der TRON-Baugrube sei kein einfaches gewesen, das gesamte Grundstück sei bereits durch den Vorgängerbau, sowie durch Leitungen und den Straßenbau „im Grunde genommen schon sehr zersägt“ gewesen, betonte Himmelmann nun in der vorläufigen Bilanz.

Himmelmann: Dreidimensionales Puzzle aus Fundamenten

Himmelmann verteidigte denn auch die Entscheidung der Ämter, eine Unterkellerung des TRON-Forschungszentrums zu erlauben – daran hatte es nach Bekanntgabe der ersten Funde Kritik auch von Experten gegeben. „Ein nicht unerheblicher Teil der Baufläche hatte ja ohnehin schon einen Keller durch das Vorgängergebäude“, sagte Himmelmann, dem neuen Bauherren einen Keller zu verbieten, wäre „nicht verhältnismäßig gewesen.“ Zugleich habe es sich als vollkommen „richtig und notwendig erwiesen, die Ausgrabungen mit der notwendigen Sorgfalt und Zeit durchzuführen“, unterstrich der Archäologe auch.

Die Baugrube für das neue TRON-Forschungszentrum im August 2024: Der Vorgängerbau hatte bereits einen Keller. - Foto: gik
Die Baugrube für das neue TRON-Forschungszentrum im August 2024: Der Vorgängerbau hatte bereits einen Keller. – Foto: gik

Die Experten hätten „durch unsere Pläne und die Erfahrung sehen können, wo das Gelände schon berührt war und wo nicht“, berichtete Himmelmann: „Aber selbst die kleinen, unberührten Inseln, die noch übrig waren, haben so viel erbracht, dass man sagen kann: das hat sich auf jeden Fall gelohnt.“ Denn endlich einmal habe ein Areal der antiken Lagervorstadt mit modernen Methoden systematisch ergraben werden können, für die Erforschung des Römischen Mainz sei das eine ganz wichtige Fundgrube.

„Das wird unsere Erkenntnismöglichkeiten für das Umfeld des römischen Legionslagers deutlich nach vorne bringen“, schwärmte Himmelmann: „Das ist ein Riesenschritt für die Forschung nach vorne.“ Allerdings können die Archäologen noch gar nicht so genau sagen, was sie da eigentlich gefunden haben: „Wir haben viele Häuser und viele Straßen, das ist ein großes dreidimensionales Puzzle“, sagte Himmelmann: „Wie die Puzzlesteine zusammengesetzt werden können, das müssen wir noch herausfinden.“ Nicht gefunden wurden allerdings markante Großbauten wie eine Therme, ein Tempel oder gar ein antikes Theater – dergleichen blieb leider ein Aprilscherz.

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„Knapp unter den Füßen der Mainzer liegt die Römerzeit“

Tatsache ist aber schon jetzt: Der Bereich der Cannabae war tatsächlich enorm dicht bebaut. Großen Lagerhäuser, geründet auf meterdicken Holzpfählen und später wohl auch aus Stein gebaut, standen neben Wohnhäusern und Tavernen. Hier arbeiteten Handwerker, es gab regelrechte Herstellungsfabriken. Die Forscher fanden auf dem Gelände unter anderem Brunnen und Mauerreste von Häusern, auch Reste einer Fußbodenheizung sowie den Keller eines Wohnhauses, dazu Tausende von Scherben, die noch gesichtet werden müssen.

Die TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt von oben, aufgenommen von einer Webcam von der benachbarten Augenklinik. - Screenshot: gik
Die TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt von oben, aufgenommen von einer Webcam von der benachbarten Augenklinik. – Screenshot: gik

Die Auswertung des Materials werde sicher noch 1,5 Jahre dauern, sagte Metz, genauere Erkenntnisse zu Mauerresten oder Funden gebe es deshalb derzeit noch nicht. Das gilt auch für den Torso eines Genius, einer Schutzgottheit, die zwischen Mauerresten gefunden wurde: „Wir haben tatsächlich keinen weiteren Kontext zu dem Genius, keine Gebäudestrukturen oder dergleichen, die mit dem Objekt in Verbindung zu bringen wären“, sagte Metz. Auf die Frage, welche Bedeutung die Statue gehabt haben könnte, und ob sie in einem Tempelchen stand oder in einem Wohnhaus, können die Archäologen deshalb bisher nichts sagen.

„Die Aufarbeitung der Funde wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen“, sagte Metz, die Funde müssten gereinigt, gewaschen und inventarisiert werden – erst danach könne mit der wissenschaftlichen Auswertung begonnen werden. Was die Forscher auch ein Stück weit erstaunte: Viele Funde lagen dicht unter der Oberfläche, manche Mauerreste wurden gerade einmal 40 Zentimeter unter dem heutigen Erdboden entdeckt. „Es ist tatsächlich so“, sagte GDKE-Direktorin Heike Otto: „Knapp unter den Füßen der Mainzer liegt die Römerzeit.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu der antiken Lagervorstadt und den Funden der römischen Cannabae lest Ihr auch hier bei Mainz&.