Ende August stellte das Land Rheinland-Pfalz sensationelle römische Funde in der Mainzer Oberstadt vor: In der Baugrube für das TRON-Forschungszentrum an der Mainzer Unimedizin wird zum ersten Mal umfassend die antike Lagervorstadt des römischen Kastells ausgegraben, man präsentierte die Büste eines Genius und ein unerwartetes Grab. Die Bedeutung der Funde ruft nun erneut die Unsichtbare Römergarde auf den Plan: Den Archäologen müsse unbedingt mehr Zeit eingeräumt werden – und es stelle sich die Frage, wieso in diesem Gebiet überhaupt eine Unterkellerung erlaubt worden sei.

Römische Mauerfunde in der TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt. - Foto: gik
Römische Mauerfunde in der TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt. – Foto: gik

Schon am 9. Juni hatte die Unsichtbare Römergarde mit Fotos von antiken römischen Mauerresten in der Baugrube an der Mainzer Unimedizin die Öffentlichkeit auf den Plan gerufen. Die Mauern entpuppten sich als Teil der Canabae, jener ausgedehnten Vorstadt rund um das römische Legionslager, von denen die Archäologen zwar wussten, die aber bislang nur in winzigen Teilen vor gut 100 Jahren entdeckt und erforscht worden war.

Nun bietet eine große Baugrube an der Ecke der Straßen „Am Römerlager“ und Untere Zahlbacher Straße die perfekte Gelegenheit, das Leben und Arbeiten in dieser antiken Lagervorstadt endlich zu erforschen. Und was die Archäologen seit dem Spatenstich im April 2024 bereits aus dem Boden holten, ist beeindruckend: mehrere Hundert Kisten voller Scherbenmaterial wurden sicher gestellt, darunter auch Scherben eines römischen Glasfensters, dazu mehr als 200 Ziegel mit Legionsstempeln, rund 300 Münzen – und zahlreiche Mauerreste, deren Bedeutung noch erforscht werden muss.

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Funde in antiker Lagervorstadt: warum gab es keinen Baustopp?

Nahezu 500 Jahre lang sei das Areal einst bebaut gewesen, betonte der amtierende Landesarchäologe Ulrich Himmelmann bei der ersten Vorstellung der Funde Ende August. Gefunden worden seien bislang unter anderem Überreste einer antiken römischen Straße und eines Speicherbaus aus Stein sowie eines weiteren aus Holz, diverse Keller von Gebäuden, Reste einer Fußbodenheizung sowie von Fabriken und Schankwirtschaften – dazu ein ungewöhnliches Grab sowie der Rumpf ein4er Genius-Statue.

Der ständige Vertreter des Landesarchäologen bei der GDKE, Ulrich Himmelmann, mit den Funden aus der Mainzer Oberstadt. – Foto: gik
Der ständige Vertreter des Landesarchäologen bei der GDKE, Ulrich Himmelmann, mit den Funden aus der Mainzer Oberstadt. – Foto: gik

Damit ist klar: Das Areal bietet eine Fülle von Funde und teilweise Sensationen, doch Experten zeigten sich im Nachgang ausgesprochen überrascht: Bei einer Grabung dieser Qualität wäre normalerweise ein Baustopp erfolgt, um den Archäologen eine ausreichende Zeit zur systematischen Erforschung des Feldes zu geben. Stattdessen war bei der Präsentation der Funde wiederholt von enormem Zeitdruck die Rede: Es gebe „vertragliche Verpflichtungen“, betonte etwa Innenminister Michael Ebling (SPD), es gehe „hier eben auch um Investoren, für die ist jeder Tag bares Geld.“ Das Land habe „ein hohes Interesse, dass dieser Leuchtturm der Forschung schnell realisiert wird.“

Die Unsichtbare Römergarde fordert daraufhin nun einen größeren Respekt für das Römische Erbe – und mehr Zeit für die Archäologen. „Die akribische Arbeit der Landesarchäologie unter den gegebenen Bedingungen und dem Zeitdruck verdient höchste Anerkennung“, sagte der Chef der Unsichtbaren Römergarde, Christian Vahl nach der Vorstellung der Funde. Die zentrale Frage aber sei doch: „Allen Beteiligten war und ist bekannt, dass hier auf 2000 Jahre altem, römischen Grund gebaut wird.“

Unsichtbare Römergarde fordert mehr Zeit für Archäologie

Die Forscher hätten gewusst, dass auf dem Gelände spannende Funde von hoher Bedeutung für die Geschichte von Mainz zu erwarten seien, führte Vahl im Gespräch mit Mainz& weiter aus – das hatte auch die Politik bei der Pressekonferenz vor Ort bestätigt. Vahl, der auch Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz ist, fordert mehr Respekt für das Römische Erbe, und kritisiert insbesondere, dass für das Forschungsgebäude überhaupt eine Unterkellerung genehmigt wurde.

