„NEUE Römische Funde am Fichteplatz, aktuelle Ausgrabungen beweisen Römische zivile Siedlung am Militärlager“, das postete die „Unsichtbare Römergarde“ am 9. Juni auf ihrem Facebook-Account – zehn Tage später waren die auf dem Foto abgebildeten Mauerreste verschwunden, das Baufeld planiert und eingeebnet. Das Mauerwerk sei „eindeutig römischen Charakters gewesen“, sagt Christian Vahl, Chef der „Unsichtbaren Römergarde“, und fragt sich nun: Was ist aus den Funden geworden – und was genau wurde dort überhaupt gefunden?

Spatenstich für das neue Forschungsgebäude von TRON auf dem Gelände Obere Zahlbacher Straße - Am Römerlager am 09. April 2024. - Foto: TRON/ Landesregierung RLP auf X
Spatenstich für das neue Forschungsgebäude von TRON auf dem Gelände Obere Zahlbacher Straße – Am Römerlager am 09. April 2024. – Foto: TRON/ Landesregierung RLP auf X

Der Fundort steht in Zusammenhang mit der Baustelle des TRON, am 9. April 2024 wurde unmittelbar neben dem Hochhaus der Mainzer Universitätsmedizin am Augustplatz in der Oberstadt der Grundstein für eine neue Firmenzentrale in der Mainzer Oberstadt gelegt: TRON ist eine unabhängige Forschungseinrichtung, die neue Diagnostika und Therapien im Bereich der Krebsbehandlung erforscht. Mitgegründet wurde TRON von den Biontech-Chefs und Mainzer Ehrenbürgern Ugur Sahin und Özlem Türeci sowie ihrem Mitstreiter Christoph Huber. Auch das Land Rheinland-Pfalz, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz und die Universitätsmedizin Mainz sind an TRON beteiligt.

Das Baufeld für das neue Forschungsgebäude liegt auf dem Gelände der Universitätsmedizin, an der Oberen Zahlbacher Straße, Ecke „Am Römerlager“. Hier soll „ein modernes, lichtdurchflutetes Gebäude mit Labor- und Bürobereichen sowie Kommunikationszonen mit bis zu 10.800 Quadratmeter Nutzfläche“ entstehen, wie es auf der Homepage heißt. Die Vorbereitungen liefen in Rekordzeit, schon im Laufe des Jahres 2027 soll das sechsstöckige Gebäude mit Platz für 400 Mitarbeitende fertig sein.

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Mauerreste in Baugrube verschwunden: Waren es römische Reste?

Am 9. Juni dann postete Christian Vahl, Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz (IRM) auf dem Facebook-Account der „Unsichtbaren Römergarde“ mehrere Fotos einer Baugrube, die mehrere parallel zueinander verlaufende Mauerreste zeigten. „NEUE Römische Funde am Fichteplatz“, schrieb Vahl begeistert dazu: „Die Garde wartet erfreut und gespannt auf Erläuterungen der GDKE. “ Die GDKE ist die Generaldirektion Kulturelles Erbe, zuständig in Rheinland-Pfalz für Denkmalpflege sowie Landesarchäologie.

Fotos von Mauerresten in einer Baugrube an der Straße "Am Römerlager", unmittelbar gegenüber des TRON-Baufeldes. - Foto: Unsichtbare Römergarde
Fotos von Mauerresten in einer Baugrube an der Straße „Am Römerlager“, unmittelbar gegenüber des TRON-Baufeldes. – Foto: Unsichtbare Römergarde

Die Fotos seien von einem Mitglied der Unsichtbaren Römergarde gemacht worden, berichtete Vahl nun im Gespräch mit der Internetzeitung Mainz&, zu sehen seien darauf „Mauerwerk eindeutig römischen Charakters“ – das hätten Experten bestätigt. Auch eine Sandsteinstatue sei gefunden worden, berichtete Vahl. Doch zehn Tage nach der Veröffentlichung der Fotos machte Vahl eine Entdeckung, die ihn sichtlich erschüttert: Bei einem Besuch vor Ort fand er eine planierte und eingeebnete Baugrube vor.

„Ich dachte, ich trau meinen Augen nicht: die Baustelle war weggeräumt und leer“, berichtet Vahl – von den Mauerresten war nichts mehr zu sehen, wie Fotos dokumentieren. Ort des Geschehens sei indes nicht die TRON-Baugrube selbst gewesen, sondern ein Gelände auf der anderen Straßenseite, durch das mehrere Leitungen führten. Dass es in dem Gebiet römische Siedlungsreste geben müsse, sei bekannt gewesen, sagt Vahl: Der Bereich grenze unmittelbar an das antike römische Legionslager auf dem Kästrich an.

Lag hier die Mainzer Canabae: Zivile Siedlung am Legionslager?

„Es gab eine Zone rund um ein römisches Lager, in der sich die sogenannte Canabae befand eine zivile Siedlung“, erklärt Vahl. In diesem Bereich habe Weinhändler und Handwerker gegeben, dort hätten auch die Angehörigen der Soldaten gelebt, auch kleine Heiligtümer habe es in solchen Bezirken gegeben. „Über die Canabae in Mainz ist bisher nichts bekannt, deshalb wäre das eigentlich von höchstem Forschungsinteresse“, betont Vahl. Spannende Fragen seien etwa, welche Kulte dort gelebt wurden, oder wie das zivile Leben ausgesehen habe.

