Wenn am Montag der Rosenmontagszug durch Mainz zieht, wird es wohl auch die eine oder andere Lücke im Zugablauf geben. Das ist quasi unvermeidlich – denn hier marschiert die „Unsichtbare Römergarde“, wie man hier so sagt. Die gibt es tatsächlich, und an Fastnacht wird sie auch hin und wieder mal sichtbar: Mit der Zugnummer 122 wird eine ganze Fußgruppe im Rosenmontagszug mitmarschieren. Und die will an das 2000 Jahre alte römische Erbe von Mainz erinnern. Der Ordensempfang fand deshalb auch am Mithras-Heiligtum in Mainz statt – das ist ebenso unsichtbar, wie die Römergarde selbst.

Ordensempfang der Unsichtbaren Römergarde am verschwundenen Mithras-Heiligtum am Ballplatz in Mainz. - Foto: gik
Ordensempfang der Unsichtbaren Römergarde am verschwundenen Mithras-Heiligtum am Ballplatz in Mainz. – Foto: gik

„Mit etwas Unsichtbarem kann man unendlich viel anfangen“, sagt Christian Vahl, Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz (IRM) und einer der Initiatioren der „Unsichtbaren Römergarde“. Diese besondere Formation der Mainzer Fastnacht gibt es schon lange: Ins Leben gerufen wurde sie mit der Närrischen Nachtvorlesung, die Vahl – damals Herzchirurg an der Mainzer Universitätsmedizin – vor gut 12 Jahren ins Leben rief. „Die Unsichtbare Römergarde sollte die Nachtvorlesung mit organisieren“, berichtet Vahl im gespräch mit Mainz&.

Doch wie das so ist mit unsichtbaren Dingen: Sie entwickeln gerne mal ein Eigenleben. Und so ist auch die Unsichtbare Römergarde heimlich und versteckt ziemlich gewachsen: Sie organisiert die Römertage in der Römerpassage, tritt bei wichtigen historischen Events mit Streitwagen und römischen Legionären in Erscheinung, und organisierte im Sommer 2023 mehrere Musik-Events im antiken Römischen Bühnentheater am Mainzer Südbahnhof.

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Unsichtbare Römergarde im Rosenmontagszug: Zugnummer 122

Auch das „Trio Aeterna“ ist aus der Unsichtbaren Römergarde hervorgegangen, sein Mottosong: „Wir sind oben, wir sind unten, wir sind rechts und wir sind links, wir sind vorne, wir sind hinten – wir sind mitten in Euch drin.“ Und mitten drin wird die Unsichtbare Römergarde nun auch zum zweiten Mal beim Rosenmontagszug sein: Unter der Zugnummer 122, also ziemlich gegen Ende des Umzugs, wird es nach Mainz&-Informationen eine ganze Römer-Invasion geben – kleine Nachwuchs-Römer vom benachbarten Gymnasium werden ebenso mit dabei sein, wie Historiker, die auf den nachbauten original antiker Instrumente spielen.

2023 marschierte die Unsichtbare Römergarde das erste Mal ganz sichtbar im Rosenmontagszug mit. - Foto: gik
2023 marschierte die Unsichtbare Römergarde das erste Mal ganz sichtbar im Rosenmontagszug mit. – Foto: gik

Die Unsichtbare Römergarde wolle ganz bewusst das Augenmerk auf das antike römische Erbe in Mainz lenken, das in Teilen genauso unsichtbar ist, wie die Fastnachtsgarde. Den ersten Ordensempfang veranstaltete die Garde deshalb jetzt auch an einem ebenso verschwundenen Heiligtum: dem antiken Mithras-Heiligtum. Es war am 4. August 1976, als in Mainz beim Bau auf dem Gelände der späteren Deutschen Bank an der Ludwigsstraße ein aufsehenerregender Fund gemacht wurde: ein vollständiger Marmor-Altar, aus dessen Inschrift eine Weihung an die Götter Mithras und Mars hervorging.

Damit war belegt, dass das antike Mogontiacum auch ein großes Mithras-Heiligtum aufzuweisen hatte – eine Überraschung war das nicht. Der aus Persien stammende Lichtgott Mithras war besonders unter Soldaten beliebt, denn er galt als unbesiegbar. Klar, dass in dem großen Römerkastell am Zusammenschluss von Rhein und Main auch eine große Anhängerschar von Mithras-Gläubigen gewesen sein wird. Eine Nachbildung des Mithras-Altars steht heute am Durchgang zum Ballplatz in Mainz – und genau dort fand nun der erste Ordensempfang der Unsichtbaren Römergarde statt.

Mithras-Mütze: Vorläufer der Narrenkappe?