Tief ausgeschachtet wird derzeit die Baugrube für das TRON-Forschungszentrum in der Mainzer Oberstadt. - Foto: gik
Tief ausgeschachtet wird derzeit die Baugrube für das TRON-Forschungszentrum in der Mainzer Oberstadt. – Foto: gik

„Die Notwendigkeit, ein unterkellertes Gebäude zu errichten bestand zu keinem Zeitpunkt“, kritisiert Vahl, „hier hätte man eine Architektur wählen müssen, die das Römische Erbe respektiert und die nicht in den Untergrund geht. Das wäre sehr einfach möglich gewesen.“ Denn jede Ausgrabung zerstöre unwiederbringlich die Lage der Funde im Boden, tatsächlich werden die gefundenen Mauerreste sorgfältig dokumentiert – aber anschließend abgetragen.

Zum Vergleich verweist Vahl auf die Bebauung für den neuen Biotechnologie-Campus entlang der Saarstraße: „An der Saarstraße wurde keine Unterkellerung erlaubt, weil dort mutmaßlich römische Funde zu erwarten sind“, sagte Vahl. Stattdessen habe die Stadt „die Kaltluftschneise geopfert, indem man die Gebäude einen Stock höher genehmigt hat“, als eigentlich für die Luftzirkulation gut gewesen wäre. Der Campus entlang der Saarstraße ist genau deshalb bei Umweltschützern stark umstritten, weil hier eines der wichtigsten Kaltluftentstehungsgebiete von Mainz samt Luftschneise Richtung Innenstadt liegt.

Warum wurde für das Forschungsgebäude ein Keller genehmigt?

Es sei völlig unverständlich, dass für den Bau des TRON-Forschungszentrums, das von den Biontech-Gründern mit getragen wird, eine Unterkellerung erlaubt worden sei, kritisiert Vahl nun: „Die Landesarchäologie hätte hier die gleiche Vorgabe machen müssen, wie an der Saarstraße – also keinen Keller und dafür ein Stockwerk höher.“ Es sei doch „bedauerlich, wenn für ein Gebäude mit einer geschätzten Nutzungszeit von nur etwa 50 Jahren die gesamte 2000 Jahre alte römische Struktur irreversibel zerstört wird.“

Reiche Funde aus verschiedenen Jahrhunderten der Römerzeit machen die Archäologen derzeit auf dem TRON-Baufeld, hier wird gerade ein antikes Großgebäude ausgegraben, das von dicken Holzpfeilern getragen wurde. - Foto: gik
Reiche Funde aus verschiedenen Jahrhunderten der Römerzeit machen die Archäologen derzeit auf dem TRON-Baufeld, hier wird gerade ein antikes Großgebäude ausgegraben, das von dicken Holzpfeilern getragen wurde. – Foto: gik

Mainz& hat daraufhin beim Land Rheinland-Pfalz und bei der Landesarchäologie nachgefragt, wir wollten wissen: Wieviel Zeit wurde den Archäologen der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) denn vertraglich für die Erforschung der archäologischen Funde auf dem TRON-Baufeld eingeräumt, bis wann müssen die Forschungsarbeiten beendet sein – und wäre nicht ein Baustopp samt Zeitfenster von mindestens einem Jahr üblich gewesen?

„An die Arbeit der archäologischen Nachforschung kann kein allgemeingültiges Schema angelegt werden“, antwortete das Mainzer Innenministerium, das die Oberaufsicht über die GDKE hat. Der zur Durchführung der archäologischen Nachforschungen und Ausgrabungen an der TRON-Baustelle zwischen den Parteien geschlossene öffentlich-rechtliche Investorenvertrag „beinhaltet eine bewegliche Terminplanung, die laufend angepasst und fortgeschrieben wird“, heißt es weiter.

Priorität Baustelle: Hoher Zeitdruck für Archäologen

Ganz ähnlich hatte sich im Mainz&-Gespräch im Juni bereits GDKE-Direktorin Heike Otto geäußert: Auf dem TRON-Baufeld werde nach den Vorgaben des Bauherren gegraben, in enger Folge und Absprache werde immer wieder neu festgelegt, wo gegraben werde, hatte Otto & gesagt, und eingeräumt: „Es wäre einfacher, wenn wir erst einmal einen Bereich fertig machen könnten.“ Die Priorität sei aber, die Baustelle „nicht aufzuhalten.“ Im Innenministerium betont man nun, die archäologischen Nachforschungen erfolgen in einem „partnerschaftlichen Abstimmungsprozess.“