Vermutete Lage des römischen Legionslagers auf dem Kästrich auf einem Plan aus dem Jahr 1919 - die unterste linke Ecke ist genau der Ort der TRON-Baugrube (rot markiert). - Foto: Vahl, Bearbeitung: gik
Vermutete Lage des römischen Legionslagers auf dem Kästrich auf einem Plan aus dem Jahr 1919 – die unterste linke Ecke ist genau der Ort der TRON-Baugrube (rot markiert). – Foto: Vahl, Bearbeitung: gik

Klar ist: Solche Canabae gab es natürlich auch in Mainz, auf alten Karten ist zudem ein möglicher Verlauf der Begrenzung des Legionslagers eingezeichnet – demnach lag die südwestliche Ecke genau an der heutigen Kreuzung der Oberen Zahlbacher Straße mit der Straße „Am Römerlager“. Vahls Vermutung: Die Mauerreste in der Baugrube gehörten zu einem Bauwerk in diesen Canabae, unmittelbar angrenzend an das Legionslager. Ganz in der Nähe wurde zudem 1901 Reste der römischen Lagerthermen ausgegraben, die ebenfalls außerhalb des Legionslagers lagen, und ein Großbauwerk gewesen sein müssen.

Die Vermutungen teilt auch der frühere Landesarchäologe Gerd Rupprecht: „Dort oben war die Bebauung besonders dicht, schließlich war dies der älteste Siedlungsplatz der Römer“, sagte Rupprecht im Gespräch mit Mainz& – von dem Bereich wisse man allerdings bislang nur wenig Genaues. „Wir vermuten, dass dort überall Zivilbebauung war“, sagte Rupprecht mit Blick auf den Fundort der Mauerreste. Klar sei nur: Die Lagertherme habe an dieser Ecke nicht gestanden, womöglich aber andere Bauten mit ziviler Nutzung – was genau, sei unklar. Deshalb seien Mauerreste in dem Gebiet „in jedem Fall von Interesse“, betonte er: „Es gibt nicht Mauerreste erster oder zweiter Ordnung.“

Wo verlief die römische Wasserleitung zur Lagertherme?

Und schließlich sei da ja noch die Frage, was aus der Wasserleitung geworden sei, die vom Aquädukt über das Zahlbachtal zum Legionslager führte: „Es ist ja eine große Menge Wasser über die Wasserleitung zur Therme geleitet worden“, sagte Rupprecht, „aber wo sind diese Mengen hin?“ Der genau Verlauf sei unklar, deshalb sei in dem Gebiet „jeder Quadratmeter wichtig“ und müsse untersucht werden.

So sah die TRON-Baugrube am Tag des Spatenstichs des 09. April 2024 aus, die Mauerreste wurden oberhalb davon auf der anderen Straßenseite gefunden. - Video: SWR, Screenshot: gik
So sah die TRON-Baugrube am Tag des Spatenstichs des 09. April 2024 aus, die Mauerreste wurden oberhalb davon auf der anderen Straßenseite gefunden. – Video: SWR, Screenshot: gik

Vahl fragt sich nun, ob das geschehen ist, und mit welchem Ergebnis. „Die Öffentlichkeit ist nicht informiert worden, nicht einmal die IRM“, kritisiert er: „Man wusste, dass da römisches Terrain ist, da hätte man mit radiologischen Methoden vorher nachsehen können, was da im Boden liegen könnte.“ Seine Befürchtung: Die Mauerfunde seien „einfach beseitigt worden, bevor eine abschließende Klärung stattgefunden hat, was genau dort gefunden wurde.“

Die GDKE spricht auf Anfrage von Mainz& nur vage von „Funden“: Auf dem TRON-Baugelände verliefen „diverse Kabeltrassen und Fernwärmeleitungen, die für den Betrieb des Universitätsklinikums und die Versorgung der Mainzer Oberstadt zentral sind“, sagte ein Sprecher auf Mainz&-Anfrage: „Zur Aufrechterhaltung und Sicherung der wichtigen Trassen und Leitungen wurden die dort gemachten Befunde fachgerecht und unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Standards durch die Landesarchäologie dokumentiert abgetragen.“

Die Funde würden archiviert, sicher in den Depots der Landesarchäologie verwahrt und einer späteren wissenschaftlichen Auswertung zugänglich gemacht – das sei „eines der üblichen Vorgehen bei notwendigen archäologischen Grabungen zur Realisierung von Bauprojekten.“ Wie lange die Archäologen auf dem Gelände zur Sicherung der Funde Zeit hatten, was genau gefunden wurde und aus welcher Zeit es stammt – dazu gab die GDKE bislang keine Auskunft. Ein detaillierter Fragenkatalog von Mainz& soll in Kürze noch beantwortet werden.

Info& auf Mainz&: Wir haben natürlich auch die Stadt Mainz angefragt, die als Untere Denkmalschutzbehörde bei Fragen von archäologischen Funden ebenfalls involviert ist, wir hoffen auf Antwort im Laufe des Mittwochs. Zum Thema Römisches Mainz fordert IRM-Vorsitzender Vahl die Einrichtung einer Römischen Stadtkuratorin – was es damit auf sich hat, lest Ihr hier bei Mainz&.