Mithras und die Fastnacht hätten einiges gemeinsam, betonte Vahl dabei: Mithras sei „die mythologische Personifizierung der Sonne, so wie Gott Jokus die Lichtgestalt der Fastnacht ist“, betonte Vahl: „Mithras gewährt wunderbaren Segen, wie Jokus für die Fastnachter – und er beschwört Katastrophen für diejenigen herauf, die sich nicht an die Verträge halten, die gegen Vertragspartner kämpfen und sich nicht den Eiden verpflichtet fühlen – wie die Mucker und Philister der Fastnacht.“

Ordensempfang der Unsichtbaren Römergarde mit Abordnungen der Garden - und jeder Menge Narrenkappen. - Foto: gik
Ordensempfang der Unsichtbaren Römergarde mit Abordnungen der Garden – und jeder Menge Narrenkappen. – Foto: gik

Und dann sei da ja noch die Mithras-Mütze, jener Schlafkappen-ähnlichen Zipfelmütze mit der nach vorne geneigten Spitze, die in vielen Abbildungen gut dokumentiert ist. Im Mithras-Kult sei die Mütze „Zeichen der Demut vor der Schöpfung und Gott“ gewesen, sagt Vahl – und die weise einiges an Ähnlichkeit mit der heutigen Narrenkappe und ihren Vorgängern auf, denn sie sei das Symbol dem „nur Gott verpflichteten, obrigkeitskritischen und oft sogar illegalen Tuns“. Ihre Fortsetzung habe sie in der Jakobinermütze der Französischen Revolution gefunden – die ihrerseits zur Vorlage der modernen Narrenkappe wurde.

1827 schlug nämlich der Kölner Generalmajor Baron von Czettritz und Neuhaus die Einführung der „Narrenkappe“ vor, die Kappe sollte das Zeichen der Gleichheit und Einigkeit sein: Aus dem alten Sprichwort „gleiche Brüder, gleiche Kappen“ wurde im Karneval „gleiche Narren, gleiche Kappen“ – was bis heute im Närrischen Grundgesetz der Mainzer Fastnacht verankert ist. „Markant für die ersten ‚modernen‘ Narrenkappen wie für die gegenwärtigen ist die – wenigstens an einer Stelle – nach vor gebogene Spitze, wie sie eben für die phrygische Mütze typisch ist“, unterstreicht Vahl.

Mainzer Mithräum eines der größten je gefundenen Heiligtümer

Tatsache ist: Die Narrenkappe trat einen Siegeszug den Rhein hinauf an, in Mainz ist sie noch heute das Symbol für die freie Rede des Narren: Wer die Narrenkappe aufsetzt, kann unter ihrem Schutz Wahrheit sprechen und die Obrigkeit kritisieren. Deswegen trägt auch bis heute der Protokoller der Mainzer Fastnacht eine Narrenkappe – wenn er nicht gleich die Mütze des Eulenspiegels aufhat, wie der Till.

Die Nachbildung der Altäre des antiken Mithras-Heiligtums, gefunden 1876 in Mainz, im Durchgang zum Mainzer Ballplatz. - Foto: gik
Die Nachbildung der Altäre des antiken Mithras-Heiligtums, gefunden 1876 in Mainz, im Durchgang zum Mainzer Ballplatz. – Foto: gik

Der Mainzer Mithras-Tempel jedenfalls war mit seinem 22 Meter langen Kultraum eines der größten Mithräen, das je gefunden wurde – und muss damit ein imposanter Tempel gewesen sein. Erhalten waren die Mauern sogar bis zu einer Höhe von rund 90 Zentimetern, wie Dokumentationen  der Archäologen ergeben – doch die Archäologie hatte 1976 noch nicht die Befugnisse, einen Baustopp zu erreichen, und die Funde zu sichern.  So verschwand einer der bedeutendsten Tempelbauten des antiken Mogontiacum im Nirwana – die „Unsichtbare Römergarde“ aber erinnerte nun an seine Existenz.

„Wir alle tragen Abkömmlinge der Mithras-Priestermützen als Narrenkappe“, betonte Vahl, „das Mithras-Heiligtum in Mainz ist daher so etwas wie die Keimzelle der Narrenkappen.“ Der Ballplatz sei daher Ort der unsichtbaren Kultstätte der Römer, derzeit auch der Ort der „unsichtbaren Präsenz der Meenzer Mädcher“ durch den verschwundenen Ballplatz-Brunnen. „Es ist ein Ort, der für jeden, der eine Narrenkappe trägt, und der die Rückbesinnung ermöglicht, woher diese Kappe stammt und zu war die Narretei verpflichtet“, fügte Vahl hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Thema römische Musik im Römischen Bühnentheater und der Initiative Römisches Mainz findet Ihr auch hier bei Mainz&.