Am TRON-Bauvorhaben sind neben den BionTech-Gründern auch das Land Rheinland-Pfalz und die Mainzer Unimedizin beteiligt, hier Innenminister Michael Ebling (SPD), die Landesarchäologen Ulrich Himmelmann und Stefanie Metz und Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD). – Foto: gik
Am TRON-Bauvorhaben sind neben den BionTech-Gründern auch das Land Rheinland-Pfalz und die Mainzer Unimedizin beteiligt, hier Innenminister Michael Ebling (SPD), die Landesarchäologen Ulrich Himmelmann und Stefanie Metz und Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD). – Foto: gik

Dabei unterstützten sich die TRON gGmbH und die Landesarchäologie „gegenseitig, so dass die Durchführung der Grabungsabläufe sowohl im Sinne der archäologischen Forschung als auch im Interesse der weiteren Bautätigkeiten erfolgt“, so das Innenministerium weiter. Zusätzlich ergebe sich „im Fall des TRON-Baufeldes die Notwendigkeit eines sukzessiven Baugrubenverbaus durch den Bauherrn, der aus Gründen der Arbeitssicherheit für die Mitarbeiter der Landesarchäologie zwingend erforderlich“ sei.

Zur Frage, wann die Arbeiten beendet sein müssten, hieß es: Nach derzeitigem Stand sei der Abschluss der Grabungen für Weihnachten 2024 avisiert. Damit liege „die zeitliche Inanspruchnahme für die Grabungsarbeiten in dem für vergleichbare archäologische Nachforschungen üblichen Zeitrahmen“, betont man im Ministerium zudem. Zur Frage, warum bei dem Bauvorhaben, eine Unterkellerung erlaubt wurde, gab es bislang keine Antwort – eine seit Montagfrüh dem Ministerium dazu vorliegende Frage, wurde bislang nicht beantwortet.

Gesamtkonzept für Umgang mit Römischem Erbe gefordert

Am Freitag hat nun die Initiative Römisches Mainz (IRM) gemeinsam mit dem früheren Landesarchäologen Gerd Rupprecht, dem früheren Leiter des Denkmal- und Sanierungsamtes Mainz, Hartmut Fischer sowie dem früheren Mainzer Kulturdezernenten Peter Krawietz (CDU) zu einer Pressekonferenz geladen. Thema soll dabei der Umgang mit dem Römischen Mainz Erbe in Mainz sein – und dabei soll auch ein schlüssiges „Gesamtkonzept römisches Mainz“ gefordert werden.

Die Römersteine in Mainz-Zahlbach sind Reste eines antiken römischen Aquädukts - und nach Ansicht von Experten durch Grünwuchs und Bäume bedroht. - Foto: gik
Die Römersteine in Mainz-Zahlbach sind Reste eines antiken römischen Aquädukts – und nach Ansicht von Experten durch Grünwuchs und Bäume bedroht. – Foto: gik

„Das römische Erbe der Landeshauptstadt Mainz verdient deutlich mehr Aufmerksamkeit, als ihm die Verantwortlichen in den letzten Jahren zuteil werden ließen“, heißt es in der Einladung. Einige der öffentlich zugänglichen Denkmäler befänden sich „in einem wenig befriedigenden Zustand“ – so hatte etwa die Unsichtbare Römergarde zuletzt deutlich auf den aus ihrer Sicht schlechten Zustand rund um die Römersteine in Mainz-Zahlbach hingewiesen. Vahl hatte deshalb zuletzt immer wieder eine Stadtkuratorin für das Römische Mainz gefordert, die bei der Stadt angesiedelt wäre, und ein Gesamtkonzept für den Umgang mit dem römischen Erbe entwickeln und umsetzen könnte.

Ein Personenkreis aus fachlich kompetenten Einzelpersonen habe deshalb in den vergangenen Wochen „eine umfassende Bestandsaufnahme zu allen 32 im öffentlichen Raum zugänglichen Monumenten und Informationstafeln erarbeitet und daraus Handlungsfelder abgeleitet, die vorgestellt werden“, so die Einladung weiter. „Was stört ist das vollkommene Fehlen einer Linie im Umgang mit dem Römischen Erbe“, kritisiert Vahl. Gerade auch der Umgang mit den TRON-Funden versus Saarstraße – keine Unterkellerung im einen Fall, aber tiefe Keller auf der anderen Seite – zeige ja, „dass es ein konzeptuelles Vakuum gibt, dass man gar nicht weiß, wie man mit dem Römischen Erbe umgehen will.“

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zu den Sensationsfunden in der TRON-Baugrube lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zum Thema Römersteine und Stadtkuratorin für ein Römisches Mainz findet Ihr hier bei Mainz&.